chen in geschnörkelten Beeten vor den kleinen Gar- tenhäuschen angebracht, mit mannigfaltigen Blu- men besetzt, und oft mit bunten Porzellanscher- ben zur Zierde belegt. Diese Verzierung findet man noch mehr auf dem Lande; sie ist ungeheuer lächerlich, und macht mir doch so viel Freude, kommt mir doch so rührend vor, daß ich um alles in der Welt kein solches Scherbchen verrücken möchte. Ich sehe immer die gefesselte Psyche den Flügel heben, in diesem Bestreben zu gestalten und Schönheit zu schaffen, und wende ich mich von der Kunstansicht zum Gefühl, so ist in diesen glänzenden Steinchen Freude gesucht und Freude gefunden, und Yungs tieftrübseliges little Babylon of Straw fällt mir in einem erfreulichen Sinn wie- der ein. O wie viel mehr Freude und Gutseyn in der Freude, wie die schönste Statüe von pariser Marmor dem satten Reichen, geben diese Stein- chen. Wenn der brave Handwerksmann mit sei- ner Frau an einem Sonntag Abend auf der Bank sitzt, und die bunten Steinchen in der Sonne glän- zen, und sie zusammen rechnen, wie diese Woche alle Bedürfnisse bestritten worden, und für Natjes Aussteuer so viele Gulden zurückgelegt, für Karls Lehrgeld so viele erspart sind, und alles um sie
chen in geſchnoͤrkelten Beeten vor den kleinen Gar- tenhaͤuschen angebracht, mit mannigfaltigen Blu- men beſetzt, und oft mit bunten Porzellanſcher- ben zur Zierde belegt. Dieſe Verzierung findet man noch mehr auf dem Lande; ſie iſt ungeheuer laͤcherlich, und macht mir doch ſo viel Freude, kommt mir doch ſo ruͤhrend vor, daß ich um alles in der Welt kein ſolches Scherbchen verruͤcken moͤchte. Ich ſehe immer die gefeſſelte Pſyche den Fluͤgel heben, in dieſem Beſtreben zu geſtalten und Schoͤnheit zu ſchaffen, und wende ich mich von der Kunſtanſicht zum Gefuͤhl, ſo iſt in dieſen glaͤnzenden Steinchen Freude geſucht und Freude gefunden, und Yungs tieftruͤbſeliges little Babylon of Straw faͤllt mir in einem erfreulichen Sinn wie- der ein. O wie viel mehr Freude und Gutſeyn in der Freude, wie die ſchoͤnſte Statuͤe von pariſer Marmor dem ſatten Reichen, geben dieſe Stein- chen. Wenn der brave Handwerksmann mit ſei- ner Frau an einem Sonntag Abend auf der Bank ſitzt, und die bunten Steinchen in der Sonne glaͤn- zen, und ſie zuſammen rechnen, wie dieſe Woche alle Beduͤrfniſſe beſtritten worden, und fuͤr Natjes Ausſteuer ſo viele Gulden zuruͤckgelegt, fuͤr Karls Lehrgeld ſo viele erſpart ſind, und alles um ſie
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0236"n="222"/>
chen in geſchnoͤrkelten Beeten vor den kleinen Gar-<lb/>
tenhaͤuschen angebracht, mit mannigfaltigen Blu-<lb/>
men beſetzt, und oft mit bunten Porzellanſcher-<lb/>
ben zur Zierde belegt. Dieſe Verzierung findet<lb/>
man noch mehr auf dem Lande; ſie iſt ungeheuer<lb/>
laͤcherlich, und macht mir doch ſo viel Freude,<lb/>
kommt mir doch ſo ruͤhrend vor, daß ich um alles<lb/>
in der Welt kein ſolches Scherbchen verruͤcken<lb/>
moͤchte. Ich ſehe immer die gefeſſelte Pſyche den<lb/>
Fluͤgel heben, in dieſem Beſtreben zu geſtalten<lb/>
und Schoͤnheit zu ſchaffen, und wende ich mich<lb/>
von der Kunſtanſicht zum Gefuͤhl, ſo iſt in dieſen<lb/>
glaͤnzenden Steinchen Freude geſucht und Freude<lb/>
gefunden, und Yungs tieftruͤbſeliges <hirendition="#aq">little Babylon<lb/>
of Straw</hi> faͤllt mir in einem erfreulichen Sinn wie-<lb/>
der ein. O wie viel mehr Freude und Gutſeyn in<lb/>
der Freude, wie die ſchoͤnſte Statuͤe von pariſer<lb/>
Marmor dem ſatten Reichen, geben dieſe Stein-<lb/>
chen. Wenn der brave Handwerksmann mit ſei-<lb/>
ner Frau an einem Sonntag Abend auf der Bank<lb/>ſitzt, und die bunten Steinchen in der Sonne glaͤn-<lb/>
zen, und ſie zuſammen rechnen, wie dieſe Woche<lb/>
alle Beduͤrfniſſe beſtritten worden, und fuͤr Natjes<lb/>
Ausſteuer ſo viele Gulden zuruͤckgelegt, fuͤr Karls<lb/>
Lehrgeld ſo viele erſpart ſind, und alles um ſie<lb/></p></div></body></text></TEI>
[222/0236]
chen in geſchnoͤrkelten Beeten vor den kleinen Gar-
tenhaͤuschen angebracht, mit mannigfaltigen Blu-
men beſetzt, und oft mit bunten Porzellanſcher-
ben zur Zierde belegt. Dieſe Verzierung findet
man noch mehr auf dem Lande; ſie iſt ungeheuer
laͤcherlich, und macht mir doch ſo viel Freude,
kommt mir doch ſo ruͤhrend vor, daß ich um alles
in der Welt kein ſolches Scherbchen verruͤcken
moͤchte. Ich ſehe immer die gefeſſelte Pſyche den
Fluͤgel heben, in dieſem Beſtreben zu geſtalten
und Schoͤnheit zu ſchaffen, und wende ich mich
von der Kunſtanſicht zum Gefuͤhl, ſo iſt in dieſen
glaͤnzenden Steinchen Freude geſucht und Freude
gefunden, und Yungs tieftruͤbſeliges little Babylon
of Straw faͤllt mir in einem erfreulichen Sinn wie-
der ein. O wie viel mehr Freude und Gutſeyn in
der Freude, wie die ſchoͤnſte Statuͤe von pariſer
Marmor dem ſatten Reichen, geben dieſe Stein-
chen. Wenn der brave Handwerksmann mit ſei-
ner Frau an einem Sonntag Abend auf der Bank
ſitzt, und die bunten Steinchen in der Sonne glaͤn-
zen, und ſie zuſammen rechnen, wie dieſe Woche
alle Beduͤrfniſſe beſtritten worden, und fuͤr Natjes
Ausſteuer ſo viele Gulden zuruͤckgelegt, fuͤr Karls
Lehrgeld ſo viele erſpart ſind, und alles um ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/236>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.