Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
Kein Mensch ist mehr zuleikatoll,
Dein Bülbülschwindel ist verkracht,
Und ein entsetzlich tiefer Groll
Ist jählings mit uns aufgewacht.
Drum gecke weiter, alter Geck,
Und schwärme vom Medschidscheorden,
Wir -- schreiten über Dich hinweg,
Denn anders ist die Welt geworden!
Sie schwelgt nicht mehr "an Baches Strand"
Und sucht verzückt das Blümlein "Blau",
Sie hat sich endlich selbst erkannt
Und plant den großen Zukunftsbau.
Zum Factum macht sie die Idee
Und lacht der Schwärmer hinterm Ofen --
Was sollen ihr nun, F. v. B.,
Was sollen ihr nun Deine Strophen?
Ein Musterstück für Versdressur,
Ein farblos Nichts, das bunt lakirt,
Vergleichbar einer Kinderuhr,
Die "fingerdick mit Gold beschmiert" --
So ungefähr als Mann von Fach
Würd ich den Mischmasch kritisiren;
Doch nein, auch das ist noch zu schwach,
Dein Witz ist ledern zum Crepiren!
Kein Menſch iſt mehr zuleikatoll,
Dein Bülbülſchwindel iſt verkracht,
Und ein entſetzlich tiefer Groll
Iſt jählings mit uns aufgewacht.
Drum gecke weiter, alter Geck,
Und ſchwärme vom Medſchidſcheorden,
Wir — ſchreiten über Dich hinweg,
Denn anders iſt die Welt geworden!
Sie ſchwelgt nicht mehr „an Baches Strand“
Und ſucht verzückt das Blümlein „Blau“,
Sie hat ſich endlich ſelbſt erkannt
Und plant den großen Zukunftsbau.
Zum Factum macht ſie die Idee
Und lacht der Schwärmer hinterm Ofen —
Was ſollen ihr nun, F. v. B.,
Was ſollen ihr nun Deine Strophen?
Ein Muſterſtück für Versdreſſur,
Ein farblos Nichts, das bunt lakirt,
Vergleichbar einer Kinderuhr,
Die „fingerdick mit Gold beſchmiert“ —
So ungefähr als Mann von Fach
Würd ich den Miſchmaſch kritiſiren;
Doch nein, auch das iſt noch zu ſchwach,
Dein Witz iſt ledern zum Crepiren!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0083" n="61"/>
            <lg n="3">
              <l>Kein Men&#x017F;ch i&#x017F;t mehr zuleikatoll,</l><lb/>
              <l>Dein Bülbül&#x017F;chwindel i&#x017F;t verkracht,</l><lb/>
              <l>Und ein ent&#x017F;etzlich tiefer Groll</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t jählings mit uns aufgewacht.</l><lb/>
              <l>Drum gecke weiter, alter Geck,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;chwärme vom Med&#x017F;chid&#x017F;cheorden,</l><lb/>
              <l>Wir &#x2014; &#x017F;chreiten über Dich hinweg,</l><lb/>
              <l>Denn anders i&#x017F;t die Welt geworden!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Sie &#x017F;chwelgt nicht mehr &#x201E;an Baches Strand&#x201C;</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ucht verzückt das Blümlein &#x201E;Blau&#x201C;,</l><lb/>
              <l>Sie hat &#x017F;ich endlich &#x017F;elb&#x017F;t erkannt</l><lb/>
              <l>Und plant den großen Zukunftsbau.</l><lb/>
              <l>Zum Factum macht &#x017F;ie die Idee</l><lb/>
              <l>Und lacht der Schwärmer hinterm Ofen &#x2014;</l><lb/>
              <l>Was &#x017F;ollen <hi rendition="#g">ihr</hi> nun, F. v. B.,</l><lb/>
              <l>Was &#x017F;ollen <hi rendition="#g">ihr</hi> nun Deine Strophen?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Ein Mu&#x017F;ter&#x017F;tück für Versdre&#x017F;&#x017F;ur,</l><lb/>
              <l>Ein farblos Nichts, das bunt lakirt,</l><lb/>
              <l>Vergleichbar einer Kinderuhr,</l><lb/>
              <l>Die &#x201E;fingerdick mit Gold be&#x017F;chmiert&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l>So ungefähr als Mann von Fach</l><lb/>
              <l>Würd ich den Mi&#x017F;chma&#x017F;ch kriti&#x017F;iren;</l><lb/>
              <l>Doch nein, auch das i&#x017F;t noch zu &#x017F;chwach,</l><lb/>
              <l>Dein Witz i&#x017F;t ledern zum Crepiren!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0083] Kein Menſch iſt mehr zuleikatoll, Dein Bülbülſchwindel iſt verkracht, Und ein entſetzlich tiefer Groll Iſt jählings mit uns aufgewacht. Drum gecke weiter, alter Geck, Und ſchwärme vom Medſchidſcheorden, Wir — ſchreiten über Dich hinweg, Denn anders iſt die Welt geworden! Sie ſchwelgt nicht mehr „an Baches Strand“ Und ſucht verzückt das Blümlein „Blau“, Sie hat ſich endlich ſelbſt erkannt Und plant den großen Zukunftsbau. Zum Factum macht ſie die Idee Und lacht der Schwärmer hinterm Ofen — Was ſollen ihr nun, F. v. B., Was ſollen ihr nun Deine Strophen? Ein Muſterſtück für Versdreſſur, Ein farblos Nichts, das bunt lakirt, Vergleichbar einer Kinderuhr, Die „fingerdick mit Gold beſchmiert“ — So ungefähr als Mann von Fach Würd ich den Miſchmaſch kritiſiren; Doch nein, auch das iſt noch zu ſchwach, Dein Witz iſt ledern zum Crepiren!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/83
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/83>, abgerufen am 16.05.2024.