Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahrheit, Gesundheit, Wärme und
Natursinn bekommen, Eigenschaften,
die die Griechischen und Römischen
Philosophen so sehr auszeichnen, und
die sie, nach meiner Meynung, gröss-
tentheils dieser Gewohnheit und dem
fortdauernden Umgang mit der Natur zu
danken haben. Aber deswegen sollte man
die grösste Sorge tragen, den Sinn für
die Natur in sich nicht vergehen zu
lassen. Er verliert sich so leicht durch
anhaltendes Leben in abstracto, durch
angreifende Geschäfte, durch den Dunst
der Studirstuben, und hat man ihn ein-
mal verloren, so hat die schönste Na-
tur keine Wirkung auf uns, man kann
in der lieblichsten Gegend unter dem
schönsten Himmel -- lebendig tod blei-
ben. Diess verhütet man am besten,
wenn man sich nie zu sehr und nie zu
lange von der Natur entfernt, sich, so
oft es seyn kann, der künstlichen und
abstracten Welt entzieht, und alle Sinne
den wohlthätigen Einflüssen der Natur
öfnet, wenn man von Jugend auf Freude

Wahrheit, Geſundheit, Wärme und
Naturſinn bekommen, Eigenſchaften,
die die Griechiſchen und Römiſchen
Philoſophen ſo ſehr auszeichnen, und
die ſie, nach meiner Meynung, gröſs-
tentheils dieſer Gewohnheit und dem
fortdauernden Umgang mit der Natur zu
danken haben. Aber deswegen ſollte man
die gröſste Sorge tragen, den Sinn für
die Natur in ſich nicht vergehen zu
laſſen. Er verliert ſich ſo leicht durch
anhaltendes Leben in abſtracto, durch
angreifende Geſchäfte, durch den Dunſt
der Studirſtuben, und hat man ihn ein-
mal verloren, ſo hat die ſchönſte Na-
tur keine Wirkung auf uns, man kann
in der lieblichſten Gegend unter dem
ſchönſten Himmel — lebendig tod blei-
ben. Dieſs verhütet man am beſten,
wenn man ſich nie zu ſehr und nie zu
lange von der Natur entfernt, ſich, ſo
oft es ſeyn kann, der künſtlichen und
abſtracten Welt entzieht, und alle Sinne
den wohlthätigen Einflüſſen der Natur
öfnet, wenn man von Jugend auf Freude

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0602" n="574"/>
Wahrheit, Ge&#x017F;undheit, Wärme und<lb/>
Natur&#x017F;inn bekommen, Eigen&#x017F;chaften,<lb/>
die die Griechi&#x017F;chen und Römi&#x017F;chen<lb/>
Philo&#x017F;ophen &#x017F;o &#x017F;ehr auszeichnen, und<lb/>
die &#x017F;ie, nach meiner Meynung, grö&#x017F;s-<lb/>
tentheils die&#x017F;er Gewohnheit und dem<lb/>
fortdauernden Umgang mit der Natur zu<lb/>
danken haben. Aber deswegen &#x017F;ollte man<lb/>
die grö&#x017F;ste Sorge tragen, den <hi rendition="#i">Sinn</hi> für<lb/><hi rendition="#i">die Natur</hi> in &#x017F;ich nicht vergehen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Er verliert &#x017F;ich &#x017F;o leicht durch<lb/>
anhaltendes Leben in <hi rendition="#i">ab&#x017F;tracto</hi>, durch<lb/>
angreifende Ge&#x017F;chäfte, durch den Dun&#x017F;t<lb/>
der Studir&#x017F;tuben, und hat man ihn ein-<lb/>
mal verloren, &#x017F;o hat die &#x017F;chön&#x017F;te Na-<lb/>
tur keine Wirkung auf uns, man kann<lb/>
in der lieblich&#x017F;ten Gegend unter dem<lb/>
&#x017F;chön&#x017F;ten Himmel &#x2014; lebendig tod blei-<lb/>
ben. Die&#x017F;s verhütet man am be&#x017F;ten,<lb/>
wenn man &#x017F;ich nie zu &#x017F;ehr und nie zu<lb/>
lange von der Natur entfernt, &#x017F;ich, &#x017F;o<lb/>
oft es &#x017F;eyn kann, der kün&#x017F;tlichen und<lb/>
ab&#x017F;tracten Welt entzieht, und alle Sinne<lb/>
den wohlthätigen Einflü&#x017F;&#x017F;en der Natur<lb/>
öfnet, wenn man von Jugend auf Freude<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[574/0602] Wahrheit, Geſundheit, Wärme und Naturſinn bekommen, Eigenſchaften, die die Griechiſchen und Römiſchen Philoſophen ſo ſehr auszeichnen, und die ſie, nach meiner Meynung, gröſs- tentheils dieſer Gewohnheit und dem fortdauernden Umgang mit der Natur zu danken haben. Aber deswegen ſollte man die gröſste Sorge tragen, den Sinn für die Natur in ſich nicht vergehen zu laſſen. Er verliert ſich ſo leicht durch anhaltendes Leben in abſtracto, durch angreifende Geſchäfte, durch den Dunſt der Studirſtuben, und hat man ihn ein- mal verloren, ſo hat die ſchönſte Na- tur keine Wirkung auf uns, man kann in der lieblichſten Gegend unter dem ſchönſten Himmel — lebendig tod blei- ben. Dieſs verhütet man am beſten, wenn man ſich nie zu ſehr und nie zu lange von der Natur entfernt, ſich, ſo oft es ſeyn kann, der künſtlichen und abſtracten Welt entzieht, und alle Sinne den wohlthätigen Einflüſſen der Natur öfnet, wenn man von Jugend auf Freude

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/602
Zitationshilfe: Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/602>, abgerufen am 26.06.2024.