Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

z. B. unter Moosen dieselben Species sich sogar vorfinden. Aber schon unter den
Gräsern ist das selten der Fall und wenn man an der Magellanischen Meer-
enge dern europäischen gleiche Pflanzenformen zu erkennen glaubte, so hat
sich ergeben, daß es ähnliche, aber doch ganz bestimmt zu unterscheidende
Species sind. - Die Rhododendraceen, welche auf der östlichen Halbkugel mit
ihrem prangenden Roth die Schneegrenze der Alpen, selbst den Schneegür-
tel des Himalaja eben so bestimmt bezeichnen als schmücken, finden auf
dem neuen Continente einen Ersatz in den mit ähnlichem Farbenreiz
prangenden Befarien. -

Ueber das erste Aufkeimen der organischen Materie herrscht eine
große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über
das Entstehen der sogenannten Pristleyschen Materie, der Oscillatorien,
Lamellien, Infusorien pp. und es hat noch nicht einmal bestimmt werden kön-
nen, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilische oder animalische
Masse scheiden lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäu-
fung der vegetabilischen entstehe. Wir erkennen die ersten Pflan-
zenanfänge in dem sogenannten rothen Schnee des Polareises, welcher
aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, bei einer Tempe-
ratur von 15 bis 16° R + in England und Frankreich ausgehalten hat,
und dessen Fortpflanzung ich selbst beobachtet habe. Es ist dieß eine un-
endlich kleine Art von Pilzen, deren rothe Farbe von feinen Körnern
früher Uredo, vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe
herrührt, welche, indem sie platzen, 4-5 kleine Sporen auf dem Schnee
ausstreuen. - Wie diese nun auf dem ewigen Polareise wurzeln, so
vegetiren andere Pflanzenanfänge Usneen und Converven mitten in
den heissen Quellen von 60 bis 70° R.

Es gibt kaum einen größern Contrast, als zwischen diesen microsco-
pischen Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen und animalen

z. B. unter Moosen dieselben Species sich sogar vorfinden. Aber schon unter den
Gräsern ist das selten der Fall und weñ man an der Magellanischen Meer-
enge dern europäischen gleiche Pflanzenformen zu erkeñen glaubte, so hat
sich ergeben, daß es ähnliche, aber doch ganz bestim̃t zu unterscheidende
Species sind. – Die Rhododendraceen, welche auf der östlichen Halbkugel mit
ihrem prangenden Roth die Schneegrenze der Alpen, selbst den Schneegür-
tel des Himalaja eben so bestim̃t bezeichnen als schmücken, finden auf
dem neuen Continente einen Ersatz in den mit ähnlichem Farbenreiz
prangenden Befarien. –

Ueber das erste Aufkeimen der organischen Materie herrscht eine
große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über
das Entstehen der sogenañten Pristleyschen Materie, der Oscillatorien,
Lamellien, Infusorien pp. und es hat noch nicht einmal bestim̃t werden kön-
nen, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilische oder animalische
Masse scheiden lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäu-
fung der vegetabilischen entstehe. Wir erkeñen die ersten Pflan-
zenanfänge in dem sogenañten rothen Schnee des Polareises, welcher
aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, bei einer Tempe-
ratur von 15 bis 16° R + in England und Frankreich ausgehalten hat,
und dessen Fortpflanzung ich selbst beobachtet habe. Es ist dieß eine un-
endlich kleine Art von Pilzen, deren rothe Farbe von feinen Körnern
früher Uredo, vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe
herrührt, welche, indem sie platzen, 4–5 kleine Sporen auf dem Schnee
ausstreuen. – Wie diese nun auf dem ewigen Polareise wurzeln, so
vegetiren andere Pflanzenanfänge Usneen und Converven mitten in
den heissen Quellen von 60 bis 70° R.

