Glücke? Nichts. Denn nur der Zufriedene ist glücklich. Bist du mit der Armuth zufrieden, bist du auch glücklich; bist du im Ueberfluß unzufrieden, bist du doch unglücklich. Damit also dies wahre Glück möglich werde, muß die Jugend von Kindheit an in jeder Art Abtödtung und Selbstverläugnung geübt werden. Aber wie hat dies zu geschehen?
Wenn ich nun auf scheinbare Kleinigkeiten zu sprechen komme, so vergesset nicht, daß in der Erziehung auch das Kleinste eine große Bedeutung hat, und wartet mit dem Urtheil bis zum Schlusse. Wollet ihr also die Kinder in der Abtödtung üben, so dürfet ihr ihren Körper nicht ver- zärteln, sondern äußerlich abhärten. Denn in einem ver- weichlichten Körper erwacht die Sinnlichkeit zu früh und zu gewaltig, während die Abtödtung den Körper in das Tugendjoch hineinfügt, bevor noch der Tugendsinn erwacht.
Lasset daher die Kinder nicht in allzuwarmen und allzuweichem Federbette schlafen, hüllet sie im Winter nicht ganz ein, haltet sie nicht in allzuwarmen Stuben. Im Sommer lasset sie die Kleider nicht so wegwerfen; kleidet sie nicht so leicht und so kurz, daß vielleicht noch Scham und Anstand verletzt wird. Sie sollen Kälte und Hitze ertragen lernen.
Was den Schlaf betrifft, bemerke ich nur soviel: Abends sorget, daß die Kinder früh ins Bett gehen und duldet durchaus nicht, daß sie bis tief in der Nacht bei Spiel oder Schmausereien oder sonstigen Lustbarkeiten zugegen seien, oder gar außer dem Hause Freude und Erholung suchen, sonst wird das Schulkind schon zum Nachtschwärmer; am Morgen - soweit das Alter des Kindes es immer gestattet, sollen sie gleichzeitig aufstehen nicht wach im Bette bleiben, sich waschen mit kaltem Wasser und nach dem Morgengebet gleichzeitig beim Essen erscheinen.
Glücke? Nichts. Denn nur der Zufriedene ist glücklich. Bist du mit der Armuth zufrieden, bist du auch glücklich; bist du im Ueberfluß unzufrieden, bist du doch unglücklich. Damit also dies wahre Glück möglich werde, muß die Jugend von Kindheit an in jeder Art Abtödtung und Selbstverläugnung geübt werden. Aber wie hat dies zu geschehen?
Wenn ich nun auf scheinbare Kleinigkeiten zu sprechen komme, so vergesset nicht, daß in der Erziehung auch das Kleinste eine große Bedeutung hat, und wartet mit dem Urtheil bis zum Schlusse. Wollet ihr also die Kinder in der Abtödtung üben, so dürfet ihr ihren Körper nicht ver- zärteln, sondern äußerlich abhärten. Denn in einem ver- weichlichten Körper erwacht die Sinnlichkeit zu früh und zu gewaltig, während die Abtödtung den Körper in das Tugendjoch hineinfügt, bevor noch der Tugendsinn erwacht.
Lasset daher die Kinder nicht in allzuwarmen und allzuweichem Federbette schlafen, hüllet sie im Winter nicht ganz ein, haltet sie nicht in allzuwarmen Stuben. Im Sommer lasset sie die Kleider nicht so wegwerfen; kleidet sie nicht so leicht und so kurz, daß vielleicht noch Scham und Anstand verletzt wird. Sie sollen Kälte und Hitze ertragen lernen.
Was den Schlaf betrifft, bemerke ich nur soviel: Abends sorget, daß die Kinder früh ins Bett gehen und duldet durchaus nicht, daß sie bis tief in der Nacht bei Spiel oder Schmausereien oder sonstigen Lustbarkeiten zugegen seien, oder gar außer dem Hause Freude und Erholung suchen, sonst wird das Schulkind schon zum Nachtschwärmer; am Morgen – soweit das Alter des Kindes es immer gestattet, sollen sie gleichzeitig aufstehen nicht wach im Bette bleiben, sich waschen mit kaltem Wasser und nach dem Morgengebet gleichzeitig beim Essen erscheinen.
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Glücke? Nichts. Denn nur der Zufriedene ist glücklich.
Bist du mit der Armuth zufrieden, bist du auch glücklich;
bist du im Ueberfluß unzufrieden, bist du doch unglücklich.
Damit also dies wahre Glück möglich werde, muß die
Jugend von Kindheit an in jeder Art Abtödtung und
Selbstverläugnung geübt werden. Aber wie hat dies zu
geschehen?
Wenn ich nun auf scheinbare Kleinigkeiten zu sprechen
komme, so vergesset nicht, daß in der Erziehung auch das
Kleinste eine große Bedeutung hat, und wartet mit dem
Urtheil bis zum Schlusse. Wollet ihr also die Kinder in
der Abtödtung üben, so dürfet ihr ihren Körper nicht ver-
zärteln, sondern äußerlich abhärten. Denn in einem ver-
weichlichten Körper erwacht die Sinnlichkeit zu früh und
zu gewaltig, während die Abtödtung den Körper in das
Tugendjoch hineinfügt, bevor noch der Tugendsinn erwacht.
Lasset daher die Kinder nicht in allzuwarmen und
allzuweichem Federbette schlafen, hüllet sie im Winter
nicht ganz ein, haltet sie nicht in allzuwarmen Stuben.
Im Sommer lasset sie die Kleider nicht so wegwerfen;
kleidet sie nicht so leicht und so kurz, daß vielleicht
noch Scham und Anstand verletzt wird. Sie sollen Kälte
und Hitze ertragen lernen.
Was den Schlaf betrifft, bemerke ich nur soviel:
Abends sorget, daß die Kinder früh ins Bett gehen und
duldet durchaus nicht, daß sie bis tief in der Nacht bei
Spiel oder Schmausereien oder sonstigen Lustbarkeiten
zugegen seien, oder gar außer dem Hause Freude und
Erholung suchen, sonst wird das Schulkind schon zum
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nicht wach im Bette bleiben, sich waschen mit kaltem
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/234>, abgerufen am 23.11.2024.
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