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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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geln zu fangen, und schifften wieder nach dem
rechten Ufer über. Bei dieser Ueberfahrt lag das
Schiff ganz seitwärts und schwankte gewaltig.
Da ließ sich unter Lienz ein Mann an Bord ru-
dern, der ein guter Schutzgeist in einer sehr possier-
lichen Gestalt war -- so eine alte Chodowiekische
Karrikatur von einem Holländer, mit schwarzer
Stutzperücke und altfränkischem Rock, breit und
unerschütterlich wie ein Fels -- der trieb wohl
das Schifferwesen aus Liebhaberei, denn so wie
er eintrat, stellte er sich an das Steuerruder, und
arbeitete mit so ungeheurer Anstrengung, daß sei-
ne Emanationen zu der offenen Kajütenthür her-
ein mich überzeugten, daß er in allem Ernst eine
menschliche Gestalt angenommen hatte, wenn er
gleich ein wirklicher Schutzgeist sey. Ich glaube,
daß wir es diesem unbekannten Schweigenden zu
verdanken haben, daß die Rheinnire uns nicht in
ihren nassen Schooß zog. Die herzliebe * * sah
bei der ganzen Sache, wenn nicht bange, doch
sehr fragend aus, und ich? -- behauptete meine
Gewalt über meine Angst recht meisterlich -- das
nennen die Zuschauer dann Muth. Unter diesen
Umständen konnten wir freilich, wie wir Abends
um neun Uhr in Weselingen anlangten, nicht sehr

geln zu fangen, und ſchifften wieder nach dem
rechten Ufer uͤber. Bei dieſer Ueberfahrt lag das
Schiff ganz ſeitwaͤrts und ſchwankte gewaltig.
Da ließ ſich unter Lienz ein Mann an Bord ru-
dern, der ein guter Schutzgeiſt in einer ſehr poſſier-
lichen Geſtalt war — ſo eine alte Chodowiekiſche
Karrikatur von einem Hollaͤnder, mit ſchwarzer
Stutzperuͤcke und altfraͤnkiſchem Rock, breit und
unerſchuͤtterlich wie ein Fels — der trieb wohl
das Schifferweſen aus Liebhaberei, denn ſo wie
er eintrat, ſtellte er ſich an das Steuerruder, und
arbeitete mit ſo ungeheurer Anſtrengung, daß ſei-
ne Emanationen zu der offenen Kajuͤtenthuͤr her-
ein mich uͤberzeugten, daß er in allem Ernſt eine
menſchliche Geſtalt angenommen hatte, wenn er
gleich ein wirklicher Schutzgeiſt ſey. Ich glaube,
daß wir es dieſem unbekannten Schweigenden zu
verdanken haben, daß die Rheinnire uns nicht in
ihren naſſen Schooß zog. Die herzliebe * * ſah
bei der ganzen Sache, wenn nicht bange, doch
ſehr fragend aus, und ich? — behauptete meine
Gewalt uͤber meine Angſt recht meiſterlich — das
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[61/0075] geln zu fangen, und ſchifften wieder nach dem rechten Ufer uͤber. Bei dieſer Ueberfahrt lag das Schiff ganz ſeitwaͤrts und ſchwankte gewaltig. Da ließ ſich unter Lienz ein Mann an Bord ru- dern, der ein guter Schutzgeiſt in einer ſehr poſſier- lichen Geſtalt war — ſo eine alte Chodowiekiſche Karrikatur von einem Hollaͤnder, mit ſchwarzer Stutzperuͤcke und altfraͤnkiſchem Rock, breit und unerſchuͤtterlich wie ein Fels — der trieb wohl das Schifferweſen aus Liebhaberei, denn ſo wie er eintrat, ſtellte er ſich an das Steuerruder, und arbeitete mit ſo ungeheurer Anſtrengung, daß ſei- ne Emanationen zu der offenen Kajuͤtenthuͤr her- ein mich uͤberzeugten, daß er in allem Ernſt eine menſchliche Geſtalt angenommen hatte, wenn er gleich ein wirklicher Schutzgeiſt ſey. Ich glaube, daß wir es dieſem unbekannten Schweigenden zu verdanken haben, daß die Rheinnire uns nicht in ihren naſſen Schooß zog. Die herzliebe * * ſah bei der ganzen Sache, wenn nicht bange, doch ſehr fragend aus, und ich? — behauptete meine Gewalt uͤber meine Angſt recht meiſterlich — das nennen die Zuſchauer dann Muth. Unter dieſen Umſtaͤnden konnten wir freilich, wie wir Abends um neun Uhr in Weſelingen anlangten, nicht ſehr

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/75>, abgerufen am 10.05.2024.