den von der Stadt gekauft worden, um die Mairie dahin zu verlegen. Außer diesen großen Häusern, die ihres Umfangs wegen das natürliche Ziel der feindlichen Bomben sein mußten, fand ich keine Schutthaufen. An vielen Orten, in vieler Rücksicht wird die Stadt verschönert. Die Menschen, die vom Hof und Adel lebten, müssen sehr zurückkom- men, alles was Dienerschaft war, und von ihr lebte, kann sich mit dem neuen Wesen nicht vertragen; allein wenn die Stimme der ver- schiedensten Menschen, von denen keiner ein Fran- zos war, etwas gilt, so nimmt der Wohlstand von Mainz vielmehr zu, als ab. Es ist immer sonderbar, Menschen sehnsüchtig sagen zu hören: "Sonst, da fuhren so viele Equipagen!" -- in- deß sie demüthig neben diesen Equipagen zu Fuße gingen. Oder: "ja, wie bei Hofe noch die Conzerte und Feste waren!" -- die bescheiden von der Gallerie herab dem Glanz der Erdengötter zusehen durften. Der grausame Verlust, nicht mehr der Unterste im Volke zu sein! --
Von dem Lyceum sagte man mir viel Gutes; die Knaben, welche ich auf den Spaziergang aus- ziehen sah, hatten einen muntern Gang und fröh- liche gesunde Gesichter. Ich wünschte, das Lokal
den von der Stadt gekauft worden, um die Mairie dahin zu verlegen. Außer dieſen großen Haͤuſern, die ihres Umfangs wegen das natuͤrliche Ziel der feindlichen Bomben ſein mußten, fand ich keine Schutthaufen. An vielen Orten, in vieler Ruͤckſicht wird die Stadt verſchoͤnert. Die Menſchen, die vom Hof und Adel lebten, muͤſſen ſehr zuruͤckkom- men, alles was Dienerſchaft war, und von ihr lebte, kann ſich mit dem neuen Weſen nicht vertragen; allein wenn die Stimme der ver- ſchiedenſten Menſchen, von denen keiner ein Fran- zos war, etwas gilt, ſo nimmt der Wohlſtand von Mainz vielmehr zu, als ab. Es iſt immer ſonderbar, Menſchen ſehnſuͤchtig ſagen zu hoͤren: „Sonſt, da fuhren ſo viele Equipagen!“ — in- deß ſie demuͤthig neben dieſen Equipagen zu Fuße gingen. Oder: „ja, wie bei Hofe noch die Conzerte und Feſte waren!“ — die beſcheiden von der Gallerie herab dem Glanz der Erdengoͤtter zuſehen durften. Der grauſame Verluſt, nicht mehr der Unterſte im Volke zu ſein! —
Von dem Lyceum ſagte man mir viel Gutes; die Knaben, welche ich auf den Spaziergang aus- ziehen ſah, hatten einen muntern Gang und froͤh- liche geſunde Geſichter. Ich wuͤnſchte, das Lokal
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den von der Stadt gekauft worden, um die Mairie
dahin zu verlegen. Außer dieſen großen Haͤuſern,
die ihres Umfangs wegen das natuͤrliche Ziel der
feindlichen Bomben ſein mußten, fand ich keine
Schutthaufen. An vielen Orten, in vieler Ruͤckſicht
wird die Stadt verſchoͤnert. Die Menſchen, die
vom Hof und Adel lebten, muͤſſen ſehr zuruͤckkom-
men, alles was Dienerſchaft war, und von
ihr lebte, kann ſich mit dem neuen Weſen
nicht vertragen; allein wenn die Stimme der ver-
ſchiedenſten Menſchen, von denen keiner ein Fran-
zos war, etwas gilt, ſo nimmt der Wohlſtand
von Mainz vielmehr zu, als ab. Es iſt immer
ſonderbar, Menſchen ſehnſuͤchtig ſagen zu hoͤren:
„Sonſt, da fuhren ſo viele Equipagen!“ — in-
deß ſie demuͤthig neben dieſen Equipagen zu Fuße
gingen. Oder: „ja, wie bei Hofe noch die Conzerte
und Feſte waren!“ — die beſcheiden von der
Gallerie herab dem Glanz der Erdengoͤtter zuſehen
durften. Der grauſame Verluſt, nicht mehr der
Unterſte im Volke zu ſein! —
Von dem Lyceum ſagte man mir viel Gutes;
die Knaben, welche ich auf den Spaziergang aus-
ziehen ſah, hatten einen muntern Gang und froͤh-
liche geſunde Geſichter. Ich wuͤnſchte, das Lokal
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/36>, abgerufen am 22.12.2024.
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