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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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Auch noch in ihrer primitiveren Form als Alarm-
dienst ist schon an sich die Post nur denkbar für die römische
Kaiserzeit, als in Italien und später in Gallien die Geld-
wirtschaft aufkam und die politische Zentralisation strammer
ausgebildet wurde; sie ist nicht möglich zur Zeit Karls des
Grossen, und sie kann erst wieder aufkommen zur Zeit der
Renaissance, als sich ein grösseres Reise- und Korrespon-
denzbedürfnis zu entwickeln beginnt 1).

Erst im 16. Jahrh. findet sich die Vorausbestimmung
der Ankunfts- und Abfahrtszeit (des Kurses), sowie der
Tarife, einige Jahrzehnte später der Grossbetrieb, das un-
unterbrochene Ineinandergreifen des Routensystems, schliess-
lich die Erleichterung der Korrespondenz durch möglichste
Verbilligung (neben der Raschheit, Regelmässigkeit und
Sicherheit) der Beförderung. Naturgemäss aber ist das
komplizierte, systematisierte "Postwerk" der letzten Ent-
wickelungsstufe nach der Technik wie nach der Organi-
sation etwas wesentlich anderes als die ursprüngliche mili-
tärische Einteilung einer Route in Stationen. Wird doch
erst mit dem Aufkommen des marktwirtschaftlichen Gross-
betriebs der ursprüngliche Hof- (bezw. Korporations-)dienst
in eine gemeinwirtschaftliche Anstalt umgewandelt, und
für das "gemeine Wesen" eingerichtet. Wo aber diese
Vervollkommnung möglich ist, da muss sich der allgemeine
Verkehr (mit seinen Bedürfnissen wie mit seinen Mitteln)
viel intensiver entwickelt haben, als es im Altertum, etwa
von der spätrömischen Kaiserzeit abgesehen, der Fall war.

In der ersten Zeit kann nur auf Bestellung, allmählich

1) Damit sind alle die Mythen, wie von der Post des "total verschollenen
Urvolks der Inder", die 1892 von Haas, wie 60 Jahre früher von Matthias
(1832, S. 12--14) nacherzählt werden, von vornherein abgeschnitten; Haas
ist übrigens vor einigen Monaten noch durch einen Kollegen, einen Post-
direktor Nils Jacobson übertrumpft worden, der die Post der Urzeit zu
schildern sucht ("Die Post der Urzeit oder die Nachrichtenvermittelung vor
der Sündflut", Pfau, Leipzig 1892).

Auch noch in ihrer primitiveren Form als Alarm-
dienst ist schon an sich die Post nur denkbar für die römische
Kaiserzeit, als in Italien und später in Gallien die Geld-
wirtschaft aufkam und die politische Zentralisation strammer
ausgebildet wurde; sie ist nicht möglich zur Zeit Karls des
Grossen, und sie kann erst wieder aufkommen zur Zeit der
Renaissance, als sich ein grösseres Reise- und Korrespon-
denzbedürfnis zu entwickeln beginnt 1).

Erst im 16. Jahrh. findet sich die Vorausbestimmung
der Ankunfts- und Abfahrtszeit (des Kurses), sowie der
Tarife, einige Jahrzehnte später der Grossbetrieb, das un-
unterbrochene Ineinandergreifen des Routensystems, schliess-
lich die Erleichterung der Korrespondenz durch möglichste
Verbilligung (neben der Raschheit, Regelmässigkeit und
Sicherheit) der Beförderung. Naturgemäss aber ist das
komplizierte, systematisierte »Postwerk« der letzten Ent-
wickelungsstufe nach der Technik wie nach der Organi-
sation etwas wesentlich anderes als die ursprüngliche mili-
tärische Einteilung einer Route in Stationen. Wird doch
erst mit dem Aufkommen des marktwirtschaftlichen Gross-
betriebs der ursprüngliche Hof- (bezw. Korporations-)dienst
in eine gemeinwirtschaftliche Anstalt umgewandelt, und
für das »gemeine Wesen« eingerichtet. Wo aber diese
Vervollkommnung möglich ist, da muss sich der allgemeine
Verkehr (mit seinen Bedürfnissen wie mit seinen Mitteln)
viel intensiver entwickelt haben, als es im Altertum, etwa
von der spätrömischen Kaiserzeit abgesehen, der Fall war.

In der ersten Zeit kann nur auf Bestellung, allmählich

1) Damit sind alle die Mythen, wie von der Post des »total verschollenen
Urvolks der Inder«, die 1892 von Haas, wie 60 Jahre früher von Matthias
(1832, S. 12—14) nacherzählt werden, von vornherein abgeschnitten; Haas
ist übrigens vor einigen Monaten noch durch einen Kollegen, einen Post-
direktor Nils Jacobson übertrumpft worden, der die Post der Urzeit zu
schildern sucht (»Die Post der Urzeit oder die Nachrichtenvermittelung vor
der Sündflut«, Pfau, Leipzig 1892).
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[22/0038] Auch noch in ihrer primitiveren Form als Alarm- dienst ist schon an sich die Post nur denkbar für die römische Kaiserzeit, als in Italien und später in Gallien die Geld- wirtschaft aufkam und die politische Zentralisation strammer ausgebildet wurde; sie ist nicht möglich zur Zeit Karls des Grossen, und sie kann erst wieder aufkommen zur Zeit der Renaissance, als sich ein grösseres Reise- und Korrespon- denzbedürfnis zu entwickeln beginnt 1). Erst im 16. Jahrh. findet sich die Vorausbestimmung der Ankunfts- und Abfahrtszeit (des Kurses), sowie der Tarife, einige Jahrzehnte später der Grossbetrieb, das un- unterbrochene Ineinandergreifen des Routensystems, schliess- lich die Erleichterung der Korrespondenz durch möglichste Verbilligung (neben der Raschheit, Regelmässigkeit und Sicherheit) der Beförderung. Naturgemäss aber ist das komplizierte, systematisierte »Postwerk« der letzten Ent- wickelungsstufe nach der Technik wie nach der Organi- sation etwas wesentlich anderes als die ursprüngliche mili- tärische Einteilung einer Route in Stationen. Wird doch erst mit dem Aufkommen des marktwirtschaftlichen Gross- betriebs der ursprüngliche Hof- (bezw. Korporations-)dienst in eine gemeinwirtschaftliche Anstalt umgewandelt, und für das »gemeine Wesen« eingerichtet. Wo aber diese Vervollkommnung möglich ist, da muss sich der allgemeine Verkehr (mit seinen Bedürfnissen wie mit seinen Mitteln) viel intensiver entwickelt haben, als es im Altertum, etwa von der spätrömischen Kaiserzeit abgesehen, der Fall war. In der ersten Zeit kann nur auf Bestellung, allmählich 1) Damit sind alle die Mythen, wie von der Post des »total verschollenen Urvolks der Inder«, die 1892 von Haas, wie 60 Jahre früher von Matthias (1832, S. 12—14) nacherzählt werden, von vornherein abgeschnitten; Haas ist übrigens vor einigen Monaten noch durch einen Kollegen, einen Post- direktor Nils Jacobson übertrumpft worden, der die Post der Urzeit zu schildern sucht (»Die Post der Urzeit oder die Nachrichtenvermittelung vor der Sündflut«, Pfau, Leipzig 1892).

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/38>, abgerufen am 27.04.2024.