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Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.]

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die Vertheilung der Sprachen auf der ganzen Erde, beweisen jedoch, daß keines-
wegs Gleichheit der Sprache auch Gleichheit der Abstammung bedingt. Zwischen ei-
ner und derselben Race herrscht oft die größte Verschiedenheit der Sprache,
während in dem Idiom der entferntesten Völker sich Analogien finden,
die in Erstaunen setzen. So zum Beispiel bemerkt man eine Aehnlichkeit zwischen den
Copten, den Bewohnern von Congo und vaskischen Völkern. -

[11. Vorlesung] [(21. Februar 1828)]

Hiermit habe ich den Entwurf des Naturgemäldes vollendet, indem
ich die Hauptumrisse derjenigen Wissenschaft zu geben versuchte, welche
am passendsten Weltbeschreibung genannt werden mögte, indem sie
den Inbegriff der cosmischen und tellurischen Zustände umfaßt. Wenn die
Art meiner wissenschaftlichen Bestrebungen mich mehr der Beobachtung von
Thatsachen zugewendet hat, so verkenne ich deshalb nicht, daß, wie hoch die
Weltbeschreibung als Wissenschaft zu stellen sei, sie doch nur die Mate-
rialien liefert zu einer rationellen Naturphilosophie, deren letzter Zweck
ein vernunftmässiger Begriff der Natur sein muß. -

Die Natur ist Einheit und Vielheit, sie ist der Inbegriff der Naturdinge und
Naturkräfte - die Naturkenntniß mithin die Kenntniß der Dinge neben-
und nacheinander.

In dem Naturgemälde, was ich aufzustellen versuchte, haben wir uns
Rechenschaft gegeben von dem ersten Aufblicken der wahrnehmbaren
Materie, die als unscheinbarer Nebelfleck sich kaum der Beobachtung
darbietet, wir haben in der Geognosie die starren Theile des Erdkör-
pers, in der Meteorologie und Climatologie die flüssigen Hüllen dessel-
ben betrachtet und sind endlich von der Geographie der Pflanzen und
Thiere zu den Menschenracen übergegangen, so in großen Umrissen
eine Uebersicht des Geschaffenen umfassend. Bevor wir nun zu einer
Auswahl individueller Ansichten aus dieser Gesammtheit übergehen, sei
es mir vergönnt, zuvörderst einiges über die verschiedenen Menschen-
stämme nachzuholen.

Bei aller Dunkelheit, welche die Forschungen über den Ursprung des

die Vertheilung der Sprachen auf der ganzen Erde, beweisen jedoch, daß keines-
wegs Gleichheit der Sprache auch Gleichheit der Abstammung bedingt. Zwischen ei-
ner und derselben Race herrscht oft die größte Verschiedenheit der Sprache,
während in dem Idiom der entferntesten Völker sich Analogien finden,
die in Erstaunen setzen. So zum Beispiel bemerkt man eine Aehnlichkeit zwischen den
Copten, den Bewohnern von Congo und vaskischen Völkern.

[11. Vorlesung] [(21. Februar 1828)]

Hiermit habe ich den Entwurf des Naturgemäldes vollendet, indem
ich die Hauptumrisse derjenigen Wissenschaft zu geben versuchte, welche
am passendsten Weltbeschreibung genannt werden mögte, indem sie
den Inbegriff der cosmischen und tellurischen Zustände umfaßt. Weñ die
Art meiner wissenschaftlichen Bestrebungen mich mehr der Beobachtung von
Thatsachen zugewendet hat, so verkeñe ich deshalb nicht, daß, wie hoch die
Weltbeschreibung als Wissenschaft zu stellen sei, sie doch nur die Mate-
rialien liefert zu einer rationellen Naturphilosophie, deren letzter Zweck
ein vernunftmässiger Begriff der Natur sein muß. –

Die Natur ist Einheit und Vielheit, sie ist der Inbegriff der Naturdinge und
Naturkräfte – die Naturkeñtniß mithin die Keñtniß der Dinge neben-
und nacheinander.

