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Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.

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mein bekannt geworden, kann von einer praktischen Wirkung auch
nur in den ersten und vorbereitenden Erwägungen nicht die Rede
sein. -- Ja, schlimmer wie dies! Wir haben es nicht blos mit
gänzlicher und unbefangener Unbekanntschaft zu thun, sondern die
gelegentlichen vagen, sehr ungenauen, dürftigen und selten unbe-
fangenen Berichte oder Erwähnungen, woraus die Meisten ihr
Wißen von der Sache schöpfen, mußten nothwendig mancherlei Vor-
urtheile gegen die Sache erzeugen, und sind ohne Zweifel eine
Hauptursache der Vernachläßigung weiterer und richtiger Jnfor-
mation, woraus eine Berichtigung solcher Vorurtheile hervorgehen
könnte -- also ein leidiger circulus vitiosus! -- Dieser Bann aber
mußte um so fester werden, da die ohnehin nur zu allgemeine
Neigung blos negativer Kritik und einer gewißen confessionellen
Selbstzufriedenheit in jenen mangelhaften oder falschen Darstellungen
eine nur zu erwünschte Nahrung fand. Dennoch bin ich weit entfernt,
darin schon eine genügende oder gar befriedigende Erklärung der
leider nicht in Abrede zu stellenden Thatsache zu finden, daß sowohl
unsere Geistlichen, als die specieller unter ihrem Einfluß stehenden
Kreise sich (mit seltenen Ausnahmen) wenig oder gar nicht um die
englischen Revivals bekümmern -- jedenfalls nicht in der Art, daß
man sich (soweit wenigstens irgend allgemeiner bekannt geworden)
ernstlich die Frage vorlegte: ob und wie in jenen Erscheinungen und
Erfahrungen für uns eine praktische Belehrung oder Warnung oder
Mahnung liegen könnte? -- Meines Orts nun kann ich hier auf
diese Frage nur mit mancherlei Gegenfragen antworten, deren theil-
weise Unbequemlichkeit und Kitzlichkeit Sie mich hoffentlich nicht
entgelten laßen werden, nachdem Sie selbst sie provocirt.

Zunächst muß ich fragen: sind denn unsere kirchlichen und
religiösen und die damit zusammenhängenden sittlichen, socialen und
politischen Zustände der Art -- sind sie namentlich so viel befrie-
digender als jene, deren Reform zunächst in ihren individuellen und
subjektiven Früchten Zweck und Wirkung des Revivals ist? Sind
diese Dinge in der That bei uns soviel beßer bestellt, oder sind
sie es wenigstens in der Meinung Derer, die eine Hauptverant-
wortung dafür in ihrem Amt, in ihrer Gesinnung u. s. w. finden
müßen? Vielleicht meinen Sie, wir könnten uns zur Beantwortung
dieser und namentlich der letzten Frage auf die Uebereinstimmung

mein bekannt geworden, kann von einer praktiſchen Wirkung auch
nur in den erſten und vorbereitenden Erwägungen nicht die Rede
ſein. — Ja, ſchlimmer wie dies! Wir haben es nicht blos mit
gänzlicher und unbefangener Unbekanntſchaft zu thun, ſondern die
gelegentlichen vagen, ſehr ungenauen, dürftigen und ſelten unbe-
fangenen Berichte oder Erwähnungen, woraus die Meiſten ihr
Wißen von der Sache ſchöpfen, mußten nothwendig mancherlei Vor-
urtheile gegen die Sache erzeugen, und ſind ohne Zweifel eine
Haupturſache der Vernachläßigung weiterer und richtiger Jnfor-
mation, woraus eine Berichtigung ſolcher Vorurtheile hervorgehen
könnte — alſo ein leidiger circulus vitiosus! — Dieſer Bann aber
mußte um ſo feſter werden, da die ohnehin nur zu allgemeine
Neigung blos negativer Kritik und einer gewißen confeſſionellen
Selbſtzufriedenheit in jenen mangelhaften oder falſchen Darſtellungen
eine nur zu erwünſchte Nahrung fand. Dennoch bin ich weit entfernt,
darin ſchon eine genügende oder gar befriedigende Erklärung der
leider nicht in Abrede zu ſtellenden Thatſache zu finden, daß ſowohl
unſere Geiſtlichen, als die ſpecieller unter ihrem Einfluß ſtehenden
Kreiſe ſich (mit ſeltenen Ausnahmen) wenig oder gar nicht um die
engliſchen Revivals bekümmern — jedenfalls nicht in der Art, daß
man ſich (ſoweit wenigſtens irgend allgemeiner bekannt geworden)
ernſtlich die Frage vorlegte: ob und wie in jenen Erſcheinungen und
Erfahrungen für uns eine praktiſche Belehrung oder Warnung oder
Mahnung liegen könnte? — Meines Orts nun kann ich hier auf
dieſe Frage nur mit mancherlei Gegenfragen antworten, deren theil-
weiſe Unbequemlichkeit und Kitzlichkeit Sie mich hoffentlich nicht
entgelten laßen werden, nachdem Sie ſelbſt ſie provocirt.

