ohne alle Nahrung 15 Monate lang, und, was noch mehr zu bewundern ist, wa- ren noch einmal so gross geworden. Weil man aber glauben konnte, dass doch in dem Wasser eine Menge unsicht- barer Nahrungstheilchen seyn möchten, so destillirte er nun dasselbe, sezte ihm wieder Luft zu, und um auch allen Zu- gang von Insecten abzuhalten, verstopfte er das Gefäss sorgfältig. Demohngeach- tet lebten auch hier die Fische lange Zeit fort, wuchsen sogar und hatten Excre- tionen. Wie wäre es möglich, dass selbst Menschen so lange hungern und den- noch ihr Leben erhalten könnten, wenn die unmittelbare Nahrung der Lebens- kraft selbst aus den Nahrungsmitteln ge- zogen werden müsste? Ein französischer Offizier *) verfiel nach vielen erlittenen Kränkungen in eine Gemüthskrankheit, in welcher er beschloss, sich auszuhun- gern, und blieb seinem Vorsatz so ge-
*) S. Hist. de l' Academis R. des Sciences. An 1769.
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ohne alle Nahrung 15 Monate lang, und, was noch mehr zu bewundern iſt, wa- ren noch einmal ſo groſs geworden. Weil man aber glauben konnte, daſs doch in dem Waſſer eine Menge unſicht- barer Nahrungstheilchen ſeyn möchten, ſo deſtillirte er nun daſſelbe, ſezte ihm wieder Luft zu, und um auch allen Zu- gang von Inſecten abzuhalten, verſtopfte er das Gefäſs ſorgfältig. Demohngeach- tet lebten auch hier die Fiſche lange Zeit fort, wuchſen ſogar und hatten Excre- tionen. Wie wäre es möglich, daſs ſelbſt Menſchen ſo lange hungern und den- noch ihr Leben erhalten könnten, wenn die unmittelbare Nahrung der Lebens- kraft ſelbſt aus den Nahrungsmitteln ge- zogen werden müſste? Ein franzöſiſcher Offizier *) verfiel nach vielen erlittenen Kränkungen in eine Gemüthskrankheit, in welcher er beſchloſs, ſich auszuhun- gern, und blieb ſeinem Vorſatz ſo ge-
*) S. Hiſt. de l’ Academis R. des Sciences. An 1769.
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ohne alle Nahrung 15 Monate lang, und,
was noch mehr zu bewundern iſt, wa-
ren noch einmal ſo groſs geworden.
Weil man aber glauben konnte, daſs
doch in dem Waſſer eine Menge unſicht-
barer Nahrungstheilchen ſeyn möchten,
ſo deſtillirte er nun daſſelbe, ſezte ihm
wieder Luft zu, und um auch allen Zu-
gang von Inſecten abzuhalten, verſtopfte
er das Gefäſs ſorgfältig. Demohngeach-
tet lebten auch hier die Fiſche lange Zeit
fort, wuchſen ſogar und hatten Excre-
tionen. Wie wäre es möglich, daſs ſelbſt
Menſchen ſo lange hungern und den-
noch ihr Leben erhalten könnten, wenn
die unmittelbare Nahrung der Lebens-
kraft ſelbſt aus den Nahrungsmitteln ge-
zogen werden müſste? Ein franzöſiſcher
Offizier *) verfiel nach vielen erlittenen
Kränkungen in eine Gemüthskrankheit,
in welcher er beſchloſs, ſich auszuhun-
gern, und blieb ſeinem Vorſatz ſo ge-
*) S. Hiſt. de l’ Academis R. des Sciences. An
1769.
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Hufeland, Christoph Wilhelm: Die Kunst das menschliche Leben zu verlängern. Jena, 1797, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_leben_1797/95>, abgerufen am 23.11.2024.
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