Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite
Je mehr ein Körper Organe zur
Aufnahme, Entwicklung und Ver-
arbeitung mannigfaltiger Einflüsse
und Kräfte hat, desto reicher und
vollkommner ist seine Existenz.
Hierin liegt der Hauptbegriff von
Lebenskapacität. Nur das existirt
für uns, wofür wir Sinne oder Or-
gane haben, es aufzunehmen und
zu benutzen; und je mehr wir also
derselben haben, desto mehr leben
wir. Das Thier, das keine Lungen
hat, kann in der reinsten Lebens-
luft leben, und es wird dennoch
keine Wärme, kein Lebensprincip
daraus erhalten, bloss weil es kein
Organ dafür hat. Der Verschnitte-
ne geniesst eben die Nahrungsmit-
tel, lebt unter eben den Einflüssen,
hat das nehmliche Blut, wie der
Unverschnittene, dessen ungeach-
tet fehlt ihm sowohl die Kraft als
Materie der Generation, sowohl die
physische als moralische Mannskraft,
weil er keine Organe zu ihrer
Je mehr ein Körper Organe zur
Aufnahme, Entwicklung und Ver-
arbeitung mannigfaltiger Einflüſſe
und Kräfte hat, deſto reicher und
vollkommner iſt ſeine Exiſtenz.
Hierin liegt der Hauptbegriff von
Lebenskapacität. Nur das exiſtirt
für uns, wofür wir Sinne oder Or-
gane haben, es aufzunehmen und
zu benutzen; und je mehr wir alſo
derſelben haben, deſto mehr leben
wir. Das Thier, das keine Lungen
hat, kann in der reinſten Lebens-
luft leben, und es wird dennoch
keine Wärme, kein Lebensprincip
daraus erhalten, bloſs weil es kein
Organ dafür hat. Der Verſchnitte-
ne genieſst eben die Nahrungsmit-
tel, lebt unter eben den Einflüſſen,
hat das nehmliche Blut, wie der
Unverſchnittene, deſſen ungeach-
tet fehlt ihm ſowohl die Kraft als
Materie der Generation, ſowohl die
phyſiſche als moraliſche Mannskraft,
weil er keine Organe zu ihrer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <list>
              <item>
                <pb facs="#f0273" n="245"/> <hi rendition="#et">Je mehr ein Körper Organe zur<lb/>
Aufnahme, Entwicklung und Ver-<lb/>
arbeitung mannigfaltiger Einflü&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und Kräfte hat, de&#x017F;to reicher und<lb/>
vollkommner i&#x017F;t &#x017F;eine Exi&#x017F;tenz.<lb/>
Hierin liegt der Hauptbegriff von<lb/>
Lebenskapacität. Nur <hi rendition="#i">das</hi> exi&#x017F;tirt<lb/>
für uns, wofür wir Sinne oder Or-<lb/>
gane haben, es aufzunehmen und<lb/>
zu benutzen; und je mehr wir al&#x017F;o<lb/>
der&#x017F;elben haben, de&#x017F;to mehr leben<lb/>
wir. Das Thier, das keine Lungen<lb/>
hat, kann in der rein&#x017F;ten Lebens-<lb/>
luft leben, und es wird dennoch<lb/>
keine Wärme, kein Lebensprincip<lb/>
daraus erhalten, blo&#x017F;s weil es kein<lb/>
Organ dafür hat. Der Ver&#x017F;chnitte-<lb/>
ne genie&#x017F;st eben die Nahrungsmit-<lb/>
tel, lebt unter eben den Einflü&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
hat das nehmliche Blut, wie der<lb/>
Unver&#x017F;chnittene, de&#x017F;&#x017F;en ungeach-<lb/>
tet fehlt ihm &#x017F;owohl die Kraft als<lb/>
Materie der Generation, &#x017F;owohl die<lb/>
phy&#x017F;i&#x017F;che als morali&#x017F;che Mannskraft,<lb/>
weil er keine Organe zu ihrer<lb/></hi> </item>
            </list>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0273] Je mehr ein Körper Organe zur Aufnahme, Entwicklung und Ver- arbeitung mannigfaltiger Einflüſſe und Kräfte hat, deſto reicher und vollkommner iſt ſeine Exiſtenz. Hierin liegt der Hauptbegriff von Lebenskapacität. Nur das exiſtirt für uns, wofür wir Sinne oder Or- gane haben, es aufzunehmen und zu benutzen; und je mehr wir alſo derſelben haben, deſto mehr leben wir. Das Thier, das keine Lungen hat, kann in der reinſten Lebens- luft leben, und es wird dennoch keine Wärme, kein Lebensprincip daraus erhalten, bloſs weil es kein Organ dafür hat. Der Verſchnitte- ne genieſst eben die Nahrungsmit- tel, lebt unter eben den Einflüſſen, hat das nehmliche Blut, wie der Unverſchnittene, deſſen ungeach- tet fehlt ihm ſowohl die Kraft als Materie der Generation, ſowohl die phyſiſche als moraliſche Mannskraft, weil er keine Organe zu ihrer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/273
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/273>, abgerufen am 01.06.2024.