Es gibt kaum einen größern Contrast, als zwischen diesen microsco-
pischen Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen und animalen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="session" n="8">
        <p><pb facs="#f0071" n="67"/><choice><orig>zb</orig><reg resp="#TK">z. B.</reg></choice> unter Moosen dieselben <hi rendition="#aq">Species</hi> sich sogar vorfinden. Aber schon unter den<lb/>
Gräsern ist das selten der Fall <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> wen&#x0303; man an der Magellanischen Meer-<lb/>
enge de<subst><del rendition="#ow">r</del><add place="across">n</add></subst> europäischen gleiche Pflanzenformen zu erken&#x0303;en glaubte, so hat<lb/>
sich ergeben, daß es ähnliche, aber doch ganz bestim&#x0303;t zu unterscheidende<lb/><hi rendition="#aq">Species</hi> sind. &#x2013; Die Rhododendraceen, welche auf der östlichen Halbkugel mit<lb/>
ihrem prangenden Roth die Schneegrenze der Alpen, selbst den Schneegür-<lb/>
tel des <hi rendition="#aq">Himalaja</hi> eben so bestim&#x0303;t bezeichnen als schmücken, finden auf<lb/>
dem neuen Continente einen Ersatz in den mit ähnlichem Farbenreiz<lb/>
prangenden <hi rendition="#aq">Befarien</hi>. &#x2013;</p><lb/>
        <p>Ueber das <hi rendition="#u">erste Aufkeimen der organischen Materie</hi> herrscht eine<lb/>
große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über<lb/>
das Entstehen der sogenan&#x0303;ten <hi rendition="#aq">Pristley</hi>schen Materie, der <hi rendition="#aq">Oscillatorien</hi>,<lb/><hi rendition="#aq">Lamellien</hi>, <hi rendition="#aq">Infusorien</hi> <choice><orig>pp</orig><reg resp="#CT">pp.</reg></choice> <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> es hat noch nicht einmal bestim&#x0303;t werden kön-<lb/>
nen, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilische oder animalische<lb/>
Masse scheiden lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäu-<lb/>
fung der vegetabilischen entstehe. Wir erken&#x0303;en die ersten Pflan-<lb/>
zenanfänge in dem sogenan&#x0303;ten rothen Schnee des Polareises, welcher<lb/>
aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, bei einer Tempe-<lb/>
ratur von 15 bis 16° R + in England <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> Frankreich ausgehalten hat,<lb/><choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> dessen Fortpflanzung ich selbst beobachtet habe. Es ist dieß eine un-<lb/>
endlich kleine Art von Pilzen, deren rothe Farbe von feinen Körnern<lb/>
früher <hi rendition="#aq">Uredo</hi>, vom großen <hi rendition="#aq"><persName ref="http://www.deutschestextarchiv.de/kosmos/person#gnd-118674455 http://d-nb.info/gnd/118674455">Rob. Brown</persName></hi> aber <hi rendition="#aq">Tremella nivalis</hi> genannt, deren rothe<lb/>
herrührt, welche, indem sie platzen, 4&#x2013;5 kleine Sporen auf dem Schnee<lb/>
ausstreuen. &#x2013; Wie diese nun auf dem ewigen Polareise wurzeln, so<lb/>
vegetiren andere Pflanzenanfänge <hi rendition="#aq">Usneen</hi> und <hi rendition="#aq">Converven</hi> mitten in<lb/>
den heissen Quellen von 60 bis 70° R.</p><lb/>
        <p>Es gibt kaum einen <choice><sic>großern</sic><corr resp="#CT">größern</corr></choice> Contrast, als zwischen diesen microsco-<lb/>
pischen Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen <choice><abbr>u</abbr><expan resp="#BF">und</expan></choice> animalen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0071] zb unter Moosen dieselben Species sich sogar vorfinden. Aber schon unter den Gräsern ist das selten der Fall u weñ man an der Magellanischen Meer- enge den europäischen gleiche Pflanzenformen zu erkeñen glaubte, so hat sich ergeben, daß es ähnliche, aber doch ganz bestim̃t zu unterscheidende Species sind. – Die Rhododendraceen, welche auf der östlichen Halbkugel mit ihrem prangenden Roth die Schneegrenze der Alpen, selbst den Schneegür- tel des Himalaja eben so bestim̃t bezeichnen als schmücken, finden auf dem neuen Continente einen Ersatz in den mit ähnlichem Farbenreiz prangenden Befarien. – Ueber das erste Aufkeimen der organischen Materie herrscht eine große Ungewißheit. Unendlich viel Versuche hat man gemacht über das Entstehen der sogenañten Pristleyschen Materie, der Oscillatorien, Lamellien, Infusorien pp u es hat noch nicht einmal bestim̃t werden kön- nen, ob diese Uranfänge sich in eine vegetabilische oder animalische Masse scheiden lassen, oder ob die animalische aus einer großen Anhäu- fung der vegetabilischen entstehe. Wir erkeñen die ersten Pflan- zenanfänge in dem sogenañten rothen Schnee des Polareises, welcher aus jenen nördlichen Regionen zu uns gebracht, bei einer Tempe- ratur von 15 bis 16° R + in England u Frankreich ausgehalten hat, u dessen Fortpflanzung ich selbst beobachtet habe. Es ist dieß eine un- endlich kleine Art von Pilzen, deren rothe Farbe von feinen Körnern früher Uredo, vom großen Rob. Brown aber Tremella nivalis genannt, deren rothe herrührt, welche, indem sie platzen, 4–5 kleine Sporen auf dem Schnee ausstreuen. – Wie diese nun auf dem ewigen Polareise wurzeln, so vegetiren andere Pflanzenanfänge Usneen und Converven mitten in den heissen Quellen von 60 bis 70° R. Es gibt kaum einen größern Contrast, als zwischen diesen microsco- pischen Gegenständen, diesen Anfängen der vegetabilen u animalen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Nalan Lom: Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/71
Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/71>, abgerufen am 24.11.2024.