Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der Signora die Adressen setzte, welche sie ihm dictirte. Donna Ersilia ließ nämlich nicht leicht eine zu ihrer Verfügung stehende Schreibkraft in müssiger Ungenutztheit. Da haben wir den Tedesco! rief sie. An diesem ganzen rührenden Gespräch ist ihm nichts merkwürdig gewesen als ein Wort, das er nicht verstanden hat. Veglia heißt eine Abendgesellschaft, eine Abendunterhaltung; der Ausdruck wird gebraucht von den Besuchen, welche die verliebten Burschen am Feierabend bei ihren Mädchen zu machen pflegen. So! nun wissen Sie auch das, Sie Nimmersattes Wörterbuch. Aber niemals werden Sie begreifen lernen, welchen Verdruß ich fühle, wenn mich Jemand um meinen Beistand bittet und ich sein Begehren nicht gutheißen kann. Auch der Deutsche fand, daß Maso ein allzu jugendlicher Freier sei. Aber, rief er aus, welche Schönheit ist diese Gigia! Sie fuhr mit uns im Wagen. Am andern Morgen -- die hellste Sonne beschien die barhäuptigen Berge und die olivenbewaldeten Hügel -- begleitete der deutsche Gast die Signora bis zur Kirche San Giorgio a Urballa, und während die Dame drinnen die Messe hörte, ging der nordische Ketzer auf dem den Vorsprung eines Hügels einnehmenden Platz vor der Kirche auf und ab und ließ die Blicke schweifen über das mit Villen und Meierhöfen übersä'te Arnothal bis zur fernen Stadt, bis über die Stadt hinaus zu dem dunkelblauen Apennin und zu den noch hinter dem Apennin in die Landschaft hereinschauenden hell- der Signora die Adressen setzte, welche sie ihm dictirte. Donna Ersilia ließ nämlich nicht leicht eine zu ihrer Verfügung stehende Schreibkraft in müssiger Ungenutztheit. Da haben wir den Tedesco! rief sie. An diesem ganzen rührenden Gespräch ist ihm nichts merkwürdig gewesen als ein Wort, das er nicht verstanden hat. Veglia heißt eine Abendgesellschaft, eine Abendunterhaltung; der Ausdruck wird gebraucht von den Besuchen, welche die verliebten Burschen am Feierabend bei ihren Mädchen zu machen pflegen. So! nun wissen Sie auch das, Sie Nimmersattes Wörterbuch. Aber niemals werden Sie begreifen lernen, welchen Verdruß ich fühle, wenn mich Jemand um meinen Beistand bittet und ich sein Begehren nicht gutheißen kann. Auch der Deutsche fand, daß Maso ein allzu jugendlicher Freier sei. Aber, rief er aus, welche Schönheit ist diese Gigia! Sie fuhr mit uns im Wagen. Am andern Morgen — die hellste Sonne beschien die barhäuptigen Berge und die olivenbewaldeten Hügel — begleitete der deutsche Gast die Signora bis zur Kirche San Giorgio a Urballa, und während die Dame drinnen die Messe hörte, ging der nordische Ketzer auf dem den Vorsprung eines Hügels einnehmenden Platz vor der Kirche auf und ab und ließ die Blicke schweifen über das mit Villen und Meierhöfen übersä'te Arnothal bis zur fernen Stadt, bis über die Stadt hinaus zu dem dunkelblauen Apennin und zu den noch hinter dem Apennin in die Landschaft hereinschauenden hell- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0023"/> der Signora die Adressen setzte, welche sie ihm dictirte<choice><sic/><corr>.</corr></choice> Donna Ersilia ließ nämlich nicht leicht eine zu ihrer Verfügung stehende Schreibkraft in müssiger Ungenutztheit.</p><lb/> <p>Da haben wir den Tedesco! rief sie. An diesem ganzen rührenden Gespräch ist ihm nichts merkwürdig gewesen als ein Wort, das er nicht verstanden hat. Veglia heißt eine Abendgesellschaft, eine Abendunterhaltung; der Ausdruck wird gebraucht von den Besuchen, welche die verliebten Burschen am Feierabend bei ihren Mädchen zu machen pflegen. So! nun wissen Sie auch das, Sie Nimmersattes Wörterbuch. Aber niemals werden Sie begreifen lernen, welchen Verdruß ich fühle, wenn mich Jemand um meinen Beistand bittet und ich sein Begehren nicht gutheißen kann.</p><lb/> <p>Auch der Deutsche fand, daß Maso ein allzu jugendlicher Freier sei. Aber, rief er aus, welche Schönheit ist diese Gigia! Sie fuhr mit uns im Wagen.</p><lb/> <p>Am andern Morgen — die hellste Sonne beschien die barhäuptigen Berge und die olivenbewaldeten Hügel — begleitete der deutsche Gast die Signora bis zur Kirche San Giorgio a Urballa, und während die Dame drinnen die Messe hörte, ging der nordische Ketzer auf dem den Vorsprung eines Hügels einnehmenden Platz vor der Kirche auf und ab und ließ die Blicke schweifen über das mit Villen und Meierhöfen übersä'te Arnothal bis zur fernen Stadt, bis über die Stadt hinaus zu dem dunkelblauen Apennin und zu den noch hinter dem Apennin in die Landschaft hereinschauenden hell-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0023]
der Signora die Adressen setzte, welche sie ihm dictirte. Donna Ersilia ließ nämlich nicht leicht eine zu ihrer Verfügung stehende Schreibkraft in müssiger Ungenutztheit.
Da haben wir den Tedesco! rief sie. An diesem ganzen rührenden Gespräch ist ihm nichts merkwürdig gewesen als ein Wort, das er nicht verstanden hat. Veglia heißt eine Abendgesellschaft, eine Abendunterhaltung; der Ausdruck wird gebraucht von den Besuchen, welche die verliebten Burschen am Feierabend bei ihren Mädchen zu machen pflegen. So! nun wissen Sie auch das, Sie Nimmersattes Wörterbuch. Aber niemals werden Sie begreifen lernen, welchen Verdruß ich fühle, wenn mich Jemand um meinen Beistand bittet und ich sein Begehren nicht gutheißen kann.
Auch der Deutsche fand, daß Maso ein allzu jugendlicher Freier sei. Aber, rief er aus, welche Schönheit ist diese Gigia! Sie fuhr mit uns im Wagen.
Am andern Morgen — die hellste Sonne beschien die barhäuptigen Berge und die olivenbewaldeten Hügel — begleitete der deutsche Gast die Signora bis zur Kirche San Giorgio a Urballa, und während die Dame drinnen die Messe hörte, ging der nordische Ketzer auf dem den Vorsprung eines Hügels einnehmenden Platz vor der Kirche auf und ab und ließ die Blicke schweifen über das mit Villen und Meierhöfen übersä'te Arnothal bis zur fernen Stadt, bis über die Stadt hinaus zu dem dunkelblauen Apennin und zu den noch hinter dem Apennin in die Landschaft hereinschauenden hell-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |