Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.fast aller gläubigen und zumal geistlichen deutschen Zeugnisse aus 3*
faſt aller gläubigen und zumal geiſtlichen deutſchen Zeugniſſe aus 3*
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faſt aller gläubigen und zumal geiſtlichen deutſchen Zeugniſſe aus
und über England berufen, wonach wir gerade dort in ſo vieler
Einſicht und im Allgemeinen und Weſentlichen das beſchämende
Muſter eines ganz überwiegend kirchlichen und chriſtlichen nationalen
Lebens in Staat, Geſellſchaft und Haus finden müßten. Sie haben
jedoch aus früheren Aeußerungen erſehen, daß ich dieſe optimiſtiſchen
Anſchauungen in Beziehung auf England keineswegs theile und
wenn ich ſie jetzt utiliter acceptire, ſo geſchieht es ohne alles Prä-
judiz und eben nur als Argument gegen Diejenigen, die ſie ver-
anlaßen, hegen und verbreiten, inſofern ſie uns die ſehr naheliegende
praktiſche Applikation auf die Revivalfrage ſchuldig bleiben: ſteht es
in England ſoviel beßer und iſt man dennoch dort zu dem
Revival getrieben worden, wieviel mehr denn müßte dies Heilver-
fahren in Deutſchland Noth thun! Aber ich bedarf auch meines
Theils jener Verausſetzung gar nicht. Jch bin eben ſoweit entfernt,
etwa umgekehrt unſere Zuſtände in einem ſo günſtigen Licht zu
ſehen, daß daraus auch nur der entfernteſte Schein einer Ent-
ſchuldigung hervorgehen könnte, wenn wir irgend ein erreichbares
und verwendbares Mittel zu deren Hebung und Beßerung ver-
ſäumen. Nach Allem, was ich von unſeren eigenen und von frem-
den Zuſtänden weiß — und Sie ſelbſt räumen mir eine nicht ganz
gewöhnliche Competenz des Urtheils durch eigene Anſchauung und
anderweitige Mittel der Jnformation nachſichtig ein — hat Niemand
dem andern ſoviel mehr vorzuwerfen, daß er darauf zu Gericht
ſitzen und dabei nur einen Augenblick den Beruf verſäumen dürfte,
der Jedem gleich dringend Noth thut: vor der eignen Thüre zu
kehren! — Damit iſt die hülfreiche oder doch wenigſtens mit leidende
Liebe zu dem Nächſten, die Gebetsarbeit, auch vor ſeiner Thüre
und in ſeinem Hauſe nicht ausgeſchloßen, ſondern geht erſt recht
Hand in Hand, ſofern jene Arbeit rechter Art iſt. Bei ſolcher
Arbeit und ſolchem Sinn würde unter Schweſtern, deren jede voll
Wunden und Schwären im Staube liegt, nicht mehr eine der
andern die Binden und Hüllen abreißen, um auch die verborgenen
Schäden dem Hohn der Welt preis zu geben, wie von allen Seiten
ſo oft geſchieht. Genug, die Frage ſcheint mir namentlich hier und
für uns keineswegs eine Abwägung des Mehr oder Weniger geiſt-
licher und kirchlicher und daraus entſtehender ſittlicher und ſocialer
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