Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Knochen lieb habe, schrieen sie ihm zu, als sie ihn endlich mit einem letzten groben Schub entließen. Unterdessen waren Sora Maria mit ihrer Schwiegertochter Marietta beschäftigt, den übel zugerichteten Vorplatz wieder in Ordnung zu bringen. Zwischen den Feigenbäumen waren Stricke ausgespannt gewesen, um Wäsche zu trocknen. Die Wäsche lag beschmutzt und zerrissen am Boden, die Bäume hatten die Hälfte ihrer Blätter eingebüßt, Küchen- und Gartengeräthe, welches in einem Winkel gestanden, lag zertreten, zertrümmert. Eine schöne Verlobung! Das fängt gut an! rief Marietta und hielt eine zerrissene Schürze wider den Himmel, um den vollen Anblick der Löcher zu genießen. Hättest du nicht ebenso gut den Angelo nehmen können? jammerte Sora Maria, der noch immer die Knie zitterten. Warum gerade den wilden Agenore? Ich sehe noch sein Messer funkeln. Wenn ihn Angelo nicht zurückgehalten hätte -- Wollt ihr mich zu Tode peinigen? Habt ihr sonst nicht immer dem Agenore das Wort geredet? Und nun, da ich keine Wahl hatte -- Gigia, welche noch immer regungslos auf der Schwelle saß, konnte vor Schluchzen nicht weiter. Was? keine Wahl? versetzte Sora Maria, ist Angelo nicht auch dein Mitbürger? Ein guter, sanftmüthiger Mensch, der nie in seinem Leben das Messer gezogen hat, ich wette. Keine Wahl, sagt sie! Hast du dich darum so lange besonnen, um endlich solch einen blut- Knochen lieb habe, schrieen sie ihm zu, als sie ihn endlich mit einem letzten groben Schub entließen. Unterdessen waren Sora Maria mit ihrer Schwiegertochter Marietta beschäftigt, den übel zugerichteten Vorplatz wieder in Ordnung zu bringen. Zwischen den Feigenbäumen waren Stricke ausgespannt gewesen, um Wäsche zu trocknen. Die Wäsche lag beschmutzt und zerrissen am Boden, die Bäume hatten die Hälfte ihrer Blätter eingebüßt, Küchen- und Gartengeräthe, welches in einem Winkel gestanden, lag zertreten, zertrümmert. Eine schöne Verlobung! Das fängt gut an! rief Marietta und hielt eine zerrissene Schürze wider den Himmel, um den vollen Anblick der Löcher zu genießen. Hättest du nicht ebenso gut den Angelo nehmen können? jammerte Sora Maria, der noch immer die Knie zitterten. Warum gerade den wilden Agenore? Ich sehe noch sein Messer funkeln. Wenn ihn Angelo nicht zurückgehalten hätte — Wollt ihr mich zu Tode peinigen? Habt ihr sonst nicht immer dem Agenore das Wort geredet? Und nun, da ich keine Wahl hatte — Gigia, welche noch immer regungslos auf der Schwelle saß, konnte vor Schluchzen nicht weiter. Was? keine Wahl? versetzte Sora Maria, ist Angelo nicht auch dein Mitbürger? Ein guter, sanftmüthiger Mensch, der nie in seinem Leben das Messer gezogen hat, ich wette. Keine Wahl, sagt sie! Hast du dich darum so lange besonnen, um endlich solch einen blut- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0044"/> Knochen lieb habe, schrieen sie ihm zu, als sie ihn endlich mit einem letzten groben Schub entließen.</p><lb/> <p>Unterdessen waren Sora Maria mit ihrer Schwiegertochter Marietta beschäftigt, den übel zugerichteten Vorplatz wieder in Ordnung zu bringen. Zwischen den Feigenbäumen waren Stricke ausgespannt gewesen, um Wäsche zu trocknen. Die Wäsche lag beschmutzt und zerrissen am Boden, die Bäume hatten die Hälfte ihrer Blätter eingebüßt, Küchen- und Gartengeräthe, welches in einem Winkel gestanden, lag zertreten, zertrümmert.</p><lb/> <p>Eine schöne Verlobung! Das fängt gut an! rief Marietta und hielt eine zerrissene Schürze wider den Himmel, um den vollen Anblick der Löcher zu genießen.</p><lb/> <p>Hättest du nicht ebenso gut den Angelo nehmen können? jammerte Sora Maria, der noch immer die Knie zitterten. Warum gerade den wilden Agenore? Ich sehe noch sein Messer funkeln. Wenn ihn Angelo nicht zurückgehalten hätte —</p><lb/> <p>Wollt ihr mich zu Tode peinigen? Habt ihr sonst nicht immer dem Agenore das Wort geredet? Und nun, da ich keine Wahl hatte — Gigia, welche noch immer regungslos auf der Schwelle saß, konnte vor Schluchzen nicht weiter.</p><lb/> <p>Was? keine Wahl? versetzte Sora Maria, ist Angelo nicht auch dein Mitbürger? Ein guter, sanftmüthiger Mensch, der nie in seinem Leben das Messer gezogen hat, ich wette. Keine Wahl, sagt sie! Hast du dich darum so lange besonnen, um endlich solch einen blut-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
Knochen lieb habe, schrieen sie ihm zu, als sie ihn endlich mit einem letzten groben Schub entließen.
Unterdessen waren Sora Maria mit ihrer Schwiegertochter Marietta beschäftigt, den übel zugerichteten Vorplatz wieder in Ordnung zu bringen. Zwischen den Feigenbäumen waren Stricke ausgespannt gewesen, um Wäsche zu trocknen. Die Wäsche lag beschmutzt und zerrissen am Boden, die Bäume hatten die Hälfte ihrer Blätter eingebüßt, Küchen- und Gartengeräthe, welches in einem Winkel gestanden, lag zertreten, zertrümmert.
Eine schöne Verlobung! Das fängt gut an! rief Marietta und hielt eine zerrissene Schürze wider den Himmel, um den vollen Anblick der Löcher zu genießen.
Hättest du nicht ebenso gut den Angelo nehmen können? jammerte Sora Maria, der noch immer die Knie zitterten. Warum gerade den wilden Agenore? Ich sehe noch sein Messer funkeln. Wenn ihn Angelo nicht zurückgehalten hätte —
Wollt ihr mich zu Tode peinigen? Habt ihr sonst nicht immer dem Agenore das Wort geredet? Und nun, da ich keine Wahl hatte — Gigia, welche noch immer regungslos auf der Schwelle saß, konnte vor Schluchzen nicht weiter.
Was? keine Wahl? versetzte Sora Maria, ist Angelo nicht auch dein Mitbürger? Ein guter, sanftmüthiger Mensch, der nie in seinem Leben das Messer gezogen hat, ich wette. Keine Wahl, sagt sie! Hast du dich darum so lange besonnen, um endlich solch einen blut-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |