Fürsten deine Feinde sind? Um diese zu gewinnen, solltest du doch ein Auge zudrücken. "Das ist Verrath an meiner Sendung." Aber der christliche Kaiser zieht mit einem Kriegsheer in deine Stadt, überall Mord und Plünde- rung; die Kirchen werden gleich verächtlichen Hütten be- handelt, du selbst im Tempel eingeschlossen vergißest ob dem Jammer über dein Volk deinen Hunger, deine Todesgefahr. Warum denn das Band einer un- glücklichen Ehe nicht lösen? Ist es nicht besser, der wohllüstige König, der doch im Ehebruch lebt, heirathe die Ehebrecherin, als daß die ganze Christenheit so viel leide und die Kirche selbst untergehe eines Weiber wegen? Nicht wahr, gerade so rechnet menschliche Klugheit heute wie damals denn sie fürchtet bei der Ohnmacht des Fleisches die Gefahr des Augenblickes. Aber der hl. Vater? Sehet die größten Helden aller Jahrhunderte! Mögen die Söhne Muhameds von Süden und die christlichen Heere vom Norden her diese hl. Stadt bedrängen, dem Erdboden gleichmachen - sie gehen zu Grunde auf dem Felsen, den Christus hingelegt, damit die Heiligkeit der Ehe ebensowenig wie der Felsen selbst überwältigt werden kann. Aber, hl. Vater, wenn alle diese Schrecken dich nicht wankend machen, siehe die verstoßene Königin kommt selbst zu dir, bittet und beschwört dich unter einem Thränen- strom, doch das unglückliche Eheband zu lösen. Rührt dich nicht diese Jammergestalt und erschüttern dich nicht diese Thränen? - Wenn so manche die Großthaten, die eiserne Festigkeit, die Heldensprache der großen Päpste unserer Zeit nicht verstehen, so denket an diese ehernen Gestalten vergangener Jahrhunderte. Groß und tief haben sie ein Herz, nicht wie gewöhnliche Menschen, denen sinn- liche Liebe als Gemüth und Herz gilt, oder denen ihr Eigennutz, ihre Selbstsucht als Friedenliebe erscheint, - sondern wie ein Statthalter Christi, der über die Sünder
Fürsten deine Feinde sind? Um diese zu gewinnen, solltest du doch ein Auge zudrücken. „Das ist Verrath an meiner Sendung.“ Aber der christliche Kaiser zieht mit einem Kriegsheer in deine Stadt, überall Mord und Plünde- rung; die Kirchen werden gleich verächtlichen Hütten be- handelt, du selbst im Tempel eingeschlossen vergißest ob dem Jammer über dein Volk deinen Hunger, deine Todesgefahr. Warum denn das Band einer un- glücklichen Ehe nicht lösen? Ist es nicht besser, der wohllüstige König, der doch im Ehebruch lebt, heirathe die Ehebrecherin, als daß die ganze Christenheit so viel leide und die Kirche selbst untergehe eines Weiber wegen? Nicht wahr, gerade so rechnet menschliche Klugheit heute wie damals denn sie fürchtet bei der Ohnmacht des Fleisches die Gefahr des Augenblickes. Aber der hl. Vater? Sehet die größten Helden aller Jahrhunderte! Mögen die Söhne Muhameds von Süden und die christlichen Heere vom Norden her diese hl. Stadt bedrängen, dem Erdboden gleichmachen – sie gehen zu Grunde auf dem Felsen, den Christus hingelegt, damit die Heiligkeit der Ehe ebensowenig wie der Felsen selbst überwältigt werden kann. Aber, hl. Vater, wenn alle diese Schrecken dich nicht wankend machen, siehe die verstoßene Königin kommt selbst zu dir, bittet und beschwört dich unter einem Thränen- strom, doch das unglückliche Eheband zu lösen. Rührt dich nicht diese Jammergestalt und erschüttern dich nicht diese Thränen? – Wenn so manche die Großthaten, die eiserne Festigkeit, die Heldensprache der großen Päpste unserer Zeit nicht verstehen, so denket an diese ehernen Gestalten vergangener Jahrhunderte. Groß und tief haben sie ein Herz, nicht wie gewöhnliche Menschen, denen sinn- liche Liebe als Gemüth und Herz gilt, oder denen ihr Eigennutz, ihre Selbstsucht als Friedenliebe erscheint, – sondern wie ein Statthalter Christi, der über die Sünder
<TEI><text><body><divn="16"><p><pbfacs="#f0163"xml:id="H891_001_1896_pb0151_0001"n="151"/>
Fürsten deine Feinde sind? Um diese zu gewinnen, solltest<lb/>
du doch ein Auge zudrücken. <q>„Das ist Verrath an meiner<lb/>
