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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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dürstigen Tiger zu nehmen, wie den Agenore! Madonna, noch sehe ich sein Messer funkeln, und ist er erst dein Mann, so hab' ich keine ruhige Nacht mehr. Der legt sich mit dem Messer ins Bett, ich wette, und Gott der Herr behüte dich, wenn du dich einmal vergäßest und schnarchtest -- ach, warum hast du nicht Angelo gesagt statt Agenore --? -- Und sieh hier: dein neues Hemd auch kurz und klein, ein Riß durch den Rücken und beide Aermel in Fetzen! Ach, Gigia, was für ein Tag der Zerstörung! Bis an mein Ende werde ich das Messer sehen!

Gigia konnte das Gejammer und Gezeter der Mutter nicht mehr anhören; sie war ohnehin ganz betäubt, ging hinein ins Haus, setzte sich auf einen Stuhl und lehnte ihr Gesicht wider die Wand. Sie hörte Agenore's häßliche Stimme. Wann werden wir Hochzeit machen, Gigia? Wie war es nur zugegangen, daß sie die Braut des schrecklichen Menschen geworden? Sie begriff es nicht: wohl erinnerte sie sich genau, daß sie seinem drohenden Messer hatte Einhalt thun wollen. Aber wenn er wirklich Maso verwundet, ja getödtet hätte -- wäre es ihr so furchtbar gewesen, als ihr nun der Gedanke war, Agenore's Frau zu werden? Was brauchte ihr an dem albernen Jungen zu liegen? Sie kannte ihn ja kaum, und wozu war er wieder hierher gekommen, nachdem sie ihm doch gesagt, daß sie nichts mehr von ihm wissen wolle?

Unten in der Villa war man vom Tisch aufge-

dürstigen Tiger zu nehmen, wie den Agenore! Madonna, noch sehe ich sein Messer funkeln, und ist er erst dein Mann, so hab' ich keine ruhige Nacht mehr. Der legt sich mit dem Messer ins Bett, ich wette, und Gott der Herr behüte dich, wenn du dich einmal vergäßest und schnarchtest — ach, warum hast du nicht Angelo gesagt statt Agenore —? — Und sieh hier: dein neues Hemd auch kurz und klein, ein Riß durch den Rücken und beide Aermel in Fetzen! Ach, Gigia, was für ein Tag der Zerstörung! Bis an mein Ende werde ich das Messer sehen!

Gigia konnte das Gejammer und Gezeter der Mutter nicht mehr anhören; sie war ohnehin ganz betäubt, ging hinein ins Haus, setzte sich auf einen Stuhl und lehnte ihr Gesicht wider die Wand. Sie hörte Agenore's häßliche Stimme. Wann werden wir Hochzeit machen, Gigia? Wie war es nur zugegangen, daß sie die Braut des schrecklichen Menschen geworden? Sie begriff es nicht: wohl erinnerte sie sich genau, daß sie seinem drohenden Messer hatte Einhalt thun wollen. Aber wenn er wirklich Maso verwundet, ja getödtet hätte — wäre es ihr so furchtbar gewesen, als ihr nun der Gedanke war, Agenore's Frau zu werden? Was brauchte ihr an dem albernen Jungen zu liegen? Sie kannte ihn ja kaum, und wozu war er wieder hierher gekommen, nachdem sie ihm doch gesagt, daß sie nichts mehr von ihm wissen wolle?

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[0045] dürstigen Tiger zu nehmen, wie den Agenore! Madonna, noch sehe ich sein Messer funkeln, und ist er erst dein Mann, so hab' ich keine ruhige Nacht mehr. Der legt sich mit dem Messer ins Bett, ich wette, und Gott der Herr behüte dich, wenn du dich einmal vergäßest und schnarchtest — ach, warum hast du nicht Angelo gesagt statt Agenore —? — Und sieh hier: dein neues Hemd auch kurz und klein, ein Riß durch den Rücken und beide Aermel in Fetzen! Ach, Gigia, was für ein Tag der Zerstörung! Bis an mein Ende werde ich das Messer sehen! Gigia konnte das Gejammer und Gezeter der Mutter nicht mehr anhören; sie war ohnehin ganz betäubt, ging hinein ins Haus, setzte sich auf einen Stuhl und lehnte ihr Gesicht wider die Wand. Sie hörte Agenore's häßliche Stimme. Wann werden wir Hochzeit machen, Gigia? Wie war es nur zugegangen, daß sie die Braut des schrecklichen Menschen geworden? Sie begriff es nicht: wohl erinnerte sie sich genau, daß sie seinem drohenden Messer hatte Einhalt thun wollen. Aber wenn er wirklich Maso verwundet, ja getödtet hätte — wäre es ihr so furchtbar gewesen, als ihr nun der Gedanke war, Agenore's Frau zu werden? Was brauchte ihr an dem albernen Jungen zu liegen? Sie kannte ihn ja kaum, und wozu war er wieder hierher gekommen, nachdem sie ihm doch gesagt, daß sie nichts mehr von ihm wissen wolle? Unten in der Villa war man vom Tisch aufge-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/45>, abgerufen am 25.04.2024.