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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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in Lystra predigte "Gott spendet Wohlthat vom Himmel
aus, gibt Regen und fruchtbare Zeiten; er erfüllt mit
Speise und Freude unsere Herzen."
Wenn du also bei
Tisch? nicht betest, um diese nicht zu beleidigen, so thust
du ihnen damit die ärgste Schmach an; denn in Sachen
der Religion stellest du sie weit unter die alten Heiden.
Wie so? Wenn Staatsmänner, wie jener edle Aristides,
wenn Philosophen, wie Plato und Sokrates, Heiden des
alten Athen, an deiner Tafel erschienen, würden sie den
ersten Wein auf den Boden schütten als Opfergabe für
ihre falschen Götter und so ihr Tischgebet verrichten -
und du, der aufgeklärte Christ und gebildete Katholik!
Wenn dann diese alten Heiden dich fragten: Warum
schaust du nicht gen Himmel? Warum kommt kein Gebet
über deine Lippen? Warum hast du keinen Opferwein
für die Gottheit? Hat nicht eine menschenfreundliche
Göttin all' diese Gaben uns geschenkt? Machte sie nicht
die Erde unfruchtbar, bis der oberste Gott ihren Zorn
beschwichtigte?

Was wollte da so ein urwüchsiger Zögling einer
konfessionslosen Schule der Neuzeit einem urwüchsigen
Heiden des alten Athens oder Roms antworten? Es
gibt keine Gottheit, von welcher das Wachsthum und Ge-
deihen der Früchte der Erde abhängig ist; über diesen
Glauben der alten Heidenwelt wie des Christenthums
sind wir mit unserer Wissenschaft längst hinaus. Was
würde dann jener lebensfrohe, heidnische Dichter Horatius,
wenn er sich nicht widersprechen wollte, dir antworten?
Wie ich mit keinem Gottlosen auf dem gleichen Schiffe
sein will, um nicht mit ihm vom Zorne der Götter ge-
troffen zu werden, so will ich auch nicht mit dir an
der gleichen Tafel sitzen.

Aber warum mit den alten Heiden die Christen be-
schämen? Wohl waren die letzten Ausläufer der heidnischen

in Lystra predigte „Gott spendet Wohlthat vom Himmel
aus, gibt Regen und fruchtbare Zeiten; er erfüllt mit
Speise und Freude unsere Herzen.“
Wenn du also bei
Tisch? nicht betest, um diese nicht zu beleidigen, so thust
du ihnen damit die ärgste Schmach an; denn in Sachen
der Religion stellest du sie weit unter die alten Heiden.
Wie so? Wenn Staatsmänner, wie jener edle Aristides,
wenn Philosophen, wie Plato und Sokrates, Heiden des
alten Athen, an deiner Tafel erschienen, würden sie den
ersten Wein auf den Boden schütten als Opfergabe für
ihre falschen Götter und so ihr Tischgebet verrichten –
und du, der aufgeklärte Christ und gebildete Katholik!
Wenn dann diese alten Heiden dich fragten: Warum
schaust du nicht gen Himmel? Warum kommt kein Gebet
über deine Lippen? Warum hast du keinen Opferwein
für die Gottheit? Hat nicht eine menschenfreundliche
Göttin all' diese Gaben uns geschenkt? Machte sie nicht
die Erde unfruchtbar, bis der oberste Gott ihren Zorn
beschwichtigte?

Was wollte da so ein urwüchsiger Zögling einer
konfessionslosen Schule der Neuzeit einem urwüchsigen
Heiden des alten Athens oder Roms antworten? Es
gibt keine Gottheit, von welcher das Wachsthum und Ge-
deihen der Früchte der Erde abhängig ist; über diesen
Glauben der alten Heidenwelt wie des Christenthums
sind wir mit unserer Wissenschaft längst hinaus. Was
würde dann jener lebensfrohe, heidnische Dichter Horatius,
wenn er sich nicht widersprechen wollte, dir antworten?
Wie ich mit keinem Gottlosen auf dem gleichen Schiffe
sein will, um nicht mit ihm vom Zorne der Götter ge-
troffen zu werden, so will ich auch nicht mit dir an
der gleichen Tafel sitzen.

Aber warum mit den alten Heiden die Christen be-
schämen? Wohl waren die letzten Ausläufer der heidnischen

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[280/0292] in Lystra predigte „Gott spendet Wohlthat vom Himmel aus, gibt Regen und fruchtbare Zeiten; er erfüllt mit Speise und Freude unsere Herzen.“ Wenn du also bei Tisch? nicht betest, um diese nicht zu beleidigen, so thust du ihnen damit die ärgste Schmach an; denn in Sachen der Religion stellest du sie weit unter die alten Heiden. Wie so? Wenn Staatsmänner, wie jener edle Aristides, wenn Philosophen, wie Plato und Sokrates, Heiden des alten Athen, an deiner Tafel erschienen, würden sie den ersten Wein auf den Boden schütten als Opfergabe für ihre falschen Götter und so ihr Tischgebet verrichten – und du, der aufgeklärte Christ und gebildete Katholik! Wenn dann diese alten Heiden dich fragten: Warum schaust du nicht gen Himmel? Warum kommt kein Gebet über deine Lippen? Warum hast du keinen Opferwein für die Gottheit? Hat nicht eine menschenfreundliche Göttin all' diese Gaben uns geschenkt? Machte sie nicht die Erde unfruchtbar, bis der oberste Gott ihren Zorn beschwichtigte? Was wollte da so ein urwüchsiger Zögling einer konfessionslosen Schule der Neuzeit einem urwüchsigen Heiden des alten Athens oder Roms antworten? Es gibt keine Gottheit, von welcher das Wachsthum und Ge- deihen der Früchte der Erde abhängig ist; über diesen Glauben der alten Heidenwelt wie des Christenthums sind wir mit unserer Wissenschaft längst hinaus. Was würde dann jener lebensfrohe, heidnische Dichter Horatius, wenn er sich nicht widersprechen wollte, dir antworten? Wie ich mit keinem Gottlosen auf dem gleichen Schiffe sein will, um nicht mit ihm vom Zorne der Götter ge- troffen zu werden, so will ich auch nicht mit dir an der gleichen Tafel sitzen. Aber warum mit den alten Heiden die Christen be- schämen? Wohl waren die letzten Ausläufer der heidnischen

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/292>, abgerufen am 22.11.2024.