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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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Akademie in Petersburg niederlegen.

Ein ebenfalls sehr merkwürdiges, nicht mehr lebendes, Säugethier, ist das in
Paraguai gefundene Riesenfaulthier, 12 Fuß lang und 6 Fuß hoch, dessen Zehen
mit ungemein langen Krallen bewaffnet sind, wie sie die Ameisenfresser
haben. Die Faulthiere und Armadille der jetzigen Welt sind dagegen sehr
kleine Thiere.

Den neuesten Forschungen verdanken wir besonders ein helleres Licht über
diese sonderbaren Folgen der organischen Bildungen, um deren Untersuchungen
Lamarc, und Brogniart, Cuvier's Schüler sich so verdient gemacht haben, wie
unter den Teutschen v. Schlotheim, und Graf Sternberg. Von dem merkwür-
digsten Scharfsinn zeugt aber ganz besonders Cuvier's Werk: Recherches
sur les ossemens fossiles etc.
, welches uns lehrt das Zusammengesetzte
aus dem Einzelnen zu errathen und aus einem aufgefundenen Knochen
das Geschlecht des Thieres errathen, ja bestimmen zu können. Hieran schliessen
sich die interessanten Untersuchungen von Geoffroy de St. Hilaire, von
Sir Evrard Home, Rudolphi, Meckel, Tiedemann etc.

Von großer Wichtigkeit ist ebenfalls die Entdeckung von Prof. Bukland
zu Oxford, auf welche ihn die genaue Untersuchung einer Höhle in
Kirkdale in Yorkshire vorerst geleitet hat. Es finden sich in dieser
Höhle, die 200 Fuß lang bei einer zwischen 2 und 7 Fuß variirenden
Höhe und Breite sich in Kalkstein erstreckt, Knochen in zahlloser Menge,
von den verschiedensten Thieren, Elephanten, Nashorn, Bären u. s. w. unter-
mischt mit Knochen von Hyänen. Dabei findet der sonderbare Umstand
statt, daß sämmtliche Knochen unvollständig, augenscheinlich angefres-
sen sind. Die bekannte Eigenthümlichkeit der indischen und afrika-
nischen Hyäne, ihren Raub zusammenzuschleppen, hat den Prof. Bukland

Akademie in Petersburg niederlegen.

Ein ebenfalls sehr merkwürdiges, nicht mehr lebendes, Säugethier, ist das in
Paraguai gefundene Riesenfaulthier, 12 Fuß lang und 6 Fuß hoch, dessen Zehen
mit ungemein langen Krallen bewaffnet sind, wie sie die Ameisenfresser
haben. Die Faulthiere und Armadille der jetzigen Welt sind dagegen sehr
kleine Thiere.

Den neuesten Forschungen verdanken wir besonders ein helleres Licht über
diese sonderbaren Folgen der organischen Bildungen, um deren Untersuchungen
Lamarc, und Brogniart, Cuvier’s Schüler sich so verdient gemacht haben, wie
unter den Teutschen v. Schlotheim, und Graf Sternberg. Von dem merkwür-
digsten Scharfsinn zeugt aber ganz besonders Cuvier’s Werk: Recherches
sur les ossemens fossiles etc.
, welches uns lehrt das Zusam̃engesetzte
aus dem Einzelnen zu errathen und aus einem aufgefundenen Knochen
das Geschlecht des Thieres errathen, ja bestim̃en zu können. Hieran schliessen
sich die interessanten Untersuchungen von Geoffroy de St. Hilaire, von
Sir Evrard Home, Rudolphi, Meckel, Tiedemann etc.

Von großer Wichtigkeit ist ebenfalls die Entdeckung von Prof. Bukland
zu Oxford, auf welche ihn die genaue Untersuchung einer Höhle in
Kirkdale in Yorkshire vorerst geleitet hat. Es finden sich in dieser
Höhle, die 200 Fuß lang bei einer zwischen 2 und 7 Fuß variirenden
Höhe und Breite sich in Kalkstein erstreckt, Knochen in zahlloser Menge,
von den verschiedensten Thieren, Elephanten, Nashorn, Bären u. s. w. unter-
mischt mit Knochen von Hyänen. Dabei findet der sonderbare Umstand
statt, daß säm̃tliche Knochen unvollständig, augenscheinlich angefres-
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[44/0048] Akademie in Petersburg niederlegen. Ein ebenfalls sehr merkwürdiges, nicht mehr lebendes, Säugethier, ist das in Paraguai gefundene Riesenfaulthier, 12 Fuß lang und 6 Fuß hoch, dessen Zehen mit ungemein langen Krallen bewaffnet sind, wie sie die Ameisenfresser haben. Die Faulthiere u Armadille der jetzigen Welt sind dagegen sehr kleine Thiere. Den neuesten Forschungen verdanken wir besonders ein helleres Licht über diese sonderbaren Folgen der organischen Bildungen, um deren Untersuchungen Lamarc, u Brogniart, Cuvier’s Schüler sich so verdient gemacht haben, wie unter den Teutschen v. Schlotheim, u Graf Sternberg. Von dem merkwür- digsten Scharfsinn zeugt aber ganz besonders Cuvier’s Werk: Recherches sur les ossemens fossiles etc., welches uns lehrt das Zusam̃engesetzte aus dem Einzelnen zu errathen und aus einem aufgefundenen Knochen das Geschlecht des Thieres errathen, ja bestim̃en zu können. Hieran schliessen sich die interessanten Untersuchungen von Geoffroy de St. Hilaire, von Sir Evrard Home, Rudolphi, Meckel, Tiedemann etc. Von großer Wichtigkeit ist ebenfalls die Entdeckung von Prof. Bukland zu Oxford, auf welche ihn die genaue Untersuchung einer Höhle in Kirkdale in Yorkshire vorerst geleitet hat. Es finden sich in dieser Höhle, die 200 Fuß lang bei einer zwischen 2 u 7 Fuß variirenden Höhe u Breite sich in Kalkstein erstreckt, Knochen in zahlloser Menge, von den verschiedensten Thieren, Elephanten, Nashorn, Bären u. s. w. unter- mischt mit Knochen von Hyänen. Dabei findet der sonderbare Umstand statt, daß säm̃tliche Knochen unvollständig, augenscheinlich angefres- sen sind. Die bekannte Eigenthümlichkeit der indischen und afrika- nischen Hyäne, ihren Raub zusam̃enzuschleppen, hat den Prof. Bukland

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Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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  • I/J: Lautwert transkribiert



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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/48>, abgerufen am 21.11.2024.