schon ausgebrochne Krankheiten zu hei- len. Ein gewisser Herodicus gieng so weit, dass er sogar seine Patienten nö- thigte spazieren zu gehen, sich reiben zu lassen, und, jemehr die Kran[k]heit ab- mattete, desto mehr durch Anstrengung der Muskelkräfte diese Mattigkeit zu überwältigen; und er hatte das Glück, durch seine Methode so vielen schwäch- lichen Menschen das Leben viele Jahre zu verlängern, dass ihm sogar Plato den Vorwurf macht, er habe sehr ungerecht gegen diese armen Leute gehandelt, durch seine Kunst ihr immer sterbendes Leben bis ins Alter zu verlängern. Die hellsten und naturgemässesten Ideen über die Erhaltung und Verlängerung des Lebens finden wir beym Plutarch, der durch das glücklichste Alter die Wahrheit seiner Vorschriften bestätigte. Schon er schliesst seinen Unterricht mit folgenden auch für unsere Zeiten gülti- gen Regeln: den Ko[p]f kalt und die Füsse warm zu halten, anstatt bey jeder Un- pässlichkeit gleich Arzneyen zu brau-
ſchon ausgebrochne Krankheiten zu hei- len. Ein gewiſſer Herodicus gieng ſo weit, daſs er ſogar ſeine Patienten nö- thigte ſpazieren zu gehen, ſich reiben zu laſſen, und, jemehr die Kran[k]heit ab- mattete, deſto mehr durch Anſtrengung der Muſkelkräfte dieſe Mattigkeit zu überwältigen; und er hatte das Glück, durch ſeine Methode ſo vielen ſchwäch- lichen Menſchen das Leben viele Jahre zu verlängern, daſs ihm ſogar Plato den Vorwurf macht, er habe ſehr ungerecht gegen dieſe armen Leute gehandelt, durch ſeine Kunſt ihr immer ſterbendes Leben bis ins Alter zu verlängern. Die hellſten und naturgemäſſeſten Ideen über die Erhaltung und Verlängerung des Lebens finden wir beym Plutarch, der durch das glücklichſte Alter die Wahrheit ſeiner Vorſchriften beſtätigte. Schon er ſchlieſst ſeinen Unterricht mit folgenden auch für unſere Zeiten gülti- gen Regeln: den Ko[p]f kalt und die Füſse warm zu halten, anſtatt bey jeder Un- päſslichkeit gleich Arzneyen zu brau-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0037"n="9"/>ſchon ausgebrochne Krankheiten zu hei-<lb/>
len. Ein gewiſſer <hirendition="#i">Herodicus</hi> gieng ſo<lb/>
weit, daſs er ſogar ſeine Patienten nö-<lb/>
thigte ſpazieren zu gehen, ſich reiben<lb/>
zu laſſen, und, jemehr die Kran<supplied>k</supplied>heit ab-<lb/>
mattete, deſto mehr durch Anſtrengung<lb/>
der Muſkelkräfte dieſe Mattigkeit zu<lb/>
überwältigen; und er hatte das Glück,<lb/>
durch ſeine Methode ſo vielen ſchwäch-<lb/>
lichen Menſchen das Leben viele Jahre<lb/>
zu verlängern, daſs ihm ſogar Plato den<lb/>
Vorwurf macht, er habe ſehr ungerecht<lb/>
gegen dieſe armen Leute gehandelt,<lb/>
durch ſeine Kunſt ihr immer ſterbendes<lb/>
Leben bis ins Alter zu verlängern.<lb/>
Die hellſten und naturgemäſſeſten Ideen<lb/>
über die Erhaltung und Verlängerung<lb/>
des Lebens finden wir beym Plutarch,<lb/>
der durch das glücklichſte Alter die<lb/>
Wahrheit ſeiner Vorſchriften beſtätigte.<lb/>
Schon er ſchlieſst ſeinen Unterricht mit<lb/>
folgenden auch für unſere Zeiten gülti-<lb/>
gen Regeln: den Ko<supplied>p</supplied>f kalt und die Füſse<lb/>
warm zu halten, anſtatt bey jeder Un-<lb/>
päſslichkeit gleich Arzneyen zu brau-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[9/0037]
ſchon ausgebrochne Krankheiten zu hei-
len. Ein gewiſſer Herodicus gieng ſo
weit, daſs er ſogar ſeine Patienten nö-
thigte ſpazieren zu gehen, ſich reiben
zu laſſen, und, jemehr die Krankheit ab-
mattete, deſto mehr durch Anſtrengung
der Muſkelkräfte dieſe Mattigkeit zu
überwältigen; und er hatte das Glück,
durch ſeine Methode ſo vielen ſchwäch-
lichen Menſchen das Leben viele Jahre
zu verlängern, daſs ihm ſogar Plato den
Vorwurf macht, er habe ſehr ungerecht
gegen dieſe armen Leute gehandelt,
durch ſeine Kunſt ihr immer ſterbendes
Leben bis ins Alter zu verlängern.
Die hellſten und naturgemäſſeſten Ideen
über die Erhaltung und Verlängerung
des Lebens finden wir beym Plutarch,
der durch das glücklichſte Alter die
Wahrheit ſeiner Vorſchriften beſtätigte.
Schon er ſchlieſst ſeinen Unterricht mit
folgenden auch für unſere Zeiten gülti-
gen Regeln: den Kopf kalt und die Füſse
warm zu halten, anſtatt bey jeder Un-
päſslichkeit gleich Arzneyen zu brau-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/37>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.