Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

gende, formlose, lebendige Element, es 'scheint
dich zu locken, zu rufen, der leichte Wellenwech-
sel wird eine Geistersprache, und ich glaube, die
Einbildungskraft könnte die Sinne verwirren daß
man sich hinabstürzte in den lockenden Schlund.

Das Wetter war herrlich an dem Tage da ich
auf dem Y fuhr. Die Stadt lag im hellen Son-
nenglanze, und wie die Sonne sank, schimmerten
die Thurmknöpfe und Fenster, und Wimpel der
zahllosen Schiffe, die Masten standen so stolz und
fest, verschlungen mit dem symetrischen Tauwerk.
Längs dem Hafen waren viele Kanonier-Scha-
luppen postirt, jede mit zwei Kanonen bewaffnet,
und dem feindlichen Angriff abzuwehren bereit.
Hiuter ihnen lagen Kriegsschiffe mit hochaufge-
rafften Segeln, und schienen durch ihren schlan-
ken mächtigen Bau, wie die Wettrenner auf dem
Isthmus von Korinth, nur das Zeichen zu erwar-
ten, um dahin zu gleiten auf der unermeßlichen
Bahn. Das Herz hebt sich bei dem Anblick! die
Brust wird erweitert und das Leben drängt sich
Muthathmend in den Kampf mit Schicksal und
Wellen. Mehrere amerikanische Schiffe hatten
so eben gelöscht und lagen vor Anker. Ihre blau
und rothen Fahnen mit weißen Streifen verbun-

gende, formloſe, lebendige Element, es ’ſcheint
dich zu locken, zu rufen, der leichte Wellenwech-
ſel wird eine Geiſterſprache, und ich glaube, die
Einbildungskraft koͤnnte die Sinne verwirren daß
man ſich hinabſtuͤrzte in den lockenden Schlund.

Das Wetter war herrlich an dem Tage da ich
auf dem Y fuhr. Die Stadt lag im hellen Son-
nenglanze, und wie die Sonne ſank, ſchimmerten
die Thurmknoͤpfe und Fenſter, und Wimpel der
zahlloſen Schiffe, die Maſten ſtanden ſo ſtolz und
feſt, verſchlungen mit dem ſymetriſchen Tauwerk.
Laͤngs dem Hafen waren viele Kanonier-Scha-
luppen poſtirt, jede mit zwei Kanonen bewaffnet,
und dem feindlichen Angriff abzuwehren bereit.
Hiuter ihnen lagen Kriegsſchiffe mit hochaufge-
rafften Segeln, und ſchienen durch ihren ſchlan-
ken maͤchtigen Bau, wie die Wettrenner auf dem
Iſthmus von Korinth, nur das Zeichen zu erwar-
ten, um dahin zu gleiten auf der unermeßlichen
Bahn. Das Herz hebt ſich bei dem Anblick! die
Bruſt wird erweitert und das Leben draͤngt ſich
Muthathmend in den Kampf mit Schickſal und
Wellen. Mehrere amerikaniſche Schiffe hatten
ſo eben geloͤſcht und lagen vor Anker. Ihre blau
und rothen Fahnen mit weißen Streifen verbun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="158"/>
gende, formlo&#x017F;e, lebendige Element, es &#x2019;&#x017F;cheint<lb/>
dich zu locken, zu rufen, der leichte Wellenwech-<lb/>
&#x017F;el wird eine Gei&#x017F;ter&#x017F;prache, und ich glaube, die<lb/>
Einbildungskraft ko&#x0364;nnte die Sinne verwirren daß<lb/>
man &#x017F;ich hinab&#x017F;tu&#x0364;rzte in den lockenden Schlund.</p><lb/>
        <p>Das Wetter war herrlich an dem Tage da ich<lb/>
auf dem Y fuhr. Die Stadt lag im hellen Son-<lb/>
nenglanze, und wie die Sonne &#x017F;ank, &#x017F;chimmerten<lb/>
die Thurmkno&#x0364;pfe und Fen&#x017F;ter, und Wimpel der<lb/>
zahllo&#x017F;en Schiffe, die Ma&#x017F;ten &#x017F;tanden &#x017F;o &#x017F;tolz und<lb/>
fe&#x017F;t, ver&#x017F;chlungen mit dem &#x017F;ymetri&#x017F;chen Tauwerk.<lb/>
La&#x0364;ngs dem Hafen waren viele Kanonier-Scha-<lb/>
luppen po&#x017F;tirt, jede mit zwei Kanonen bewaffnet,<lb/>
und dem feindlichen Angriff abzuwehren bereit.<lb/>
Hiuter ihnen lagen Kriegs&#x017F;chiffe mit hochaufge-<lb/>
rafften Segeln, und &#x017F;chienen durch ihren &#x017F;chlan-<lb/>
ken ma&#x0364;chtigen Bau, wie die Wettrenner auf dem<lb/>
I&#x017F;thmus von Korinth, nur das Zeichen zu erwar-<lb/>
ten, um dahin zu gleiten auf der unermeßlichen<lb/>
Bahn. Das Herz hebt &#x017F;ich bei dem Anblick! die<lb/>
Bru&#x017F;t wird erweitert und das Leben dra&#x0364;ngt &#x017F;ich<lb/>
Muthathmend in den Kampf mit Schick&#x017F;al und<lb/>
Wellen. Mehrere amerikani&#x017F;che Schiffe hatten<lb/>
&#x017F;o eben gelo&#x0364;&#x017F;cht und lagen vor Anker. Ihre blau<lb/>
und rothen Fahnen mit weißen Streifen verbun-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0172] gende, formloſe, lebendige Element, es ’ſcheint dich zu locken, zu rufen, der leichte Wellenwech- ſel wird eine Geiſterſprache, und ich glaube, die Einbildungskraft koͤnnte die Sinne verwirren daß man ſich hinabſtuͤrzte in den lockenden Schlund. Das Wetter war herrlich an dem Tage da ich auf dem Y fuhr. Die Stadt lag im hellen Son- nenglanze, und wie die Sonne ſank, ſchimmerten die Thurmknoͤpfe und Fenſter, und Wimpel der zahlloſen Schiffe, die Maſten ſtanden ſo ſtolz und feſt, verſchlungen mit dem ſymetriſchen Tauwerk. Laͤngs dem Hafen waren viele Kanonier-Scha- luppen poſtirt, jede mit zwei Kanonen bewaffnet, und dem feindlichen Angriff abzuwehren bereit. Hiuter ihnen lagen Kriegsſchiffe mit hochaufge- rafften Segeln, und ſchienen durch ihren ſchlan- ken maͤchtigen Bau, wie die Wettrenner auf dem Iſthmus von Korinth, nur das Zeichen zu erwar- ten, um dahin zu gleiten auf der unermeßlichen Bahn. Das Herz hebt ſich bei dem Anblick! die Bruſt wird erweitert und das Leben draͤngt ſich Muthathmend in den Kampf mit Schickſal und Wellen. Mehrere amerikaniſche Schiffe hatten ſo eben geloͤſcht und lagen vor Anker. Ihre blau und rothen Fahnen mit weißen Streifen verbun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/172
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/172>, abgerufen am 22.12.2024.