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Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893.

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recht zu erhalten. Noch mehr gilt das von dem anatolisch-
byzantinischen Reiche, bezüglich dessen allerdings noch
keine Belege über diesen Punkt aufgefunden worden sind.
Ueber das weitere Schicksal der Fiskalpost wird die je-
weilige Politik und Finanzlage entschieden haben: sie wurde
wohl, als die Finanzmittel nicht mehr ausreichten, immer
mehr eingeschränkt, bis sie im 6./7. Jahrhundert wegen
Geldmangels -- ähnlich wie 1570 die Taxis'sche Post --
einschlief.

Nachdem die Fiskal-Anstalt eingegangen war, erhielt
sich bei den Vandalen, Merowingern und Longobarden um
so fester die andere Seite des Cursus publicus, nämlich die
Verpflichtung für Vorspann und Beherbergung der könig-
lichen Kouriere, die evectio publica, welche auch der ger-
manischen Rechtsanschauung entsprach.

Nach allgemeiner Ansicht soll der "Cursus publicus" in
Frankreich fortgelebt haben; ordnet doch z. B. Dagobert I
für Neustrien an "angarias cum carro faciant usque 50 leucas,
amplius non minentur
" (Berluze, Capitul.Reg. Franc,
1677 t. II, p. 14).

Fast allgemein (s. unt. Anlage IV) werden diese An-
ordnungen in Verbindung gebracht mit dem römischen
"Cursus publicus", auf Grund einer total verfehlten Vor-
stellung von letzterem ein Luftgebilde aufgebaut und Da-
gobert I. und Karl dem Grossem (ja sogar schon Chlod-
wig) -- ähnlich wie später Franz von Taxis -- der Plan
von Kourierstrassen (Matthias, 1832 I. Bd.) oder
gar einer Postorganisation zugeschrieben.

Thatsächlich liegt nichts anderes vor, als dass die Ge-
rechtsame der römischen Kaiser auf die Leistung des Vor-
spanns als Pflicht der Unterthanen, als altes Herkommen
("fuit consuetudo 1)") haften blieben, und (mit dem Heerbann

1) "Dominantibus in Italia Gothis nihil de ejusmodi more immutatum"
Muratori, Antiqu. Ital. medii aevi, II. 29.

recht zu erhalten. Noch mehr gilt das von dem anatolisch-
byzantinischen Reiche, bezüglich dessen allerdings noch
keine Belege über diesen Punkt aufgefunden worden sind.
Ueber das weitere Schicksal der Fiskalpost wird die je-
weilige Politik und Finanzlage entschieden haben: sie wurde
wohl, als die Finanzmittel nicht mehr ausreichten, immer
mehr eingeschränkt, bis sie im 6./7. Jahrhundert wegen
Geldmangels — ähnlich wie 1570 die Taxis’sche Post —
einschlief.

Nachdem die Fiskal-Anstalt eingegangen war, erhielt
sich bei den Vandalen, Merowingern und Longobarden um
so fester die andere Seite des Cursus publicus, nämlich die
Verpflichtung für Vorspann und Beherbergung der könig-
lichen Kouriere, die evectio publica, welche auch der ger-
manischen Rechtsanschauung entsprach.

Nach allgemeiner Ansicht soll der »Cursus publicus« in
Frankreich fortgelebt haben; ordnet doch z. B. Dagobert I
für Neustrien an »angarias cum carro faciant usque 50 leucas,
amplius non minentur
« (Berluze, Capitul.Reg. Franc,
1677 t. II, p. 14).

Fast allgemein (s. unt. Anlage IV) werden diese An-
ordnungen in Verbindung gebracht mit dem römischen
»Cursus publicus«, auf Grund einer total verfehlten Vor-
stellung von letzterem ein Luftgebilde aufgebaut und Da-
gobert I. und Karl dem Grossem (ja sogar schon Chlod-
wig) — ähnlich wie später Franz von Taxis — der Plan
von Kourierstrassen (Matthias, 1832 I. Bd.) oder
gar einer Postorganisation zugeschrieben.

Thatsächlich liegt nichts anderes vor, als dass die Ge-
rechtsame der römischen Kaiser auf die Leistung des Vor-
spanns als Pflicht der Unterthanen, als altes Herkommen
(»fuit consuetudo 1)«) haften blieben, und (mit dem Heerbann

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Muratori, Antiqu. Ital. medii aevi, II. 29.
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[47/0063] recht zu erhalten. Noch mehr gilt das von dem anatolisch- byzantinischen Reiche, bezüglich dessen allerdings noch keine Belege über diesen Punkt aufgefunden worden sind. Ueber das weitere Schicksal der Fiskalpost wird die je- weilige Politik und Finanzlage entschieden haben: sie wurde wohl, als die Finanzmittel nicht mehr ausreichten, immer mehr eingeschränkt, bis sie im 6./7. Jahrhundert wegen Geldmangels — ähnlich wie 1570 die Taxis’sche Post — einschlief. Nachdem die Fiskal-Anstalt eingegangen war, erhielt sich bei den Vandalen, Merowingern und Longobarden um so fester die andere Seite des Cursus publicus, nämlich die Verpflichtung für Vorspann und Beherbergung der könig- lichen Kouriere, die evectio publica, welche auch der ger- manischen Rechtsanschauung entsprach. Nach allgemeiner Ansicht soll der »Cursus publicus« in Frankreich fortgelebt haben; ordnet doch z. B. Dagobert I für Neustrien an »angarias cum carro faciant usque 50 leucas, amplius non minentur« (Berluze, Capitul.Reg. Franc, 1677 t. II, p. 14). Fast allgemein (s. unt. Anlage IV) werden diese An- ordnungen in Verbindung gebracht mit dem römischen »Cursus publicus«, auf Grund einer total verfehlten Vor- stellung von letzterem ein Luftgebilde aufgebaut und Da- gobert I. und Karl dem Grossem (ja sogar schon Chlod- wig) — ähnlich wie später Franz von Taxis — der Plan von Kourierstrassen (Matthias, 1832 I. Bd.) oder gar einer Postorganisation zugeschrieben. Thatsächlich liegt nichts anderes vor, als dass die Ge- rechtsame der römischen Kaiser auf die Leistung des Vor- spanns als Pflicht der Unterthanen, als altes Herkommen (»fuit consuetudo 1)«) haften blieben, und (mit dem Heerbann 1) »Dominantibus in Italia Gothis nihil de ejusmodi more immutatum« Muratori, Antiqu. Ital. medii aevi, II. 29.

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Zitationshilfe: Huber, Franz C.: Die Geschichtliche Entwickelung des modernen Verkehrs. Tübingen, 1893, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_verkehr_1893/63>, abgerufen am 21.11.2024.