biren verlangte, hatte der Kammerdiener die Bart- messer vergessen, der Balbier des Ortes wurde herbeigerufen, und geboten dem Kammerdiener sein Handwerkszeug gebrauchen zu lassen; der Mann erklärte aber sehr entschlossen, wenn er nicht selbst operire, gäbe er auch seine Messer nicht her. Der König setzte sich also ruhig hin, ließ sich von dem Autobartbeherrscher balbiren, und fand sein Regiment so sanft, daß er ihn höchlich rühmte und seinen Werkzeugen einen Theil seines Verdienstes zugestehend, bat er, ihm seine Messer zu verkaufen. Der Mann ging den Vorschlag als ein großer Künstler ein, der jedes Werkzeug zu seinem Zwecke zu gebrauchen im Stande ist, und der König, nachdem er ihn freundlich um seine häuslichen Umstände befragt hatte, schenkte ihm zwei hundert Franken für seine Messer. Erst nach ein Paar Tagen erfuhr man, daß es der König war, der sich den Bart hatte abnehmen lassen. Noch eine Anekdote von diesem Manne, den seine blindesten Gegner selbst mit Achtung nennen, erzählte man mir auf diesem Wege, und ich er- zähle sie auch wieder nach meinem alten Grundsatz den Voltaire einmal anwendete, ohne daß man ihn verstand. Ist so ein Geschichtchen auch nicht völlig
biren verlangte, hatte der Kammerdiener die Bart- meſſer vergeſſen, der Balbier des Ortes wurde herbeigerufen, und geboten dem Kammerdiener ſein Handwerkszeug gebrauchen zu laſſen; der Mann erklaͤrte aber ſehr entſchloſſen, wenn er nicht ſelbſt operire, gaͤbe er auch ſeine Meſſer nicht her. Der Koͤnig ſetzte ſich alſo ruhig hin, ließ ſich von dem Autobartbeherrſcher balbiren, und fand ſein Regiment ſo ſanft, daß er ihn hoͤchlich ruͤhmte und ſeinen Werkzeugen einen Theil ſeines Verdienſtes zugeſtehend, bat er, ihm ſeine Meſſer zu verkaufen. Der Mann ging den Vorſchlag als ein großer Kuͤnſtler ein, der jedes Werkzeug zu ſeinem Zwecke zu gebrauchen im Stande iſt, und der Koͤnig, nachdem er ihn freundlich um ſeine haͤuslichen Umſtaͤnde befragt hatte, ſchenkte ihm zwei hundert Franken fuͤr ſeine Meſſer. Erſt nach ein Paar Tagen erfuhr man, daß es der Koͤnig war, der ſich den Bart hatte abnehmen laſſen. Noch eine Anekdote von dieſem Manne, den ſeine blindeſten Gegner ſelbſt mit Achtung nennen, erzaͤhlte man mir auf dieſem Wege, und ich er- zaͤhle ſie auch wieder nach meinem alten Grundſatz den Voltaire einmal anwendete, ohne daß man ihn verſtand. Iſt ſo ein Geſchichtchen auch nicht voͤllig
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0093"n="79"/>
biren verlangte, hatte der Kammerdiener die Bart-<lb/>
meſſer vergeſſen, der Balbier des Ortes wurde<lb/>
herbeigerufen, und geboten dem Kammerdiener<lb/>ſein Handwerkszeug gebrauchen zu laſſen; der<lb/>
Mann erklaͤrte aber ſehr entſchloſſen, wenn er<lb/>
nicht ſelbſt operire, gaͤbe er auch ſeine Meſſer nicht<lb/>
her. Der Koͤnig ſetzte ſich alſo ruhig hin, ließ<lb/>ſich von dem Autobartbeherrſcher balbiren, und<lb/>
fand ſein Regiment ſo ſanft, daß er ihn hoͤchlich<lb/>
ruͤhmte und ſeinen Werkzeugen einen Theil ſeines<lb/>
Verdienſtes zugeſtehend, bat er, ihm ſeine Meſſer<lb/>
zu verkaufen. Der Mann ging den Vorſchlag als<lb/>
ein großer Kuͤnſtler ein, der jedes Werkzeug zu<lb/>ſeinem Zwecke zu gebrauchen im Stande iſt, und<lb/>
der Koͤnig, nachdem er ihn freundlich um ſeine<lb/>
haͤuslichen Umſtaͤnde befragt hatte, ſchenkte ihm<lb/>
zwei hundert Franken fuͤr ſeine Meſſer. Erſt nach<lb/>
ein Paar Tagen erfuhr man, daß es der Koͤnig<lb/>
war, der ſich den Bart hatte abnehmen laſſen.<lb/>
Noch eine Anekdote von dieſem Manne, den ſeine<lb/>
blindeſten Gegner ſelbſt mit Achtung nennen,<lb/>
erzaͤhlte man mir auf dieſem Wege, und ich er-<lb/>
zaͤhle ſie auch wieder nach meinem alten Grundſatz<lb/>
den Voltaire einmal anwendete, ohne daß man ihn<lb/>
verſtand. Iſt ſo ein Geſchichtchen auch nicht voͤllig<lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0093]
biren verlangte, hatte der Kammerdiener die Bart-
meſſer vergeſſen, der Balbier des Ortes wurde
herbeigerufen, und geboten dem Kammerdiener
ſein Handwerkszeug gebrauchen zu laſſen; der
Mann erklaͤrte aber ſehr entſchloſſen, wenn er
nicht ſelbſt operire, gaͤbe er auch ſeine Meſſer nicht
her. Der Koͤnig ſetzte ſich alſo ruhig hin, ließ
ſich von dem Autobartbeherrſcher balbiren, und
fand ſein Regiment ſo ſanft, daß er ihn hoͤchlich
ruͤhmte und ſeinen Werkzeugen einen Theil ſeines
Verdienſtes zugeſtehend, bat er, ihm ſeine Meſſer
zu verkaufen. Der Mann ging den Vorſchlag als
ein großer Kuͤnſtler ein, der jedes Werkzeug zu
ſeinem Zwecke zu gebrauchen im Stande iſt, und
der Koͤnig, nachdem er ihn freundlich um ſeine
haͤuslichen Umſtaͤnde befragt hatte, ſchenkte ihm
zwei hundert Franken fuͤr ſeine Meſſer. Erſt nach
ein Paar Tagen erfuhr man, daß es der Koͤnig
war, der ſich den Bart hatte abnehmen laſſen.
Noch eine Anekdote von dieſem Manne, den ſeine
blindeſten Gegner ſelbſt mit Achtung nennen,
erzaͤhlte man mir auf dieſem Wege, und ich er-
zaͤhle ſie auch wieder nach meinem alten Grundſatz
den Voltaire einmal anwendete, ohne daß man ihn
verſtand. Iſt ſo ein Geſchichtchen auch nicht voͤllig
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/93>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.