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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Und Frühling! Frühling! schallt's aus allen Kehlen,
Der Bettler hört's und weint des Nachts am Quai;
Ein süßer Schauer rinnt durch alle Seelen
Und durch die Straßen der geschmolzne Schnee.
Die Damen tragen wieder lange Schleppen,
Zum Schneider eilt nun, wer sich's "leisten" kann,
Die Kinder spielen lärmend auf den Treppen
Und auf den Höfen -- singt der Leiermann.
Schon legt der Bäcker sich auf Osterkringel
Und seine Fenster putzt der Photograph,
Der blaue Milchmann mit der gelben Klingel
Stört uns tagtäglich nun den Morgenschlaf.
Mit Kupfern illustrirt die Frauenzeitung
Die neusten Frühjahrsmoden aus Paris,
Ihr Feuilleton bringt zur Geschmacksverbreitung
Den neusten Schundroman von Dumas fils.
Es tritt der Strohhut und der Sonnenknicker
Nun wieder in sein angestammtes Recht
Und coquettirend mit dem Nasenzwicker
Durchstreift den Park der Promenadenhecht.
Das ist so recht die Schmachtzeit für Blondinen
Und ach, so mancher wird das Herzlein schwer,
Ein Duft von Veilchen und von Apfelsinen
Schwingt wie ein Traum sich übers Häusermeer.
Und Frühling! Frühling! ſchallt's aus allen Kehlen,
Der Bettler hört's und weint des Nachts am Quai;
Ein ſüßer Schauer rinnt durch alle Seelen
Und durch die Straßen der geſchmolzne Schnee.
Die Damen tragen wieder lange Schleppen,
Zum Schneider eilt nun, wer ſich's „leiſten“ kann,
Die Kinder ſpielen lärmend auf den Treppen
Und auf den Höfen — ſingt der Leiermann.
Schon legt der Bäcker ſich auf Oſterkringel
Und ſeine Fenſter putzt der Photograph,
Der blaue Milchmann mit der gelben Klingel
Stört uns tagtäglich nun den Morgenſchlaf.
Mit Kupfern illuſtrirt die Frauenzeitung
Die neuſten Frühjahrsmoden aus Paris,
Ihr Feuilleton bringt zur Geſchmacksverbreitung
Den neuſten Schundroman von Dumas fils.
Es tritt der Strohhut und der Sonnenknicker
Nun wieder in ſein angeſtammtes Recht
Und coquettirend mit dem Naſenzwicker
Durchſtreift den Park der Promenadenhecht.
Das iſt ſo recht die Schmachtzeit für Blondinen
Und ach, ſo mancher wird das Herzlein ſchwer,
Ein Duft von Veilchen und von Apfelſinen
Schwingt wie ein Traum ſich übers Häuſermeer.
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[31/0053] Und Frühling! Frühling! ſchallt's aus allen Kehlen, Der Bettler hört's und weint des Nachts am Quai; Ein ſüßer Schauer rinnt durch alle Seelen Und durch die Straßen der geſchmolzne Schnee. Die Damen tragen wieder lange Schleppen, Zum Schneider eilt nun, wer ſich's „leiſten“ kann, Die Kinder ſpielen lärmend auf den Treppen Und auf den Höfen — ſingt der Leiermann. Schon legt der Bäcker ſich auf Oſterkringel Und ſeine Fenſter putzt der Photograph, Der blaue Milchmann mit der gelben Klingel Stört uns tagtäglich nun den Morgenſchlaf. Mit Kupfern illuſtrirt die Frauenzeitung Die neuſten Frühjahrsmoden aus Paris, Ihr Feuilleton bringt zur Geſchmacksverbreitung Den neuſten Schundroman von Dumas fils. Es tritt der Strohhut und der Sonnenknicker Nun wieder in ſein angeſtammtes Recht Und coquettirend mit dem Naſenzwicker Durchſtreift den Park der Promenadenhecht. Das iſt ſo recht die Schmachtzeit für Blondinen Und ach, ſo mancher wird das Herzlein ſchwer, Ein Duft von Veilchen und von Apfelſinen Schwingt wie ein Traum ſich übers Häuſermeer.

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/53>, abgerufen am 16.05.2024.