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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Prior war noch aus der alten guten Zeit und konnte auch über ein so ernstes Ding wie die Rettung einer Menschenseele heiter scherzhaft reden.

Still, lieber Priore, ich bitte Sie, der Junge meint so wie so, ich müsse ihm beistehen; allein ich will ihm zu wohl, als daß ich mich nicht freute, weil er von der falschen Dirne los ist. Ja, Maso, fuhr sie fort, indem sie sich an ihn richtete, so geht es, wenn man auf meinen Rath nicht hört. Doch glaube mir, es ist dein Glück, daß es so gekommen.

Sie entließ den Jungen, ohne ihm den Brief zurückzugeben; vielmehr hatte sie, während sie sprach, das große Gebund der heute an sie selbst eingetroffenen Briefe aus der Tasche gezogen und Gigia's arge Botschaft hineingeschoben, als gehörte sie auch dahin. That sie so, um den Jungen von der Gegenwart des giftigen Blattes zu befreien? Es wäre ein Gedanke gewesen, ganz ihres Zartgefühles würdig. Allein viele Leute, welche das Glück hatten, Donna Ersilia's Bekanntschaft zu genießen, wollen beobachtet haben, daß, gleich wie ein Botaniker nicht die auf seinem eigenem Grund und Boden gewachsenen Blüten und Gräser in seine Kapsel schiebt, sondern mit allen möglichen Pflanzen, wo immer er sie findet, sein Herbarium bereichert, so auch Donna Ersilia alle Briefe, die ihr unter die Hände geriethen, mochten sie nun geschrieben sein, von wem und an wen sie wollten, als in ihr großes Archiv gehörig an sich nahm und aufbewahrte. Es läßt sich

Prior war noch aus der alten guten Zeit und konnte auch über ein so ernstes Ding wie die Rettung einer Menschenseele heiter scherzhaft reden.

Still, lieber Priore, ich bitte Sie, der Junge meint so wie so, ich müsse ihm beistehen; allein ich will ihm zu wohl, als daß ich mich nicht freute, weil er von der falschen Dirne los ist. Ja, Maso, fuhr sie fort, indem sie sich an ihn richtete, so geht es, wenn man auf meinen Rath nicht hört. Doch glaube mir, es ist dein Glück, daß es so gekommen.

Sie entließ den Jungen, ohne ihm den Brief zurückzugeben; vielmehr hatte sie, während sie sprach, das große Gebund der heute an sie selbst eingetroffenen Briefe aus der Tasche gezogen und Gigia's arge Botschaft hineingeschoben, als gehörte sie auch dahin. That sie so, um den Jungen von der Gegenwart des giftigen Blattes zu befreien? Es wäre ein Gedanke gewesen, ganz ihres Zartgefühles würdig. Allein viele Leute, welche das Glück hatten, Donna Ersilia's Bekanntschaft zu genießen, wollen beobachtet haben, daß, gleich wie ein Botaniker nicht die auf seinem eigenem Grund und Boden gewachsenen Blüten und Gräser in seine Kapsel schiebt, sondern mit allen möglichen Pflanzen, wo immer er sie findet, sein Herbarium bereichert, so auch Donna Ersilia alle Briefe, die ihr unter die Hände geriethen, mochten sie nun geschrieben sein, von wem und an wen sie wollten, als in ihr großes Archiv gehörig an sich nahm und aufbewahrte. Es läßt sich

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[0038] Prior war noch aus der alten guten Zeit und konnte auch über ein so ernstes Ding wie die Rettung einer Menschenseele heiter scherzhaft reden. Still, lieber Priore, ich bitte Sie, der Junge meint so wie so, ich müsse ihm beistehen; allein ich will ihm zu wohl, als daß ich mich nicht freute, weil er von der falschen Dirne los ist. Ja, Maso, fuhr sie fort, indem sie sich an ihn richtete, so geht es, wenn man auf meinen Rath nicht hört. Doch glaube mir, es ist dein Glück, daß es so gekommen. Sie entließ den Jungen, ohne ihm den Brief zurückzugeben; vielmehr hatte sie, während sie sprach, das große Gebund der heute an sie selbst eingetroffenen Briefe aus der Tasche gezogen und Gigia's arge Botschaft hineingeschoben, als gehörte sie auch dahin. That sie so, um den Jungen von der Gegenwart des giftigen Blattes zu befreien? Es wäre ein Gedanke gewesen, ganz ihres Zartgefühles würdig. Allein viele Leute, welche das Glück hatten, Donna Ersilia's Bekanntschaft zu genießen, wollen beobachtet haben, daß, gleich wie ein Botaniker nicht die auf seinem eigenem Grund und Boden gewachsenen Blüten und Gräser in seine Kapsel schiebt, sondern mit allen möglichen Pflanzen, wo immer er sie findet, sein Herbarium bereichert, so auch Donna Ersilia alle Briefe, die ihr unter die Hände geriethen, mochten sie nun geschrieben sein, von wem und an wen sie wollten, als in ihr großes Archiv gehörig an sich nahm und aufbewahrte. Es läßt sich

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/38>, abgerufen am 03.12.2024.