Sendung.“</q> Aber der christliche Kaiser zieht mit einem<lb/>
Kriegsheer in deine Stadt, überall Mord und Plünde-<lb/>
rung; die Kirchen werden gleich verächtlichen Hütten be-<lb/>
handelt, du selbst im Tempel eingeschlossen vergißest<lb/>
ob dem Jammer über dein Volk deinen Hunger,<lb/>
deine Todesgefahr. Warum denn das Band einer un-<lb/>
glücklichen Ehe nicht lösen? Ist es nicht besser, der<lb/>
wohllüstige König, der doch im Ehebruch lebt, heirathe<lb/>
die Ehebrecherin, als daß die ganze Christenheit so viel<lb/>
leide und die Kirche selbst untergehe eines Weiber wegen?<lb/>
Nicht wahr, gerade so rechnet menschliche Klugheit heute<lb/>
wie damals denn sie fürchtet bei der Ohnmacht des<lb/>
Fleisches die Gefahr des Augenblickes. Aber der hl. Vater?<lb/>
Sehet die größten Helden aller Jahrhunderte! Mögen<lb/>
die Söhne Muhameds von Süden und die christlichen<lb/>
Heere vom Norden her diese hl. Stadt bedrängen, dem<lb/>
Erdboden gleichmachen – sie gehen zu Grunde auf dem<lb/>
Felsen, den Christus hingelegt, damit die Heiligkeit der<lb/>
Ehe ebensowenig wie der Felsen selbst überwältigt werden<lb/>
kann. Aber, hl. Vater, wenn alle diese Schrecken dich<lb/>
nicht wankend machen, siehe die verstoßene Königin kommt<lb/>
selbst zu dir, bittet und beschwört dich unter einem Thränen-<lb/>
strom, doch das unglückliche Eheband zu lösen. Rührt<lb/>
dich nicht diese Jammergestalt und erschüttern dich nicht<lb/>
diese Thränen? – Wenn so manche die Großthaten, die<lb/>
eiserne Festigkeit, die Heldensprache der großen Päpste<lb/>
unserer Zeit nicht verstehen, so denket an diese ehernen<lb/>
Gestalten vergangener Jahrhunderte. Groß und tief haben<lb/>
sie ein Herz, nicht wie gewöhnliche Menschen, denen sinn-<lb/>
liche Liebe als Gemüth und Herz gilt, oder denen ihr<lb/>
Eigennutz, ihre Selbstsucht als Friedenliebe erscheint, –<lb/>
sondern wie ein Statthalter Christi, der über die Sünder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0163]
Fürsten deine Feinde sind? Um diese zu gewinnen, solltest
du doch ein Auge zudrücken. „Das ist Verrath an meiner
Sendung.“ Aber der christliche Kaiser zieht mit einem
Kriegsheer in deine Stadt, überall Mord und Plünde-
rung; die Kirchen werden gleich verächtlichen Hütten be-
handelt, du selbst im Tempel eingeschlossen vergißest
ob dem Jammer über dein Volk deinen Hunger,
deine Todesgefahr. Warum denn das Band einer un-
glücklichen Ehe nicht lösen? Ist es nicht besser, der
wohllüstige König, der doch im Ehebruch lebt, heirathe
die Ehebrecherin, als daß die ganze Christenheit so viel
leide und die Kirche selbst untergehe eines Weiber wegen?
Nicht wahr, gerade so rechnet menschliche Klugheit heute
wie damals denn sie fürchtet bei der Ohnmacht des
Fleisches die Gefahr des Augenblickes. Aber der hl. Vater?
Sehet die größten Helden aller Jahrhunderte! Mögen
die Söhne Muhameds von Süden und die christlichen
Heere vom Norden her diese hl. Stadt bedrängen, dem
Erdboden gleichmachen – sie gehen zu Grunde auf dem
Felsen, den Christus hingelegt, damit die Heiligkeit der
Ehe ebensowenig wie der Felsen selbst überwältigt werden
kann. Aber, hl. Vater, wenn alle diese Schrecken dich
nicht wankend machen, siehe die verstoßene Königin kommt
selbst zu dir, bittet und beschwört dich unter einem Thränen-
strom, doch das unglückliche Eheband zu lösen. Rührt
dich nicht diese Jammergestalt und erschüttern dich nicht
diese Thränen? – Wenn so manche die Großthaten, die
eiserne Festigkeit, die Heldensprache der großen Päpste
unserer Zeit nicht verstehen, so denket an diese ehernen
Gestalten vergangener Jahrhunderte. Groß und tief haben
sie ein Herz, nicht wie gewöhnliche Menschen, denen sinn-
liche Liebe als Gemüth und Herz gilt, oder denen ihr
Eigennutz, ihre Selbstsucht als Friedenliebe erscheint, –
sondern wie ein Statthalter Christi, der über die Sünder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/163>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.