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Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696.

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denjenigen nicht Beyfall geben/ welche den
Reimen gar keine Krafft zuschreiben:
Denn dieselbigen sündigen in Defectu.

LXXI. Jch kan es auch mit denen nicht
halten/ die alle Schönheit der Verse in den
Reimen suchen: Denn die sündigen in ex-
cessu.

LXXII. Drum stehet mir dieser Vers
nicht an/ da der Autor gar keinen Fleiß an
die Rhythmos gewendet hat:

Was wil man lange gar viel lernen/
Es ist mit aller Kunst umsonst:
Denn bey den Fürsten und den Herren
Geht alles nach der blossen Gunst:
Wenn einer kan schmarutzrisch thun/
So trägt er bald ein Amt davon.

LXXIII. Und diesen kan ich auch nicht ad-
mirir
en/ ob ich gleich an den Reimen nichts
zu tadeln finde:

So bald ein junger Mensch am Morgen
Aus seinem Bette kommen ist;
So soll er erstlich davor sorgen
Daß er den Morgen-Segen list/
Und wenn er das nicht hat vergessen/
So mag er ein gut Frühstück essen.

LXXIV. Endlich kan ich auch den nach-
folgenden nicht loben: Denn obgleich die
contenta so uneben nicht sind: so hat doch
der Autor allzu grossen Fleiß auf die Rhyth-
mos
gewendet/ daß man so zu reden vor den
Reimen die Verse nicht sehen kan.

Die

denjenigen nicht Beyfall geben/ welche den
Reimen gar keine Krafft zuſchreiben:
Denn dieſelbigen ſuͤndigen in Defectu.

LXXI. Jch kan es auch mit denen nicht
halten/ die alle Schoͤnheit der Verſe in den
Reimen ſuchen: Denn die ſuͤndigen in ex-
ceſſu.

LXXII. Drum ſtehet mir dieſer Vers
nicht an/ da der Autor gar keinen Fleiß an
die Rhythmos gewendet hat:

Was wil man lange gar viel lernen/
Es iſt mit aller Kunſt umſonſt:
Denn bey den Fuͤrſten und den Herren
Geht alles nach der bloſſen Gunſt:
Wenn einer kan ſchmarutzriſch thun/
So traͤgt er bald ein Amt davon.

LXXIII. Und dieſen kan ich auch nicht ad-
mirir
en/ ob ich gleich an den Reimen nichts
zu tadeln finde:

So bald ein junger Menſch am Morgen
Aus ſeinem Bette kommen iſt;
So ſoll er erſtlich davor ſorgen
Daß er den Morgen-Segen liſt/
Und wenn er das nicht hat vergeſſen/
So mag er ein gut Fruͤhſtuͤck eſſen.

LXXIV. Endlich kan ich auch den nach-
folgenden nicht loben: Denn obgleich die
contenta ſo uneben nicht ſind: ſo hat doch
der Autor allzu groſſen Fleiß auf die Rhyth-
mos
gewendet/ daß man ſo zu reden vor den
Reimen die Verſe nicht ſehen kan.

Die
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[32/0036] denjenigen nicht Beyfall geben/ welche den Reimen gar keine Krafft zuſchreiben: Denn dieſelbigen ſuͤndigen in Defectu. LXXI. Jch kan es auch mit denen nicht halten/ die alle Schoͤnheit der Verſe in den Reimen ſuchen: Denn die ſuͤndigen in ex- ceſſu. LXXII. Drum ſtehet mir dieſer Vers nicht an/ da der Autor gar keinen Fleiß an die Rhythmos gewendet hat: Was wil man lange gar viel lernen/ Es iſt mit aller Kunſt umſonſt: Denn bey den Fuͤrſten und den Herren Geht alles nach der bloſſen Gunſt: Wenn einer kan ſchmarutzriſch thun/ So traͤgt er bald ein Amt davon. LXXIII. Und dieſen kan ich auch nicht ad- miriren/ ob ich gleich an den Reimen nichts zu tadeln finde: So bald ein junger Menſch am Morgen Aus ſeinem Bette kommen iſt; So ſoll er erſtlich davor ſorgen Daß er den Morgen-Segen liſt/ Und wenn er das nicht hat vergeſſen/ So mag er ein gut Fruͤhſtuͤck eſſen. LXXIV. Endlich kan ich auch den nach- folgenden nicht loben: Denn obgleich die contenta ſo uneben nicht ſind: ſo hat doch der Autor allzu groſſen Fleiß auf die Rhyth- mos gewendet/ daß man ſo zu reden vor den Reimen die Verſe nicht ſehen kan. Die

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Zitationshilfe: Hübner, Johann: Poetisches Handbuch. Leipzig, 1696, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huebner_handbuch_1696/36>, abgerufen am 29.04.2024.