gefährlicher Zustand. Weikard*) erzählt das Beyspiel eines Kindes, welches von sehr armen Eltern erzeugt war, die ihr Brod mit Tagelohn verdienen mussten. Das Schicksal dieses Kindes also, von seiner Geburt an, war lange Weile. An- fangs liessen es die Eltern allein in seiner Wiege liegen, wo es seine Zeit damit zu- brachte, seine Hände und Füsse anzuse- hen. Da es grösser wurde, wurde es jederzeit in einen Hühnerstall einge- sperrt, wo es nur durch ein Loch ein wenig heraussehen konnte. Was war die Folge? Das Kind blieb bis in sein erwachsenes Alter dumm und blöde, hatte keinen Verstand, und konnte kaum sprechen.
Ja, ihre Wirkungen sind noch ärger. Bey einem melancholischen Tempera-
*) In einem Werke, das gewiss eine Menge seiner Mitbrüder überleben wird, und auch hier die grösste Empfehlung verdient: Weikards Philo- sophischer Arzt.
gefährlicher Zuſtand. Weikard*) erzählt das Beyſpiel eines Kindes, welches von ſehr armen Eltern erzeugt war, die ihr Brod mit Tagelohn verdienen muſsten. Das Schickſal dieſes Kindes alſo, von ſeiner Geburt an, war lange Weile. An- fangs lieſsen es die Eltern allein in ſeiner Wiege liegen, wo es ſeine Zeit damit zu- brachte, ſeine Hände und Füſse anzuſe- hen. Da es gröſser wurde, wurde es jederzeit in einen Hühnerſtall einge- ſperrt, wo es nur durch ein Loch ein wenig herausſehen konnte. Was war die Folge? Das Kind blieb bis in ſein erwachſenes Alter dumm und blöde, hatte keinen Verſtand, und konnte kaum ſprechen.
Ja, ihre Wirkungen ſind noch ärger. Bey einem melancholiſchen Tempera-
*) In einem Werke, das gewiſs eine Menge ſeiner Mitbrüder überleben wird, und auch hier die gröſste Empfehlung verdient: Weikards Philo- ſophiſcher Arzt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0432"n="404"/>
gefährlicher Zuſtand. <hirendition="#i">Weikard</hi><noteplace="foot"n="*)">In einem Werke, das gewiſs eine Menge ſeiner<lb/>
Mitbrüder überleben wird, und auch hier die<lb/>
gröſste Empfehlung verdient: <hirendition="#i">Weikards Philo-<lb/>ſophiſcher Arzt</hi>.</note> erzählt<lb/>
das Beyſpiel eines Kindes, welches von<lb/>ſehr armen Eltern erzeugt war, die ihr<lb/>
Brod mit Tagelohn verdienen muſsten.<lb/>
Das Schickſal dieſes Kindes alſo, von<lb/>ſeiner Geburt an, war lange Weile. An-<lb/>
fangs lieſsen es die Eltern allein in ſeiner<lb/>
Wiege liegen, wo es ſeine Zeit damit zu-<lb/>
brachte, ſeine Hände und Füſse anzuſe-<lb/>
hen. Da es gröſser wurde, wurde es<lb/>
jederzeit in einen Hühnerſtall einge-<lb/>ſperrt, wo es nur durch ein Loch ein<lb/>
wenig herausſehen konnte. Was war<lb/>
die Folge? Das Kind blieb bis in ſein<lb/>
erwachſenes Alter dumm und blöde, hatte<lb/>
keinen Verſtand, und konnte kaum<lb/>ſprechen.</p><lb/><p>Ja, ihre Wirkungen ſind noch ärger.<lb/>
Bey einem melancholiſchen Tempera-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[404/0432]
gefährlicher Zuſtand. Weikard *) erzählt
das Beyſpiel eines Kindes, welches von
ſehr armen Eltern erzeugt war, die ihr
Brod mit Tagelohn verdienen muſsten.
Das Schickſal dieſes Kindes alſo, von
ſeiner Geburt an, war lange Weile. An-
fangs lieſsen es die Eltern allein in ſeiner
Wiege liegen, wo es ſeine Zeit damit zu-
brachte, ſeine Hände und Füſse anzuſe-
hen. Da es gröſser wurde, wurde es
jederzeit in einen Hühnerſtall einge-
ſperrt, wo es nur durch ein Loch ein
wenig herausſehen konnte. Was war
die Folge? Das Kind blieb bis in ſein
erwachſenes Alter dumm und blöde, hatte
keinen Verſtand, und konnte kaum
ſprechen.
Ja, ihre Wirkungen ſind noch ärger.
Bey einem melancholiſchen Tempera-
*) In einem Werke, das gewiſs eine Menge ſeiner
Mitbrüder überleben wird, und auch hier die
gröſste Empfehlung verdient: Weikards Philo-
ſophiſcher Arzt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/432>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.