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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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dehnung des Eisenbahnnetzes eingeführte) spekulative Gross-
betrieb, für den das Gesetz des Massenumsatzes massge-
bend ist. Es ist dies eine rein geschäftsmässige, auf der
erfahrungsgemässen Ausgleichung von Tarifermässigungen
durch die dadurch bedingte Frequenzsteigerung aufgebaute
Kalkulation, in welcher aber nun wieder die politische
Seite der Post zu tage tritt: die Post wird -- da der mächtige
Eisenbahnverkehr die Erkenntnis von der allgemein wirt-
schaftlichen Produktivität der (Post-)Organisation vertieft
-- nicht mehr als ein blosses Mittel der Kriegsbereitschaft
oder der Staatsverwaltung oder der Diplomatie, auch nicht
mehr als ein nutzbares Regal (fiskale Auffassung der Do-
manial-Eigenschaft) behandelt, dem Handel und Gewerbe
Tribut schuldig sind, sondern sie wird als ein gemeinnütziges
Werkzeug der Förderung der Steuer- und Produktionskraft
eines Volkes erkannt und gewertet. Vermöge dieser neu-
zeitlichen Auffassung hängt die geschichtliche Darstellung
mit der Tarifpolitik und der juristischen Abgrenzung
des Regals (z. B. gegenüber dem Telephon oder der Stadt-
post) zusammen.

Wie vielerlei Gestalten der Begriff der "Post" anzu-
nehmen fähig ist, zeigt sich namentlich bei der juristischen
Interpretation dessen, was alles das ehemals Taxis'sche
Regal angeblich in sich begriffen hat. Derselbe Begriff,
welcher identisch mit der Aufstellung von Staffettenreitern
(durch Pyrrhus oder Jul. Cäsar) genommen wird, soll ander-
seits auch sämtliche Verkehranstalten, bis herab zum neuesten
Telephon, und auch sämtliche Objekte und Funktionen der
Post umfassen, welche erst in jüngster Zeit dazu gekommen
sind. Demgegenüber wird zunächst der Unterschied des
Nahe- und Fernverkehrs dadurch zum Ausdruck gebracht, dass
das Postregal an der Grenze des Stadtrayons (Privatstadt-
post) Halt gemacht hat. Sodann bringt auch die verschie-

dieser Richtung erbrachte der (gleichzeitig mit der Aus-
dehnung des Eisenbahnnetzes eingeführte) spekulative Gross-
betrieb, für den das Gesetz des Massenumsatzes massge-
bend ist. Es ist dies eine rein geschäftsmässige, auf der
erfahrungsgemässen Ausgleichung von Tarifermässigungen
durch die dadurch bedingte Frequenzsteigerung aufgebaute
Kalkulation, in welcher aber nun wieder die politische
Seite der Post zu tage tritt: die Post wird — da der mächtige
Eisenbahnverkehr die Erkenntnis von der allgemein wirt-
schaftlichen Produktivität der (Post-)Organisation vertieft
— nicht mehr als ein blosses Mittel der Kriegsbereitschaft
oder der Staatsverwaltung oder der Diplomatie, auch nicht
mehr als ein nutzbares Regal (fiskale Auffassung der Do-
manial-Eigenschaft) behandelt, dem Handel und Gewerbe
Tribut schuldig sind, sondern sie wird als ein gemeinnütziges
Werkzeug der Förderung der Steuer- und Produktionskraft
eines Volkes erkannt und gewertet. Vermöge dieser neu-
zeitlichen Auffassung hängt die geschichtliche Darstellung
mit der Tarifpolitik und der juristischen Abgrenzung
des Regals (z. B. gegenüber dem Telephon oder der Stadt-
post) zusammen.

Wie vielerlei Gestalten der Begriff der »Post« anzu-
nehmen fähig ist, zeigt sich namentlich bei der juristischen
Interpretation dessen, was alles das ehemals Taxis’sche
Regal angeblich in sich begriffen hat. Derselbe Begriff,
welcher identisch mit der Aufstellung von Staffettenreitern
(durch Pyrrhus oder Jul. Cäsar) genommen wird, soll ander-
seits auch sämtliche Verkehranstalten, bis herab zum neuesten
Telephon, und auch sämtliche Objekte und Funktionen der
Post umfassen, welche erst in jüngster Zeit dazu gekommen
sind. Demgegenüber wird zunächst der Unterschied des
Nahe- und Fernverkehrs dadurch zum Ausdruck gebracht, dass
das Postregal an der Grenze des Stadtrayons (Privatstadt-
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[123/0139] dieser Richtung erbrachte der (gleichzeitig mit der Aus- dehnung des Eisenbahnnetzes eingeführte) spekulative Gross- betrieb, für den das Gesetz des Massenumsatzes massge- bend ist. Es ist dies eine rein geschäftsmässige, auf der erfahrungsgemässen Ausgleichung von Tarifermässigungen durch die dadurch bedingte Frequenzsteigerung aufgebaute Kalkulation, in welcher aber nun wieder die politische Seite der Post zu tage tritt: die Post wird — da der mächtige Eisenbahnverkehr die Erkenntnis von der allgemein wirt- schaftlichen Produktivität der (Post-)Organisation vertieft — nicht mehr als ein blosses Mittel der Kriegsbereitschaft oder der Staatsverwaltung oder der Diplomatie, auch nicht mehr als ein nutzbares Regal (fiskale Auffassung der Do- manial-Eigenschaft) behandelt, dem Handel und Gewerbe Tribut schuldig sind, sondern sie wird als ein gemeinnütziges Werkzeug der Förderung der Steuer- und Produktionskraft eines Volkes erkannt und gewertet. Vermöge dieser neu- zeitlichen Auffassung hängt die geschichtliche Darstellung mit der Tarifpolitik und der juristischen Abgrenzung des Regals (z. B. gegenüber dem Telephon oder der Stadt- post) zusammen. Wie vielerlei Gestalten der Begriff der »Post« anzu- nehmen fähig ist, zeigt sich namentlich bei der juristischen Interpretation dessen, was alles das ehemals Taxis’sche Regal angeblich in sich begriffen hat. Derselbe Begriff, welcher identisch mit der Aufstellung von Staffettenreitern (durch Pyrrhus oder Jul. Cäsar) genommen wird, soll ander- seits auch sämtliche Verkehranstalten, bis herab zum neuesten Telephon, und auch sämtliche Objekte und Funktionen der Post umfassen, welche erst in jüngster Zeit dazu gekommen sind. Demgegenüber wird zunächst der Unterschied des Nahe- und Fernverkehrs dadurch zum Ausdruck gebracht, dass das Postregal an der Grenze des Stadtrayons (Privatstadt- post) Halt gemacht hat. Sodann bringt auch die verschie-

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/139>, abgerufen am 21.11.2024.