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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

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eigentlich bestreiten kann. Denn es ist
ein sehr gewöhnlicher Fehler, dass man
den Gaumenappetit nicht vom Magen-
appetit unterscheidet, und das für Ma-
genappetit hält, was eigentlich nur Gau-
menkitzel ist, und eben diese Verwech-
selung wird durch nichts mehr begün-
stigt, als durch diese rassinirte Kochkunst.
Der Mensch verliert dadurch am Ende
eine der grössten Schutzwehren seiner.
Gesundheit, die Eigenschaft zu wissen,
wenn er genug hat.

3. Eine Hauptmaxime dieser Kunst
besteht endlich darinne, durch die über-
häuftesten und unnatürlichsten Zusam-
mensetzungen ganz neue Schöpfungen
und neue Reize hervorzubringen. Und
daraus entsteht, dass Dinge, wel-
che, jedes für sich, äusserst unschuldig
und unschädlich wären, nun durch die
Verbindung ganz neue und nachtheilige
Eigenschaften bekommen. Sauer und
süss z. B. schadet, jedes einzeln genom-
men, nichts; hingegen zugleich genos-

eigentlich beſtreiten kann. Denn es iſt
ein ſehr gewöhnlicher Fehler, daſs man
den Gaumenappetit nicht vom Magen-
appetit unterſcheidet, und das für Ma-
genappetit hält, was eigentlich nur Gau-
menkitzel iſt, und eben dieſe Verwech-
ſelung wird durch nichts mehr begün-
ſtigt, als durch dieſe raſſinirte Kochkunſt.
Der Menſch verliert dadurch am Ende
eine der gröſsten Schutzwehren ſeiner.
Geſundheit, die Eigenſchaft zu wiſſen,
wenn er genug hat.

3. Eine Hauptmaxime dieſer Kunſt
beſteht endlich darinne, durch die über-
häufteſten und unnatürlichſten Zuſam-
menſetzungen ganz neue Schöpfungen
und neue Reize hervorzubringen. Und
daraus entſteht, daſs Dinge, wel-
che, jedes für ſich, äuſſerſt unſchuldig
und unſchädlich wären, nun durch die
Verbindung ganz neue und nachtheilige
Eigenſchaften bekommen. Sauer und
ſüſs z. B. ſchadet, jedes einzeln genom-
men, nichts; hingegen zugleich genoſ-

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[380/0408] eigentlich beſtreiten kann. Denn es iſt ein ſehr gewöhnlicher Fehler, daſs man den Gaumenappetit nicht vom Magen- appetit unterſcheidet, und das für Ma- genappetit hält, was eigentlich nur Gau- menkitzel iſt, und eben dieſe Verwech- ſelung wird durch nichts mehr begün- ſtigt, als durch dieſe raſſinirte Kochkunſt. Der Menſch verliert dadurch am Ende eine der gröſsten Schutzwehren ſeiner. Geſundheit, die Eigenſchaft zu wiſſen, wenn er genug hat. 3. Eine Hauptmaxime dieſer Kunſt beſteht endlich darinne, durch die über- häufteſten und unnatürlichſten Zuſam- menſetzungen ganz neue Schöpfungen und neue Reize hervorzubringen. Und daraus entſteht, daſs Dinge, wel- che, jedes für ſich, äuſſerſt unſchuldig und unſchädlich wären, nun durch die Verbindung ganz neue und nachtheilige Eigenſchaften bekommen. Sauer und ſüſs z. B. ſchadet, jedes einzeln genom- men, nichts; hingegen zugleich genoſ-

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Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/408>, abgerufen am 22.11.2024.