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Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862.

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denn in diesem Augenblick, wo besten Falls Feigheit und Schwäche
mindestens eben so sehr wie 1848 das Verhalten der Behörden gegen
die aufgeregten Elemente politischer, socialer oder kirchlicher Zucht-
losigkeit charakterisirt. Ohne Zweifel würden z. B. auch sonst nicht
feindselige Beamten einer christlichen Erweckungspredigt im Freien
oder in einem Bahnhof oder Theater oder Reitbahn schon deshalb
entgegentreten, weil man ja dann auch allen Gegnern des Christen-
thums freie Hand oder Zunge laßen müße. Wenn wir durch Pöbel-
gewalt in unserer ehrlichen Arbeit gestört werden, so wird man dem
Unfug einfach dadurch steuern, daß man uns die Hände bindet.
Wenn ich nun zugebe, daß diese Umstände vorläufig die Operationen
christlicher Erweckung mehr oder weniger beschränken dürften, so
muß ich doch erstlich dagegen geltend machen, daß, wer auf rechten
Wegen ist, niemals berechtigt ist, diesseits des Ziels stehen zu
bleiben, so lange er nicht wirklich und effektiv aufgehalten, verhindert
wird. Diese Fragen stehen natürlich im nächsten Zusammenhang
zu dem Verhältniß zwischen Staat und Kirche überhaupt. So wenig
ich aber auch nur mit einem Wunsch oder Gedanken zu der Auf-
hebung des bisher bestandenen Verhätnisses beitragen möchte, so
kann ich doch die wohl kaum lange zurückzuhaltende Eventualität einer
Aufhebung desselben keineswenigs als ein so großes Uebel ansehen,
wie es von manchen Seiten geschieht -- am wenigsten für die
Kirche, die so schweren Schaden eben durch jenes Verhältniß ge-
litten hat. Aber auch der Staat braucht darum noch kein heid-
nischer oder athee zu sein und dürften überdies Erfahrungen nicht
ausbleiben, die auch von dieser Seite eine Wiedervereinigung unter
allseitig ersprießlichern Bedingungen vorbereiten werden. Unter
allen Umständen aber wird es gar sehr unsere Schuld sein, wenn
wir nicht wenigstens das erreichen, daß die allgemeine Licenz, welche
im Anzuge ist, auch uns und unseren Erweckungen zu Gute komme.
Wie dem aber auch sei, immerhin würden auch schon jetzt die
Gränzen einer erweckenden Bewegung von Seiten der Kirche sich
mindestens sehr viel weiter ausdehnen laßen, als sie jetzt gehen,
wenn die in dem englischen Revival gegebenen Erfahrungen nur
einiger praktischen Anwendung auf unsere geistlichen Nothstände fähig
wären und solche fänden. Ob und wieweit dies wirklich der Fall
sein mag -- die Entscheidung dieser Frage muß ich Andern überlaßen.
Meine bescheidene Aufgabe aber glaube ich erfüllt zu haben, wenn
ich wenigstens zu der Jnformation und zu den Erwägungen, welche
einer solchen Entscheidung vorhergehen müßen, zunächst bei Jhnen
und in Jhrem Kreise eine fruchtbar ersprießliche Anregung gegeben
haben sollte. Womit denn u. s. w.



Druck von Kohler & Teller in Offenbach a. M.

denn in dieſem Augenblick, wo beſten Falls Feigheit und Schwäche
mindeſtens eben ſo ſehr wie 1848 das Verhalten der Behörden gegen
die aufgeregten Elemente politiſcher, ſocialer oder kirchlicher Zucht-
loſigkeit charakteriſirt. Ohne Zweifel würden z. B. auch ſonſt nicht
feindſelige Beamten einer chriſtlichen Erweckungspredigt im Freien
oder in einem Bahnhof oder Theater oder Reitbahn ſchon deshalb
entgegentreten, weil man ja dann auch allen Gegnern des Chriſten-
thums freie Hand oder Zunge laßen müße. Wenn wir durch Pöbel-
gewalt in unſerer ehrlichen Arbeit geſtört werden, ſo wird man dem
Unfug einfach dadurch ſteuern, daß man uns die Hände bindet.
Wenn ich nun zugebe, daß dieſe Umſtände vorläufig die Operationen
chriſtlicher Erweckung mehr oder weniger beſchränken dürften, ſo
muß ich doch erſtlich dagegen geltend machen, daß, wer auf rechten
Wegen iſt, niemals berechtigt iſt, diesſeits des Ziels ſtehen zu
bleiben, ſo lange er nicht wirklich und effektiv aufgehalten, verhindert
wird. Dieſe Fragen ſtehen natürlich im nächſten Zuſammenhang
zu dem Verhältniß zwiſchen Staat und Kirche überhaupt. So wenig
ich aber auch nur mit einem Wunſch oder Gedanken zu der Auf-
hebung des bisher beſtandenen Verhätniſſes beitragen möchte, ſo
kann ich doch die wohl kaum lange zurückzuhaltende Eventualität einer
Aufhebung desſelben keineswenigs als ein ſo großes Uebel anſehen,
wie es von manchen Seiten geſchieht — am wenigſten für die
Kirche, die ſo ſchweren Schaden eben durch jenes Verhältniß ge-
litten hat. Aber auch der Staat braucht darum noch kein heid-
niſcher oder athée zu ſein und dürften überdies Erfahrungen nicht
ausbleiben, die auch von dieſer Seite eine Wiedervereinigung unter
allſeitig erſprießlichern Bedingungen vorbereiten werden. Unter
allen Umſtänden aber wird es gar ſehr unſere Schuld ſein, wenn
wir nicht wenigſtens das erreichen, daß die allgemeine Licenz, welche
im Anzuge iſt, auch uns und unſeren Erweckungen zu Gute komme.
Wie dem aber auch ſei, immerhin würden auch ſchon jetzt die
Gränzen einer erweckenden Bewegung von Seiten der Kirche ſich
mindeſtens ſehr viel weiter ausdehnen laßen, als ſie jetzt gehen,
wenn die in dem engliſchen Revival gegebenen Erfahrungen nur
einiger praktiſchen Anwendung auf unſere geiſtlichen Nothſtände fähig
wären und ſolche fänden. Ob und wieweit dies wirklich der Fall
ſein mag — die Entſcheidung dieſer Frage muß ich Andern überlaßen.
Meine beſcheidene Aufgabe aber glaube ich erfüllt zu haben, wenn
ich wenigſtens zu der Jnformation und zu den Erwägungen, welche
einer ſolchen Entſcheidung vorhergehen müßen, zunächſt bei Jhnen
und in Jhrem Kreiſe eine fruchtbar erſprießliche Anregung gegeben
haben ſollte. Womit denn u. ſ. w.



