Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.Axiom: "ubi virus ibi virtus" in dieser Beziehung gar wohl um- Betrachten wir nun die gegen das Revival geltend gemachten Axiom: „ubi virus ibi virtus‟ in dieſer Beziehung gar wohl um- Betrachten wir nun die gegen das Revival geltend gemachten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="41"/> Axiom: <hi rendition="#aq">„ubi virus ibi virtus‟</hi> in dieſer Beziehung gar wohl um-<lb/> kehren zu einem: <hi rendition="#aq">„ubi virtus ibi virus?‟</hi> — Wer aber |meint, man<lb/> könne ſich mit einer ſolchen Bewegung abfinden, indem man ſich<lb/> eben an ihre bedenklichen Seiten und Momente hält, der beweiſt<lb/> nur, daß er der ganzen Sache zu fern ſteht und wenigſtens ihr<lb/> gegenüber der weſentlichſten Bedingung jeder fruchtbaren Behand-<lb/> lung entbehrt — der lebendigen Liebe, für welche die Hauptfrage<lb/> immer <hi rendition="#g">die</hi> iſt: wie weit kann die Sache, <hi rendition="#g">trotz</hi> aller dieſer Be-<lb/> denken, zur Ehre Gottes und zu Nutz und Frommen des Nächſten<lb/> verwendet werden? Aber gerade bei der Beantwortung dieſer Frage<lb/> kommt es gar ſehr darauf an, wie dringend und groß die Noth<lb/> und Gefahr iſt, zu deren Abwendung oder Abhülfe und Linderung<lb/> jene Sache und die darin liegenden oder angewieſenen Kräfte und<lb/> Mittel dienen können. Gilt es den Biß eines harmloſen Kläffers,<lb/> ſo kann man ſich Zeit laßen und milde Salbe und ſaubern Ver-<lb/> band wählen; gilt es aber den Biß eines tollen Hundes, ſo fährt<lb/> man mit dem nächſten glühenden Eiſen in die Wunde, ſogar auf<lb/> die Gefahr eine Schlagader zu verletzen.</p><lb/> <p>Betrachten wir nun die gegen das Revival geltend gemachten<lb/> Bedenken näher, ſo ſind ſie wohl nach vier verſchiedenen Kategorieen<lb/> zu unterſcheiden, inſofern ſie entweder auf gemeinſam chriſtlichem,<lb/> bibliſchem, oder beſtimmter evangeliſchem, oder auf ſpecifiſch kirchlich<lb/> confeſſionellem Grunde, oder auf gewißen nationalen Jdioſynkraſieen<lb/> beruhen. Was das allgemein Menſchliche betrifft, ſo dürfen <hi rendition="#g">wir</hi><lb/> es wohl, ſoweit es berechtigt iſt, unter den Begriff der chriſtlichen<lb/> Ethik ziehen und der erſten Kategorie zuweiſen. Blos individuelles<lb/> Gefallen oder Mißfallen aber wird in ſo allgemein wichtigen Fragen<lb/> kaum anders berückſichtigt werden können, als inſofern es als eine<lb/> Steigerung nationaler Charakterzüge gelten kann. Frägt es ſich<lb/> aber begreiflich vor jeder weitern Unterſuchung, welches Geſetz zu-<lb/> letzt als für alle dieſe Fragen entſcheidend gelten ſoll, ſo iſt wohl<lb/> kaum ein ernſtlicher Zweifel oder Widerſpruch denkbar, wenn wir<lb/> uns daran halten: nur <hi rendition="#g">das</hi> kann als unbedingt <hi rendition="#g">berechtigt</hi> gelten,<lb/> was <hi rendition="#g">mit</hi> Gottes Wort geht und beſteht, und nur <hi rendition="#g">das</hi> als <hi rendition="#g">unbe-<lb/> dingt</hi> verwerflich, was poſitiv <hi rendition="#g">gegen</hi> Gottes Wort iſt. — Welchen<lb/> Raum und welche Berechtigung daneben mancherlei Adiaphora finden<lb/> mögen, laße ich auf ſich beruhen — genug, daß wir hier die ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0047]
Axiom: „ubi virus ibi virtus‟ in dieſer Beziehung gar wohl um-
kehren zu einem: „ubi virtus ibi virus?‟ — Wer aber |meint, man
könne ſich mit einer ſolchen Bewegung abfinden, indem man ſich
eben an ihre bedenklichen Seiten und Momente hält, der beweiſt
nur, daß er der ganzen Sache zu fern ſteht und wenigſtens ihr
gegenüber der weſentlichſten Bedingung jeder fruchtbaren Behand-
lung entbehrt — der lebendigen Liebe, für welche die Hauptfrage
immer die iſt: wie weit kann die Sache, trotz aller dieſer Be-
denken, zur Ehre Gottes und zu Nutz und Frommen des Nächſten
verwendet werden? Aber gerade bei der Beantwortung dieſer Frage
kommt es gar ſehr darauf an, wie dringend und groß die Noth
und Gefahr iſt, zu deren Abwendung oder Abhülfe und Linderung
jene Sache und die darin liegenden oder angewieſenen Kräfte und
Mittel dienen können. Gilt es den Biß eines harmloſen Kläffers,
ſo kann man ſich Zeit laßen und milde Salbe und ſaubern Ver-
band wählen; gilt es aber den Biß eines tollen Hundes, ſo fährt
man mit dem nächſten glühenden Eiſen in die Wunde, ſogar auf
die Gefahr eine Schlagader zu verletzen.
Betrachten wir nun die gegen das Revival geltend gemachten
Bedenken näher, ſo ſind ſie wohl nach vier verſchiedenen Kategorieen
zu unterſcheiden, inſofern ſie entweder auf gemeinſam chriſtlichem,
bibliſchem, oder beſtimmter evangeliſchem, oder auf ſpecifiſch kirchlich
confeſſionellem Grunde, oder auf gewißen nationalen Jdioſynkraſieen
beruhen. Was das allgemein Menſchliche betrifft, ſo dürfen wir
es wohl, ſoweit es berechtigt iſt, unter den Begriff der chriſtlichen
Ethik ziehen und der erſten Kategorie zuweiſen. Blos individuelles
Gefallen oder Mißfallen aber wird in ſo allgemein wichtigen Fragen
kaum anders berückſichtigt werden können, als inſofern es als eine
Steigerung nationaler Charakterzüge gelten kann. Frägt es ſich
aber begreiflich vor jeder weitern Unterſuchung, welches Geſetz zu-
letzt als für alle dieſe Fragen entſcheidend gelten ſoll, ſo iſt wohl
kaum ein ernſtlicher Zweifel oder Widerſpruch denkbar, wenn wir
uns daran halten: nur das kann als unbedingt berechtigt gelten,
was mit Gottes Wort geht und beſteht, und nur das als unbe-
dingt verwerflich, was poſitiv gegen Gottes Wort iſt. — Welchen
Raum und welche Berechtigung daneben mancherlei Adiaphora finden
mögen, laße ich auf ſich beruhen — genug, daß wir hier die ge-
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