kann hierinn durch Gewohnheit er- staunlich viel über sich erhalten. Ich kenne keine üblere Gewohnheit als die, im Bett zu studiren und mit dem Buche einzuschlafen. Man sezt dadurch die Seele in Thätigkeit, ge- rade in dem Zeitpunct, wo alles darauf ankommt, sie völlig ruhen zu lassen, und es ist natürlich, dass nun diese aufge- weckten Ideen die ganze Nacht hindurch im Kopfe herumspuken, und immer fortbearbeitet werden. Es ist nicht ge- nug, physisch zu schlafen, auch der gei- stige Mensch muss schlafen. Ein solcher Schlaf ist eben so unzureichend, als der entgegengesezte Fall, wenn blos unser Geistiges aber nicht unser Körperliches schläft; z. E. das Schlafen in einem er- schütternden Wagen, auf Reisen.
6. Hierbey muss ich noch eines be- sondern Umstandes erwähnen. Es glaubt nehmlich mancher, es sey völlig einer- ley, wenn man diese 7 Stunden schliefe, ob des Tags oder des Nachts. Man über- lässt sich also Abends so lange wie mög-
kann hierinn durch Gewohnheit er- ſtaunlich viel über ſich erhalten. Ich kenne keine üblere Gewohnheit als die, im Bett zu ſtudiren und mit dem Buche einzuſchlafen. Man ſezt dadurch die Seele in Thätigkeit, ge- rade in dem Zeitpunct, wo alles darauf ankommt, ſie völlig ruhen zu laſſen, und es iſt natürlich, daſs nun dieſe aufge- weckten Ideen die ganze Nacht hindurch im Kopfe herumſpuken, und immer fortbearbeitet werden. Es iſt nicht ge- nug, phyſiſch zu ſchlafen, auch der gei- ſtige Menſch muſs ſchlafen. Ein ſolcher Schlaf iſt eben ſo unzureichend, als der entgegengeſezte Fall, wenn blos unſer Geiſtiges aber nicht unſer Körperliches ſchläft; z. E. das Schlafen in einem er- ſchütternden Wagen, auf Reiſen.
6. Hierbey muſs ich noch eines be- ſondern Umſtandes erwähnen. Es glaubt nehmlich mancher, es ſey völlig einer- ley, wenn man dieſe 7 Stunden ſchliefe, ob des Tags oder des Nachts. Man über- läſst ſich alſo Abends ſo lange wie mög-
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kann hierinn durch Gewohnheit er-
ſtaunlich viel über ſich erhalten.
Ich kenne keine üblere Gewohnheit
als die, im Bett zu ſtudiren und
mit dem Buche einzuſchlafen. Man
ſezt dadurch die Seele in Thätigkeit, ge-
rade in dem Zeitpunct, wo alles darauf
ankommt, ſie völlig ruhen zu laſſen, und
es iſt natürlich, daſs nun dieſe aufge-
weckten Ideen die ganze Nacht hindurch
im Kopfe herumſpuken, und immer
fortbearbeitet werden. Es iſt nicht ge-
nug, phyſiſch zu ſchlafen, auch der gei-
ſtige Menſch muſs ſchlafen. Ein ſolcher
Schlaf iſt eben ſo unzureichend, als der
entgegengeſezte Fall, wenn blos unſer
Geiſtiges aber nicht unſer Körperliches
ſchläft; z. E. das Schlafen in einem er-
ſchütternden Wagen, auf Reiſen.
6. Hierbey muſs ich noch eines be-
ſondern Umſtandes erwähnen. Es glaubt
nehmlich mancher, es ſey völlig einer-
ley, wenn man dieſe 7 Stunden ſchliefe,
ob des Tags oder des Nachts. Man über-
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/578>, abgerufen am 22.11.2024.
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