Druck von Kohler & Teller in Offenbach a. M.

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[76/0082] denn in dieſem Augenblick, wo beſten Falls Feigheit und Schwäche mindeſtens eben ſo ſehr wie 1848 das Verhalten der Behörden gegen die aufgeregten Elemente politiſcher, ſocialer oder kirchlicher Zucht- loſigkeit charakteriſirt. Ohne Zweifel würden z. B. auch ſonſt nicht feindſelige Beamten einer chriſtlichen Erweckungspredigt im Freien oder in einem Bahnhof oder Theater oder Reitbahn ſchon deshalb entgegentreten, weil man ja dann auch allen Gegnern des Chriſten- thums freie Hand oder Zunge laßen müße. Wenn wir durch Pöbel- gewalt in unſerer ehrlichen Arbeit geſtört werden, ſo wird man dem Unfug einfach dadurch ſteuern, daß man uns die Hände bindet. Wenn ich nun zugebe, daß dieſe Umſtände vorläufig die Operationen chriſtlicher Erweckung mehr oder weniger beſchränken dürften, ſo muß ich doch erſtlich dagegen geltend machen, daß, wer auf rechten Wegen iſt, niemals berechtigt iſt, diesſeits des Ziels ſtehen zu bleiben, ſo lange er nicht wirklich und effektiv aufgehalten, verhindert wird. Dieſe Fragen ſtehen natürlich im nächſten Zuſammenhang zu dem Verhältniß zwiſchen Staat und Kirche überhaupt. So wenig ich aber auch nur mit einem Wunſch oder Gedanken zu der Auf- hebung des bisher beſtandenen Verhätniſſes beitragen möchte, ſo kann ich doch die wohl kaum lange zurückzuhaltende Eventualität einer Aufhebung desſelben keineswenigs als ein ſo großes Uebel anſehen, wie es von manchen Seiten geſchieht — am wenigſten für die Kirche, die ſo ſchweren Schaden eben durch jenes Verhältniß ge- litten hat. Aber auch der Staat braucht darum noch kein heid- niſcher oder athée zu ſein und dürften überdies Erfahrungen nicht ausbleiben, die auch von dieſer Seite eine Wiedervereinigung unter allſeitig erſprießlichern Bedingungen vorbereiten werden. Unter allen Umſtänden aber wird es gar ſehr unſere Schuld ſein, wenn wir nicht wenigſtens das erreichen, daß die allgemeine Licenz, welche im Anzuge iſt, auch uns und unſeren Erweckungen zu Gute komme. Wie dem aber auch ſei, immerhin würden auch ſchon jetzt die Gränzen einer erweckenden Bewegung von Seiten der Kirche ſich mindeſtens ſehr viel weiter ausdehnen laßen, als ſie jetzt gehen, wenn die in dem engliſchen Revival gegebenen Erfahrungen nur einiger praktiſchen Anwendung auf unſere geiſtlichen Nothſtände fähig wären und ſolche fänden. Ob und wieweit dies wirklich der Fall ſein mag — die Entſcheidung dieſer Frage muß ich Andern überlaßen. Meine beſcheidene Aufgabe aber glaube ich erfüllt zu haben, wenn ich wenigſtens zu der Jnformation und zu den Erwägungen, welche einer ſolchen Entſcheidung vorhergehen müßen, zunächſt bei Jhnen und in Jhrem Kreiſe eine fruchtbar erſprießliche Anregung gegeben haben ſollte. Womit denn u. ſ. w. Druck von Kohler & Teller in Offenbach a. M.

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Zitationshilfe: Huber, Victor Aimé: Sieben Briefe über englisches Revival und deutsche Erweckung. Frankfurt (Main), 1862, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_revival_1862/82>, abgerufen am 09.11.2024.