In dem Naturgemälde, was ich aufzustellen versuchte, haben wir uns
Rechenschaft gegeben von dem ersten Aufblicken der wahrnehmbaren
Materie, die als unscheinbarer Nebelfleck sich kaum der Beobachtung
darbietet, wir haben in der Geognosie die starren Theile des Erdkör-
pers, in der Meteorologie und Climatologie die flüssigen Hüllen dessel-
ben betrachtet und sind endlich von der Geographie der Pflanzen und
Thiere zu den Menschenracen übergegangen, so in großen Umrissen
eine Uebersicht des Geschaffenen umfassend. Bevor wir nun zu einer
Auswahl individueller Ansichten aus dieser Gesam̃theit übergehen, sei
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stämme nachzuholen.

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[85/0089] die Vertheilung der Sprachen auf der ganzen Erde, beweisen jedoch, daß keines- wegs Gleichheit der Sprache auch Gleichheit der Abstammung bedingt. Zwischen ei- ner u derselben Race herrscht oft die größte Verschiedenheit der Sprache, während in dem Idiom der entferntesten Völker sich Analogien finden, die in Erstaunen setzen. So zB bemerkt man eine Aehnlichkeit zwischen den Copten, den Bewohnern von Congo u vaskischen Völkern. – 11. Vorlesung (21. Februar 1828) Hiermit habe ich den Entwurf des Naturgemäldes vollendet, indem ich die Hauptumrisse derjenigen Wissenschaft zu geben versuchte, welche am passendsten Weltbeschreibung genannt werden mögte, indem sie den Inbegriff der cosmischen u tellurischen Zustände umfaßt. Weñ die Art meiner wissenschaftlichen Bestrebungen mich mehr der Beobachtung von Thatsachen zugewendet hat, so verkeñe ich deshalb nicht, daß, wie hoch die Weltbeschreibung als Wissenschaft zu stellen sei, sie doch nur die Mate- rialien liefert zu einer rationellen Naturphilosophie, deren letzter Zweck ein vernunftmässiger Begriff der Natur sein muß. – Die Natur ist Einheit u Vielheit, sie ist der Inbegriff der Naturdinge u Naturkräfte – die Naturkeñtniß mithin die Keñtniß der Dinge neben u nacheinander. In dem Naturgemälde, was ich aufzustellen versuchte, haben wir uns Rechenschaft gegeben von dem ersten Aufblicken der wahrnehmbaren Materie, die als unscheinbarer Nebelfleck sich kaum der Beobachtung darbietet, wir haben in der Geognosie die starren Theile des Erdkör- pers, in der Meteorologie u Climatologie die flüssigen Hüllen dessel- ben betrachtet u sind endlich von der Geographie der Pflanzen u Thiere zu den Menschenracen übergegangen, so in großen Umrissen eine Uebersicht des Geschaffenen umfassend. Bevor wir nun zu einer Auswahl individueller Ansichten aus dieser Gesam̃theit übergehen, sei es mir vergönnt, zuvörderst einiges über die verschiedenen Menschen- stämme nachzuholen. Bei aller Dunkelheit, welche die Forschungen über den Ursprung des

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Christian Thomas: Herausgeber
Tina Krell, Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
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Dieses Werk wurde auf der Grundlage der Transkription von [N. N.]: Physikalische Geographie. Vorgetragen von Alexander von Humboldt. [Berlin], [1827/28] anhand der Vorlage geprüft und korrigiert, nach XML/TEI P5 konvertiert und gemäß dem DTA-Basisformat kodiert.

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Zitationshilfe: Hufeland, Otto: Vorlesungen über physicalische Geographie von A. v. Humboldt. [G]eschrieben im Sommer 1829 durch Otto Hufeland. [Berlin], [ca. 1829]. [= Abschrift einer Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Sing-Akademie zu Berlin, 6.12.1827–27.3.1828.], S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hufeland_privatbesitz_1829/89>, abgerufen am 21.11.2024.