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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Schleusenkammer aufzusteigen, bis zur Höhe von Fluss-
schnellen und Wasserscheiden, und solche mit der Schleusen-
Entleerung zu übersteigen. Damit wurden für die Binnen-
schiffahrt, welche bisher auf das Tiefland beschränkt war,
das Hügelland und selbst Teile des Gebirgslandes erschlossen
Eine ähnliche Erweiterung des Verkehrsgebiets im Wege
künstlichen Nivellements war dem Landverkehr, besonders
durch die spätere Verwendung des Schienenstrangs, vor-
behalten.

In Frankreich erfasste Colbert die Bedeutung eines
Strassennetzes als des notwendigen Gliedes in dem von ihm
eingeführten System der bureaukratischen Hebung von
Handel und Industrie und ergriff die Initiative zu der Er-
bauung der französischen Chausseen (welche Göthe 1797
in Zabern so sehr bewunderte). Die Wirkung davon zeigte
sich deutlich, wenn man in jener Zeit die Wirtschaftslage
Spaniens gegen die seines Konkurrenten (Frankreich) ver-
glich: in Spanien überall nur die elendesten, lediglich für
Saumrosse gangbaren Wege, nirgends ordentliche Gasthöfe,
nirgends Brücken, weder Kanäle noch Stromschiffahrt,
jede Provinz durch Douanenlinien von dem übrigen Spanien
abgeschlossen, vor jedem Stadtthore ein königlicher Zoll;
Strassenraub und Bettelei als Gewerbe betrieben, der
Schmuggelhandel in höchster Blüte; all dies musste die
früher mächtige katalonische Industrie vernichten. Frank-
reich dagegen erlangte zu gleicher Zeit über seine früheren
Lehrmeister, über Spanien wie über Italien und Deutsch-
land die industrielle Suprematie.

Im 18. Jahrhundert sah sich durch den Chausseebau
Frankreichs zuerst Süddeutschland zur Nachahmung ver-
anlasst; die erste Chaussee wurde 1737 vom schwäbischen
Kreis beschlossen.

Noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts war man auf
die damaligen Leistungen der Post sehr stolz; beispielsweise

Schleusenkammer aufzusteigen, bis zur Höhe von Fluss-
schnellen und Wasserscheiden, und solche mit der Schleusen-
Entleerung zu übersteigen. Damit wurden für die Binnen-
schiffahrt, welche bisher auf das Tiefland beschränkt war,
das Hügelland und selbst Teile des Gebirgslandes erschlossen
Eine ähnliche Erweiterung des Verkehrsgebiets im Wege
künstlichen Nivellements war dem Landverkehr, besonders
durch die spätere Verwendung des Schienenstrangs, vor-
behalten.

In Frankreich erfasste Colbert die Bedeutung eines
Strassennetzes als des notwendigen Gliedes in dem von ihm
eingeführten System der bureaukratischen Hebung von
Handel und Industrie und ergriff die Initiative zu der Er-
bauung der französischen Chausseen (welche Göthe 1797
in Zabern so sehr bewunderte). Die Wirkung davon zeigte
sich deutlich, wenn man in jener Zeit die Wirtschaftslage
Spaniens gegen die seines Konkurrenten (Frankreich) ver-
glich: in Spanien überall nur die elendesten, lediglich für
Saumrosse gangbaren Wege, nirgends ordentliche Gasthöfe,
nirgends Brücken, weder Kanäle noch Stromschiffahrt,
jede Provinz durch Douanenlinien von dem übrigen Spanien
abgeschlossen, vor jedem Stadtthore ein königlicher Zoll;
Strassenraub und Bettelei als Gewerbe betrieben, der
Schmuggelhandel in höchster Blüte; all dies musste die
früher mächtige katalonische Industrie vernichten. Frank-
reich dagegen erlangte zu gleicher Zeit über seine früheren
Lehrmeister, über Spanien wie über Italien und Deutsch-
land die industrielle Suprematie.

Im 18. Jahrhundert sah sich durch den Chausseebau
Frankreichs zuerst Süddeutschland zur Nachahmung ver-
anlasst; die erste Chaussee wurde 1737 vom schwäbischen
Kreis beschlossen.

Noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts war man auf
die damaligen Leistungen der Post sehr stolz; beispielsweise

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[121/0137] Schleusenkammer aufzusteigen, bis zur Höhe von Fluss- schnellen und Wasserscheiden, und solche mit der Schleusen- Entleerung zu übersteigen. Damit wurden für die Binnen- schiffahrt, welche bisher auf das Tiefland beschränkt war, das Hügelland und selbst Teile des Gebirgslandes erschlossen Eine ähnliche Erweiterung des Verkehrsgebiets im Wege künstlichen Nivellements war dem Landverkehr, besonders durch die spätere Verwendung des Schienenstrangs, vor- behalten. In Frankreich erfasste Colbert die Bedeutung eines Strassennetzes als des notwendigen Gliedes in dem von ihm eingeführten System der bureaukratischen Hebung von Handel und Industrie und ergriff die Initiative zu der Er- bauung der französischen Chausseen (welche Göthe 1797 in Zabern so sehr bewunderte). Die Wirkung davon zeigte sich deutlich, wenn man in jener Zeit die Wirtschaftslage Spaniens gegen die seines Konkurrenten (Frankreich) ver- glich: in Spanien überall nur die elendesten, lediglich für Saumrosse gangbaren Wege, nirgends ordentliche Gasthöfe, nirgends Brücken, weder Kanäle noch Stromschiffahrt, jede Provinz durch Douanenlinien von dem übrigen Spanien abgeschlossen, vor jedem Stadtthore ein königlicher Zoll; Strassenraub und Bettelei als Gewerbe betrieben, der Schmuggelhandel in höchster Blüte; all dies musste die früher mächtige katalonische Industrie vernichten. Frank- reich dagegen erlangte zu gleicher Zeit über seine früheren Lehrmeister, über Spanien wie über Italien und Deutsch- land die industrielle Suprematie. Im 18. Jahrhundert sah sich durch den Chausseebau Frankreichs zuerst Süddeutschland zur Nachahmung ver- anlasst; die erste Chaussee wurde 1737 vom schwäbischen Kreis beschlossen. Noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts war man auf die damaligen Leistungen der Post sehr stolz; beispielsweise

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/137>, abgerufen am 24.11.2024.