Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ten auf Donna Ersilia's Stirne glätteten sich: ihr Unwille hatte sich schon wieder in den wohlthätigen Eifer des Wohlthuns, ihre Abneigung in Mitgefühl verwandelt. So wenig sie das Betragen des Mädchens begreifen konnte, -- wozu haben denn die Menschen die Sprache, wenn nicht um zu sagen, welcher Zahn ihnen weh thut? -- so wenig konnte Donna Ersilia jetzt einen Augenblick in fühlloser Unthätigkeit verharren. Es ist nur gut, sagte der Signor Baldo weiter, daß die Hochzeit bald stattfindet. Heute über acht Tage werden sie zum zweiten Male aufgeboten, und in der Woche darauf sollen sie getraut werden. Bis dahin wünsche ich dem Agenore, daß er sich in Acht nehme vor den Ehehindernissen, womit ihn die Eifersucht unsrer wackeren Valtellaner bedroht. Als ob Gigia mit ihnen allen verlobt gewesen wäre, so bös sind sie auf die Heirath mit Agenore zu sprechen. Ist er erst ein für allemal der Mann Gigia's, so wird es ihnen hoffentlich minder unerläßlich erscheinen, daß auch er sein Loch in den Kopf bekomme. Donna Ersilia pflegte keine Zeit zu verlieren, -- auch dann nicht, wenn es auf einen Tag früher oder später nicht ankam. Hier aber kam es darauf an. Sie schrieb sogleich an den Priore, -- und während sie schrieb, hatte der Signor Germanico die Adresse vorzubereiten, -- so daß schon nach zwei Minuten der Diener den Brief wegtragen konnte. Sie ersuchte darin den Priore, ihr die Gigia Landi zuzuschicken; noch ten auf Donna Ersilia's Stirne glätteten sich: ihr Unwille hatte sich schon wieder in den wohlthätigen Eifer des Wohlthuns, ihre Abneigung in Mitgefühl verwandelt. So wenig sie das Betragen des Mädchens begreifen konnte, — wozu haben denn die Menschen die Sprache, wenn nicht um zu sagen, welcher Zahn ihnen weh thut? — so wenig konnte Donna Ersilia jetzt einen Augenblick in fühlloser Unthätigkeit verharren. Es ist nur gut, sagte der Signor Baldo weiter, daß die Hochzeit bald stattfindet. Heute über acht Tage werden sie zum zweiten Male aufgeboten, und in der Woche darauf sollen sie getraut werden. Bis dahin wünsche ich dem Agenore, daß er sich in Acht nehme vor den Ehehindernissen, womit ihn die Eifersucht unsrer wackeren Valtellaner bedroht. Als ob Gigia mit ihnen allen verlobt gewesen wäre, so bös sind sie auf die Heirath mit Agenore zu sprechen. Ist er erst ein für allemal der Mann Gigia's, so wird es ihnen hoffentlich minder unerläßlich erscheinen, daß auch er sein Loch in den Kopf bekomme. Donna Ersilia pflegte keine Zeit zu verlieren, — auch dann nicht, wenn es auf einen Tag früher oder später nicht ankam. Hier aber kam es darauf an. Sie schrieb sogleich an den Priore, — und während sie schrieb, hatte der Signor Germanico die Adresse vorzubereiten, — so daß schon nach zwei Minuten der Diener den Brief wegtragen konnte. Sie ersuchte darin den Priore, ihr die Gigia Landi zuzuschicken; noch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054"/> ten auf Donna Ersilia's Stirne glätteten sich: ihr Unwille hatte sich schon wieder in den wohlthätigen Eifer des Wohlthuns, ihre Abneigung in Mitgefühl verwandelt. So wenig sie das Betragen des Mädchens begreifen konnte, — wozu haben denn die Menschen die Sprache, wenn nicht um zu sagen, welcher Zahn ihnen weh thut? — so wenig konnte Donna Ersilia jetzt einen Augenblick in fühlloser Unthätigkeit verharren.</p><lb/> <p>Es ist nur gut, sagte der Signor Baldo weiter, daß die Hochzeit bald stattfindet. Heute über acht Tage werden sie zum zweiten Male aufgeboten, und in der Woche darauf sollen sie getraut werden. Bis dahin wünsche ich dem Agenore, daß er sich in Acht nehme vor den Ehehindernissen, womit ihn die Eifersucht unsrer wackeren Valtellaner bedroht. Als ob Gigia mit ihnen allen verlobt gewesen wäre, so bös sind sie auf die Heirath mit Agenore zu sprechen. Ist er erst ein für allemal der Mann Gigia's, so wird es ihnen hoffentlich minder unerläßlich erscheinen, daß auch er sein Loch in den Kopf bekomme.</p><lb/> <p>Donna Ersilia pflegte keine Zeit zu verlieren, — auch dann nicht, wenn es auf einen Tag früher oder später nicht ankam. Hier aber kam es darauf an. Sie schrieb sogleich an den Priore, — und während sie schrieb, hatte der Signor Germanico die Adresse vorzubereiten, — so daß schon nach zwei Minuten der Diener den Brief wegtragen konnte. Sie ersuchte darin den Priore, ihr die Gigia Landi zuzuschicken; noch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
ten auf Donna Ersilia's Stirne glätteten sich: ihr Unwille hatte sich schon wieder in den wohlthätigen Eifer des Wohlthuns, ihre Abneigung in Mitgefühl verwandelt. So wenig sie das Betragen des Mädchens begreifen konnte, — wozu haben denn die Menschen die Sprache, wenn nicht um zu sagen, welcher Zahn ihnen weh thut? — so wenig konnte Donna Ersilia jetzt einen Augenblick in fühlloser Unthätigkeit verharren.
Es ist nur gut, sagte der Signor Baldo weiter, daß die Hochzeit bald stattfindet. Heute über acht Tage werden sie zum zweiten Male aufgeboten, und in der Woche darauf sollen sie getraut werden. Bis dahin wünsche ich dem Agenore, daß er sich in Acht nehme vor den Ehehindernissen, womit ihn die Eifersucht unsrer wackeren Valtellaner bedroht. Als ob Gigia mit ihnen allen verlobt gewesen wäre, so bös sind sie auf die Heirath mit Agenore zu sprechen. Ist er erst ein für allemal der Mann Gigia's, so wird es ihnen hoffentlich minder unerläßlich erscheinen, daß auch er sein Loch in den Kopf bekomme.
Donna Ersilia pflegte keine Zeit zu verlieren, — auch dann nicht, wenn es auf einen Tag früher oder später nicht ankam. Hier aber kam es darauf an. Sie schrieb sogleich an den Priore, — und während sie schrieb, hatte der Signor Germanico die Adresse vorzubereiten, — so daß schon nach zwei Minuten der Diener den Brief wegtragen konnte. Sie ersuchte darin den Priore, ihr die Gigia Landi zuzuschicken; noch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-15T12:13:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |