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Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Segen über sie spreche? Nicht daß es ihm um die Soldgebühr zu thun gewesen wäre; aber dem Valtellaner Amtsbruder, dem heimlichen Jesuiten, gönnte er, der liberale Priester, der Anhänger des Bischofs Ricci von Pistoia, nun einmal nicht mehr Gutes, als durch die Pflicht der christlichen Liebe geboten war. Allein wenn es nicht rathsam erschien, die Trauung in San Giorgio vorzunehmen, weil die Urballesen sie zu stören, wohl gar die heilige Stätte durch Gewaltthat zu entweihen drohten? Der Priore sann und sann -- und richtig, es kam ihm ein Gedanke, ein so einleuchtender Gedanke, daß er sich wunderte, wie ihm der nicht schon längst gekommen war.

Er ging mit Donna Ersilia auf dem Rasenplatz vor der Villa auf und ab; zum Dasitzen war's nun nicht mehr warm genug: vielmehr gab er Acht, sich die schwarzen Strümpfe nicht im feuchten Grase zu netzen, und dachte bei sich: Die Gesundheit dieser trefflichen Dame muß man haben und von Husten und Schnupfen nichts wissen. Signora mia, sagte er und schaute munter aus seinen kleinen graublauen Augen, wem's gelungen ist, das Herz Gigia's zu erweichen, der wird auch fertig mit der Verstocktheit meiner anderen störrigen Schafe, der sollte auch den Burschen von Urballa eine Rede halten. Da würden die etwas Anderes zu hören bekommen, als so eine Predigt ihres alten Priore.

Zu seinem Bedauern ging die Signora auf seine

Segen über sie spreche? Nicht daß es ihm um die Soldgebühr zu thun gewesen wäre; aber dem Valtellaner Amtsbruder, dem heimlichen Jesuiten, gönnte er, der liberale Priester, der Anhänger des Bischofs Ricci von Pistoia, nun einmal nicht mehr Gutes, als durch die Pflicht der christlichen Liebe geboten war. Allein wenn es nicht rathsam erschien, die Trauung in San Giorgio vorzunehmen, weil die Urballesen sie zu stören, wohl gar die heilige Stätte durch Gewaltthat zu entweihen drohten? Der Priore sann und sann — und richtig, es kam ihm ein Gedanke, ein so einleuchtender Gedanke, daß er sich wunderte, wie ihm der nicht schon längst gekommen war.

Er ging mit Donna Ersilia auf dem Rasenplatz vor der Villa auf und ab; zum Dasitzen war's nun nicht mehr warm genug: vielmehr gab er Acht, sich die schwarzen Strümpfe nicht im feuchten Grase zu netzen, und dachte bei sich: Die Gesundheit dieser trefflichen Dame muß man haben und von Husten und Schnupfen nichts wissen. Signora mia, sagte er und schaute munter aus seinen kleinen graublauen Augen, wem's gelungen ist, das Herz Gigia's zu erweichen, der wird auch fertig mit der Verstocktheit meiner anderen störrigen Schafe, der sollte auch den Burschen von Urballa eine Rede halten. Da würden die etwas Anderes zu hören bekommen, als so eine Predigt ihres alten Priore.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:13:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:13:28Z)

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Zitationshilfe: Horner, Heinrich [d. i. Heinrich Homberger]: Der Säugling. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 211–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/horner_saeugling_1910/80>, abgerufen am 03.05.2024.