ment kann Längeweile allein endlich zum Selbstmorde führen. Ein trockner Schriftsteller hatte ein sehr weitläufiges Werk vom Selbstmord geschrieben. Er begegnete einst einem andern Engländer, der alle Zeichen des grössten Tiefsinns an sich trug. Wo wollen Sie hin, mein Freund? sagte der Autor. -- Nach der Themse, um mich zu ersäufen. -- O, so bitte ich Sie, erwiderte der Autor, gehen Sie nur noch diessmal wieder nach Hause und lesen Sie erst mein Werk über den Selbstmord. -- Gott soll mich bewahren, antwortete jener, eben das Durchlesen dieses verwünscht langwei- ligen Buchs hat mir einen so entsezli- chen Verdruss erweckt, dass ich nun fest entschlossen bin, mich zu ersäufen.
Aber, was in aller Welt ist das Mittel gegen die lange Weile, höre ich fragen; sie begleitet uns auf den Ball, ins Schau- spielhaus, an den Theetisch, auf die Promenade, genug, nirgends mehr kann man sich vor ihr retten? -- Sehr
ment kann Längeweile allein endlich zum Selbſtmorde führen. Ein trockner Schriftſteller hatte ein ſehr weitläufiges Werk vom Selbſtmord geſchrieben. Er begegnete einſt einem andern Engländer, der alle Zeichen des gröſsten Tiefſinns an ſich trug. Wo wollen Sie hin, mein Freund? ſagte der Autor. — Nach der Themſe, um mich zu erſäufen. — O, ſo bitte ich Sie, erwiderte der Autor, gehen Sie nur noch dieſsmal wieder nach Hauſe und leſen Sie erſt mein Werk über den Selbſtmord. — Gott ſoll mich bewahren, antwortete jener, eben das Durchleſen dieſes verwünſcht langwei- ligen Buchs hat mir einen ſo entſezli- chen Verdruſs erweckt, daſs ich nun feſt entſchloſſen bin, mich zu erſäufen.
Aber, was in aller Welt iſt das Mittel gegen die lange Weile, höre ich fragen; ſie begleitet uns auf den Ball, ins Schau- ſpielhaus, an den Theetiſch, auf die Promenade, genug, nirgends mehr kann man ſich vor ihr retten? — Sehr
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[405/0433]
ment kann Längeweile allein endlich
zum Selbſtmorde führen. Ein trockner
Schriftſteller hatte ein ſehr weitläufiges
Werk vom Selbſtmord geſchrieben. Er
begegnete einſt einem andern Engländer,
der alle Zeichen des gröſsten Tiefſinns
an ſich trug. Wo wollen Sie hin, mein
Freund? ſagte der Autor. — Nach der
Themſe, um mich zu erſäufen. — O,
ſo bitte ich Sie, erwiderte der Autor,
gehen Sie nur noch dieſsmal wieder
nach Hauſe und leſen Sie erſt mein Werk
über den Selbſtmord. — Gott ſoll mich
bewahren, antwortete jener, eben das
Durchleſen dieſes verwünſcht langwei-
ligen Buchs hat mir einen ſo entſezli-
chen Verdruſs erweckt, daſs ich nun feſt
entſchloſſen bin, mich zu erſäufen.
Aber, was in aller Welt iſt das Mittel
gegen die lange Weile, höre ich fragen;
ſie begleitet uns auf den Ball, ins Schau-
ſpielhaus, an den Theetiſch, auf die
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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