Zunächſt muß ich fragen: ſind denn unſere kirchlichen und
religiöſen und die damit zuſammenhängenden ſittlichen, ſocialen und
politiſchen Zuſtände der Art — ſind ſie namentlich ſo viel befrie-
digender als jene, deren Reform zunächſt in ihren individuellen und
ſubjektiven Früchten Zweck und Wirkung des Revivals iſt? Sind
dieſe Dinge in der That bei uns ſoviel beßer beſtellt, oder ſind
ſie es wenigſtens in der Meinung Derer, die eine Hauptverant-
wortung dafür in ihrem Amt, in ihrer Geſinnung u. ſ. w. finden
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[34/0040] mein bekannt geworden, kann von einer praktiſchen Wirkung auch nur in den erſten und vorbereitenden Erwägungen nicht die Rede ſein. — Ja, ſchlimmer wie dies! Wir haben es nicht blos mit gänzlicher und unbefangener Unbekanntſchaft zu thun, ſondern die gelegentlichen vagen, ſehr ungenauen, dürftigen und ſelten unbe- fangenen Berichte oder Erwähnungen, woraus die Meiſten ihr Wißen von der Sache ſchöpfen, mußten nothwendig mancherlei Vor- urtheile gegen die Sache erzeugen, und ſind ohne Zweifel eine Haupturſache der Vernachläßigung weiterer und richtiger Jnfor- mation, woraus eine Berichtigung ſolcher Vorurtheile hervorgehen könnte — alſo ein leidiger circulus vitiosus! — Dieſer Bann aber mußte um ſo feſter werden, da die ohnehin nur zu allgemeine Neigung blos negativer Kritik und einer gewißen confeſſionellen Selbſtzufriedenheit in jenen mangelhaften oder falſchen Darſtellungen eine nur zu erwünſchte Nahrung fand. Dennoch bin ich weit entfernt, darin ſchon eine genügende oder gar befriedigende Erklärung der leider nicht in Abrede zu ſtellenden Thatſache zu finden, daß ſowohl unſere Geiſtlichen, als die ſpecieller unter ihrem Einfluß ſtehenden Kreiſe ſich (mit ſeltenen Ausnahmen) wenig oder gar nicht um die engliſchen Revivals bekümmern — jedenfalls nicht in der Art, daß man ſich (ſoweit wenigſtens irgend allgemeiner bekannt geworden) ernſtlich die Frage vorlegte: ob und wie in jenen Erſcheinungen und Erfahrungen für uns eine praktiſche Belehrung oder Warnung oder Mahnung liegen könnte? — Meines Orts nun kann ich hier auf dieſe Frage nur mit mancherlei Gegenfragen antworten, deren theil- weiſe Unbequemlichkeit und Kitzlichkeit Sie mich hoffentlich nicht entgelten laßen werden, nachdem Sie ſelbſt ſie provocirt. Zunächſt muß ich fragen: ſind denn unſere kirchlichen und religiöſen und die damit zuſammenhängenden ſittlichen, ſocialen und politiſchen Zuſtände der Art — ſind ſie namentlich ſo viel befrie- digender als jene, deren Reform zunächſt in ihren individuellen und ſubjektiven Früchten Zweck und Wirkung des Revivals iſt? Sind dieſe Dinge in der That bei uns ſoviel beßer beſtellt, oder ſind ſie es wenigſtens in der Meinung Derer, die eine Hauptverant- wortung dafür in ihrem Amt, in ihrer Geſinnung u. ſ. w. finden müßen? Vielleicht meinen Sie, wir könnten uns zur Beantwortung dieſer und namentlich der letzten Frage auf die Uebereinſtimmung

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Zitationshilfe: Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_revival_1862/40>, abgerufen am 21.11.2024.