Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.Doch drauß vorm Stadtthor rauscht es in den Bäumen, Dort tummelt sich die fashionable Welt, Und junge Dichter wandeln dort und träumen Von ewgem Ruhm, Unsterblichkeit -- und Geld. Rings um die wiederweißen Marmormäler Spielt laut ein Kinderschwarm nun Blindekuh Und heimlich gibt der Backfisch dem Pennäler Am Goldfischteich das erste Rendezvous. Und macht die Nacht dann ihre stille Runde Und blitzt es licht durchs dunkle Firmament, Dann ist's dieselbe Lenznacht, die zur Stunde Sich lagert um den Busen von Sorrent! Dann ist's derselbe Mond, der rings das Pflaster Sacht überdeckt mit seinem goldnen Vließ, Den vor Jahrtausenden schon Zoroaster Als ewgen Herold aller Lenze pries! O Frühling! Frühling, dem die Welt entlodert,
Du führst im Schild ein Röslein ohne Dorn; Daß uns das Herz nicht ganz vermorscht und modert, Stößt du noch immer in dein Wunderhorn. Noch immer läßt du deine Nachtigallen Ins Frühroth schlagen, wie zur Zeit Homers, Und hebst empor die Engel, die gefallen, Die kranken Söhne Fausts und Ahasvers. Doch drauß vorm Stadtthor rauſcht es in den Bäumen, Dort tummelt ſich die faſhionable Welt, Und junge Dichter wandeln dort und träumen Von ewgem Ruhm, Unſterblichkeit — und Geld. Rings um die wiederweißen Marmormäler Spielt laut ein Kinderſchwarm nun Blindekuh Und heimlich gibt der Backfiſch dem Pennäler Am Goldfiſchteich das erſte Rendezvous. Und macht die Nacht dann ihre ſtille Runde Und blitzt es licht durchs dunkle Firmament, Dann iſt's dieſelbe Lenznacht, die zur Stunde Sich lagert um den Buſen von Sorrent! Dann iſt's derſelbe Mond, der rings das Pflaſter Sacht überdeckt mit ſeinem goldnen Vließ, Den vor Jahrtauſenden ſchon Zoroaſter Als ewgen Herold aller Lenze pries! O Frühling! Frühling, dem die Welt entlodert,
Du führſt im Schild ein Röslein ohne Dorn; Daß uns das Herz nicht ganz vermorſcht und modert, Stößt du noch immer in dein Wunderhorn. Noch immer läßt du deine Nachtigallen Ins Frühroth ſchlagen, wie zur Zeit Homers, Und hebſt empor die Engel, die gefallen, Die kranken Söhne Fauſts und Ahasvers. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0056" n="34"/> <lg n="15"> <l>Doch drauß vorm Stadtthor rauſcht es in den Bäumen,</l><lb/> <l>Dort tummelt ſich die faſhionable Welt,</l><lb/> <l>Und junge Dichter wandeln dort und träumen</l><lb/> <l>Von ewgem Ruhm, Unſterblichkeit — und Geld.</l><lb/> <l>Rings um die wiederweißen Marmormäler</l><lb/> <l>Spielt laut ein Kinderſchwarm nun Blindekuh</l><lb/> <l>Und heimlich gibt der Backfiſch dem Pennäler</l><lb/> <l>Am Goldfiſchteich das erſte Rendezvous.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Und macht die Nacht dann ihre ſtille Runde</l><lb/> <l>Und blitzt es licht durchs dunkle Firmament,</l><lb/> <l>Dann iſt's dieſelbe Lenznacht, die zur Stunde</l><lb/> <l>Sich lagert um den Buſen von Sorrent!</l><lb/> <l>Dann iſt's derſelbe Mond, der rings das Pflaſter</l><lb/> <l>Sacht überdeckt mit ſeinem goldnen Vließ,</l><lb/> <l>Den vor Jahrtauſenden ſchon Zoroaſter</l><lb/> <l>Als ewgen Herold aller Lenze pries!</l><lb/> </lg> <lg n="17"> <l>O Frühling! Frühling, dem die Welt entlodert,</l><lb/> <l>Du führſt im Schild ein Röslein ohne Dorn;</l><lb/> <l>Daß uns das Herz nicht ganz vermorſcht und modert,</l><lb/> <l>Stößt du noch immer in dein Wunderhorn.</l><lb/> <l>Noch immer läßt du deine Nachtigallen</l><lb/> <l>Ins Frühroth ſchlagen, wie zur Zeit Homers,</l><lb/> <l>Und hebſt empor die Engel, die gefallen,</l><lb/> <l>Die kranken Söhne Fauſts und Ahasvers.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0056]
Doch drauß vorm Stadtthor rauſcht es in den Bäumen,
Dort tummelt ſich die faſhionable Welt,
Und junge Dichter wandeln dort und träumen
Von ewgem Ruhm, Unſterblichkeit — und Geld.
Rings um die wiederweißen Marmormäler
Spielt laut ein Kinderſchwarm nun Blindekuh
Und heimlich gibt der Backfiſch dem Pennäler
Am Goldfiſchteich das erſte Rendezvous.
Und macht die Nacht dann ihre ſtille Runde
Und blitzt es licht durchs dunkle Firmament,
Dann iſt's dieſelbe Lenznacht, die zur Stunde
Sich lagert um den Buſen von Sorrent!
Dann iſt's derſelbe Mond, der rings das Pflaſter
Sacht überdeckt mit ſeinem goldnen Vließ,
Den vor Jahrtauſenden ſchon Zoroaſter
Als ewgen Herold aller Lenze pries!
O Frühling! Frühling, dem die Welt entlodert,
Du führſt im Schild ein Röslein ohne Dorn;
Daß uns das Herz nicht ganz vermorſcht und modert,
Stößt du noch immer in dein Wunderhorn.
Noch immer läßt du deine Nachtigallen
Ins Frühroth ſchlagen, wie zur Zeit Homers,
Und hebſt empor die Engel, die gefallen,
Die kranken Söhne Fauſts und Ahasvers.
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Zitationshilfe: | Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/56>, abgerufen am 28.07.2024. |