Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

dieses Instituts läge auf einem freiern Platze. Die
Erziehung hat in der freien Natur tausend Hülfs-
mittel, welche die größte Sorgfalt innerhalb der
hohen Mauern einer Stadt nicht gewähren kann.
Unter den Lehrern kenne ich sehr würdige Männer,
von deren Einfluß sich das Beste erwarten läßt.
Bis jetzt brachten es die Zeitumstände mit sich,
daß ihre besten Zöglinge dem Kriegsruf folgten.
Eine Sache, die mir auffiel, und die ich von an-
dern Fremden, die Mainz ehemals kannten, be-
urtheilen hören möchte, war die sehr geringe Zahl
erträglich hübscher weiblicher Gesichter, die ich
jetzt hier fand, im Vergleich mit der vergangnen
Zeit. Damals waren die Bürgermädchen sehr
schön, jetzt schien mir die ganze Classe vom sech-
zehnten bis ins vier und zwanzigste Jahr ausge-
storben zu seyn, und die unjugendlichen Gesichter
wurden von ihrem Kopfputz gar nicht ver-
schönert.

Zufällig hörte ich, daß eine Sitzung des Ju-
stiztribunals sei, und ich eilte einem Auftritt bei-
zuwohnen, den man in Deutschland noch nicht
kennt. Sonderbar rührte es mich, das Tribunal
der Gerechtigkeit in dem ehemalig gräflich Stadion-
schen Palais zu finden. Die Gerechtigkeit konnte

dieſes Inſtituts laͤge auf einem freiern Platze. Die
Erziehung hat in der freien Natur tauſend Huͤlfs-
mittel, welche die groͤßte Sorgfalt innerhalb der
hohen Mauern einer Stadt nicht gewaͤhren kann.
Unter den Lehrern kenne ich ſehr wuͤrdige Maͤnner,
von deren Einfluß ſich das Beſte erwarten laͤßt.
Bis jetzt brachten es die Zeitumſtaͤnde mit ſich,
daß ihre beſten Zoͤglinge dem Kriegsruf folgten.
Eine Sache, die mir auffiel, und die ich von an-
dern Fremden, die Mainz ehemals kannten, be-
urtheilen hoͤren moͤchte, war die ſehr geringe Zahl
ertraͤglich huͤbſcher weiblicher Geſichter, die ich
jetzt hier fand, im Vergleich mit der vergangnen
Zeit. Damals waren die Buͤrgermaͤdchen ſehr
ſchoͤn, jetzt ſchien mir die ganze Claſſe vom ſech-
zehnten bis ins vier und zwanzigſte Jahr ausge-
ſtorben zu ſeyn, und die unjugendlichen Geſichter
wurden von ihrem Kopfputz gar nicht ver-
ſchoͤnert.

Zufaͤllig hoͤrte ich, daß eine Sitzung des Ju-
ſtiztribunals ſei, und ich eilte einem Auftritt bei-
zuwohnen, den man in Deutſchland noch nicht
kennt. Sonderbar ruͤhrte es mich, das Tribunal
der Gerechtigkeit in dem ehemalig graͤflich Stadion-
ſchen Palais zu finden. Die Gerechtigkeit konnte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="23"/>
die&#x017F;es In&#x017F;tituts la&#x0364;ge auf einem freiern Platze. Die<lb/>
Erziehung hat in der freien Natur tau&#x017F;end Hu&#x0364;lfs-<lb/>
mittel, welche die gro&#x0364;ßte Sorgfalt innerhalb der<lb/>
hohen Mauern einer Stadt nicht gewa&#x0364;hren kann.<lb/>
Unter den Lehrern kenne ich &#x017F;ehr wu&#x0364;rdige Ma&#x0364;nner,<lb/>
von deren Einfluß &#x017F;ich das Be&#x017F;te erwarten la&#x0364;ßt.<lb/>
Bis jetzt brachten es die Zeitum&#x017F;ta&#x0364;nde mit &#x017F;ich,<lb/>
daß ihre be&#x017F;ten Zo&#x0364;glinge dem Kriegsruf folgten.<lb/>
Eine Sache, die mir auffiel, und die ich von an-<lb/>
dern Fremden, die Mainz ehemals kannten, be-<lb/>
urtheilen ho&#x0364;ren mo&#x0364;chte, war die &#x017F;ehr geringe Zahl<lb/>
ertra&#x0364;glich hu&#x0364;b&#x017F;cher weiblicher Ge&#x017F;ichter, die ich<lb/>
jetzt hier fand, im Vergleich mit der vergangnen<lb/>
Zeit. Damals waren die Bu&#x0364;rgerma&#x0364;dchen &#x017F;ehr<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n, jetzt &#x017F;chien mir die ganze Cla&#x017F;&#x017F;e vom &#x017F;ech-<lb/>
zehnten bis ins vier und zwanzig&#x017F;te Jahr ausge-<lb/>
&#x017F;torben zu &#x017F;eyn, und die unjugendlichen Ge&#x017F;ichter<lb/>
wurden von ihrem Kopfputz gar nicht ver-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nert.</p><lb/>
        <p>Zufa&#x0364;llig ho&#x0364;rte ich, daß eine Sitzung des Ju-<lb/>
&#x017F;tiztribunals &#x017F;ei, und ich eilte einem Auftritt bei-<lb/>
zuwohnen, den man in Deut&#x017F;chland noch nicht<lb/>
kennt. Sonderbar ru&#x0364;hrte es mich, das Tribunal<lb/>
der Gerechtigkeit in dem ehemalig gra&#x0364;flich Stadion-<lb/>
&#x017F;chen Palais zu finden. Die Gerechtigkeit konnte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0037] dieſes Inſtituts laͤge auf einem freiern Platze. Die Erziehung hat in der freien Natur tauſend Huͤlfs- mittel, welche die groͤßte Sorgfalt innerhalb der hohen Mauern einer Stadt nicht gewaͤhren kann. Unter den Lehrern kenne ich ſehr wuͤrdige Maͤnner, von deren Einfluß ſich das Beſte erwarten laͤßt. Bis jetzt brachten es die Zeitumſtaͤnde mit ſich, daß ihre beſten Zoͤglinge dem Kriegsruf folgten. Eine Sache, die mir auffiel, und die ich von an- dern Fremden, die Mainz ehemals kannten, be- urtheilen hoͤren moͤchte, war die ſehr geringe Zahl ertraͤglich huͤbſcher weiblicher Geſichter, die ich jetzt hier fand, im Vergleich mit der vergangnen Zeit. Damals waren die Buͤrgermaͤdchen ſehr ſchoͤn, jetzt ſchien mir die ganze Claſſe vom ſech- zehnten bis ins vier und zwanzigſte Jahr ausge- ſtorben zu ſeyn, und die unjugendlichen Geſichter wurden von ihrem Kopfputz gar nicht ver- ſchoͤnert. Zufaͤllig hoͤrte ich, daß eine Sitzung des Ju- ſtiztribunals ſei, und ich eilte einem Auftritt bei- zuwohnen, den man in Deutſchland noch nicht kennt. Sonderbar ruͤhrte es mich, das Tribunal der Gerechtigkeit in dem ehemalig graͤflich Stadion- ſchen Palais zu finden. Die Gerechtigkeit konnte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/37
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/37>, abgerufen am 22.12.2024.