Holz, Arno: Phantasus. 1. Heft. Berlin, 1898.Verblüht die Kränze, die du gewunden, verweht die Lieder, die du gesungen, und in deinen Haaren, in deinen schönen Haaren, klebt nun die Erde. Tot, tot, tot . . . Und deine Flügel, deine armen Flügel! Unbarmherzig heruntergeschnitten von den schimmernden Schultern -- ah, weine nicht! Weine nicht! Hier! Hier! Zu mir sollst du dich setzen, nächtlich, allnächtlich, bis der Morgen graut, bis die Sonne scheint, und die Welt, die kluge Welt, wieder gleichgültig über dein Grab rollt -- Horch! Der Ahorn vor meinem Fenster rauscht, der Thau tropft, und mein Herz schlägt. Nacht, Nacht, Nacht . . . Verblüht die Kränze, die du gewunden, verweht die Lieder, die du gesungen, und in deinen Haaren, in deinen schönen Haaren, klebt nun die Erde. Tot, tot, tot . . . Und deine Flügel, deine armen Flügel! Unbarmherzig heruntergeschnitten von den schimmernden Schultern — ah, weine nicht! Weine nicht! Hier! Hier! Zu mir sollst du dich setzen, nächtlich, allnächtlich, bis der Morgen graut, bis die Sonne scheint, und die Welt, die kluge Welt, wieder gleichgültig über dein Grab rollt — Horch! Der Ahorn vor meinem Fenster rauscht, der Thau tropft, und mein Herz schlägt. Nacht, Nacht, Nacht . . . <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0012"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l rendition="#c">Verblüht</l><lb/> <l rendition="#c">die Kränze, die du gewunden,</l><lb/> <l rendition="#c">verweht</l><lb/> <l rendition="#c">die Lieder, die du gesungen,</l><lb/> <l rendition="#c">und in deinen Haaren, in deinen schönen Haaren,</l><lb/> <l rendition="#c">klebt nun die</l><lb/> <l rendition="#c">Erde.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l rendition="#c">Tot, tot, tot . . .</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l rendition="#c">Und deine Flügel, deine armen Flügel!</l><lb/> <l rendition="#c">Unbarmherzig heruntergeschnitten</l><lb/> <l rendition="#c">von den schimmernden Schultern — ah, <hi rendition="#g">weine</hi> nicht!</l><lb/> <l rendition="#c">Weine <hi rendition="#g">nicht</hi>!</l><lb/> <l rendition="#c">Hier! Hier! <hi rendition="#g">Zu</hi> mir sollst du dich setzen,</l><lb/> <l rendition="#c">nächtlich, allnächtlich,</l><lb/> <l rendition="#c">bis der Morgen</l><lb/> <l rendition="#c">graut,</l><lb/> <l rendition="#c">bis die Sonne</l><lb/> <l rendition="#c">scheint,</l><lb/> <l rendition="#c">und die Welt,</l><lb/> <l rendition="#c">die kluge Welt, wieder gleichgültig über dein Grab rollt —</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l rendition="#c">Horch!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l rendition="#c">Der Ahorn vor meinem Fenster rauscht,</l><lb/> <l rendition="#c">der Thau tropft,</l><lb/> <l rendition="#c">und mein Herz</l><lb/> <l rendition="#c">schlägt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l rendition="#c">Nacht, Nacht, Nacht . . .</l> </lg><lb/> </lg> </body> </text> </TEI> [0012]
Verblüht
die Kränze, die du gewunden,
verweht
die Lieder, die du gesungen,
und in deinen Haaren, in deinen schönen Haaren,
klebt nun die
Erde.
Tot, tot, tot . . .
Und deine Flügel, deine armen Flügel!
Unbarmherzig heruntergeschnitten
von den schimmernden Schultern — ah, weine nicht!
Weine nicht!
Hier! Hier! Zu mir sollst du dich setzen,
nächtlich, allnächtlich,
bis der Morgen
graut,
bis die Sonne
scheint,
und die Welt,
die kluge Welt, wieder gleichgültig über dein Grab rollt —
Horch!
Der Ahorn vor meinem Fenster rauscht,
der Thau tropft,
und mein Herz
schlägt.
Nacht, Nacht, Nacht . . .
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |