in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit? Gilt nicht auch hier sein Wort: "Ich habe euch ein Bei- spiel gegeben"; "Willst du mein Schüler sein, folge mir nach." Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden. Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht, euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch nachlässig erweisen solltet.
Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort: "Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!" Nun kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr, oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph gewesen, sobald man aber fragt: "Wer war der voll- kommenste Mensch?" - so müssen vor einer Persönlich- keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen- sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle Menschen? Sünder. "Wer da sagt, er sei ohne Sünde, der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm." Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll- kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er zugleich der Sohn Gottes ist.
Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar? Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer
in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit? Gilt nicht auch hier sein Wort: „Ich habe euch ein Bei- spiel gegeben“; „Willst du mein Schüler sein, folge mir nach.“ Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden. Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht, euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch nachlässig erweisen solltet.
Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort: „Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!“ Nun kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr, oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph gewesen, sobald man aber fragt: „Wer war der voll- kommenste Mensch?“ – so müssen vor einer Persönlich- keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen- sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle Menschen? Sünder. „Wer da sagt, er sei ohne Sünde, der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm.“ Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll- kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er zugleich der Sohn Gottes ist.
Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar? Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer
<TEI><text><body><divn="19"><p><pbfacs="#f0192"xml:id="H891_001_1896_pb0180_0001"n="180"/>
in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum<lb/>
nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit?<lb/>
Gilt nicht auch hier sein Wort: <q>„Ich habe euch ein Bei-<lb/>
spiel gegeben“</q>; <q>„Willst du mein Schüler sein, folge mir<lb/>
nach.“</q> Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie<lb/>
die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden.<lb/>
Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht,<lb/>
euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese<lb/>
Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch<lb/>
nachlässig erweisen solltet.</p><p>Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr<lb/>
euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn<lb/>
sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort:<lb/><q>„Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!“</q> Nun<lb/>
kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr,<lb/>
oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph<lb/>
gewesen, sobald man aber fragt: <q>„Wer war der voll-<lb/>
kommenste Mensch?“</q>– so müssen vor einer Persönlich-<lb/>
keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen-<lb/>
sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle<lb/>
Menschen? Sünder. <q>„Wer da sagt, er sei ohne Sünde,<lb/>
der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm.“</q><lb/>
Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es<lb/>
gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau<lb/>
Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie<lb/>
die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen<lb/>
nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher<lb/>
hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll-<lb/>
kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er<lb/>
zugleich der Sohn Gottes ist.</p><p>Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu<lb/>
erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar?<lb/>
Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche<lb/>
die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer<lb/></p></div></body></text></TEI>
[180/0192]
in den Tempel? Warum war er ihnen unterthan? Warum
nahm er mit den Jahren zu an Gnade und Weisheit?
Gilt nicht auch hier sein Wort: „Ich habe euch ein Bei-
spiel gegeben“; „Willst du mein Schüler sein, folge mir
nach.“ Will also die Jugend selig werden, so muß sie wie
die Erwachsenen dem Sohne Gottes gleichförmig werden.
Hiefür besorgt zu sein, christliche Eltern, ist euere Pflicht,
euere Aufgabe und zwar derart, daß die hl. Kirche diese
Pflicht den Pathen auferlegt, wenn ihr sterben oder euch
nachlässig erweisen solltet.
Wie glücklich seid ihr und euere Kinder, sobald ihr
euer Glück verstehet und zu gebrauchen wisset. Denn
sobald es sich um ein Vorbild handelt, gilt das Wort:
„Für die Jugend ist nur das Beste gut genug!“ Nun
kann man allerdings streiten, wer der größte Feldherr,
oder Redner, oder Dichter, oder Maler, oder Philosoph
gewesen, sobald man aber fragt: „Wer war der voll-
kommenste Mensch?“ – so müssen vor einer Persönlich-
keit alle in den Hintergrund treten, wie vor der Morgen-
sonne alle Sterne verschwinden. Was sind nämlich alle
Menschen? Sünder. „Wer da sagt, er sei ohne Sünde,
der ist ein Lügner, die Wahrheit ist nicht in ihm.“
Selbst die Heiligen sind dieser Regel unterworfen, es
gibt nur eine Ausnahme, nämlich die seligste Jungfrau
Maria, und diese ist nur deßhalb ausgenommen, weil sie
die wahre Mutter des Gottmenschen ist und deßwegen
nach ihrem göttlichen Sohne unser erstes Vorbild. Daher
hat denn dieser Menschensohn nicht bloß keine Unvoll-
kommenheit, sondern er kann auch keine haben, weil er
zugleich der Sohn Gottes ist.
Oder ist vielleicht dies Vorbild zu vollendet, zu
erhaben, unerreichbar und deßhalb auch unbrauchbar?
Ich hörte selbst einmal so ungelehrte Gelehrte, welche
die Gottheit frech leugneten und dabei mit philosophischer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/192>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.