Wem das heutige Evangelium nicht genügt, der be- trachte noch ein Ereigniß des alten Bundes. Als in Folge einer dreijährigen Dürre eine furchtbare Hungersnoth über Israel kam, ging der Prophet Elias auf Befehl Gottes nach Sarepta ins Land der Sidonier, wo eine Wittwe für seinen Unterhalt sorgen sollte. Da er zum Thore der Stadt kam, sah er ein Weib, eine Wittwe, die Holz auflas, und er sprach zu ihr: "Gib mir ein wenig Wasser, daß ich trinke, und bring mir, ich bitte dich, einen Bissen Brod in deiner Hand." Was antwortete sie? "So wahr der Herr, dein Gott lebt, ich habe kein Brod, außer eine Hand voll Mehl im Topfe und ein wenig Oel im Kruge; ich lese ein paar Stücke Holz auf, es zu bereiten für mich und meinen Sohn, auf daß wir noch einmal essen und hernach vor Hunger sterben." Welche Noth- lage: noch einmal etwas Brod bereiten und dann hungern und dann sterben, und diesen letzten Bissen sollte sie noch mit einem Fremdling theilen! "Fürchte dich nicht," sprach der Prophet, "thue, wie du gesagt; aber mache mir von dem Mehl zuerst einen kleinen Kuchen. Denn so spricht der Herr, der Gott Israels: der Mehltopf soll nicht ab- nehmen und der Oelkrug nicht leer werden bis zum Tage, an dem der Herr Regen geben wird über das Land." Und in der That nahm der Mehltopf nicht ab und der Oelkrug ward nicht leerer. Das der Segen Gottes, der mit Wenigem Viele und für lange Zeit erhalten und nähren kann. (l. III, reg. XVII.)
Oder sind das etwa Wunder göttlichen Segens? Freilich; aber der gleiche Gott wirkt das gleiche Wunder heute noch, sobald es seine göttliche Weisheit für gut findet, und wirklich finden wir im Leben der Heiligen Gottes durch alle Jahrhunderte solche Segenswunder in Menge; der gleiche Gott gibt heute noch seinen vollen Segen Allen, die ihn darum bitten, ihm dafür danken
Wem das heutige Evangelium nicht genügt, der be- trachte noch ein Ereigniß des alten Bundes. Als in Folge einer dreijährigen Dürre eine furchtbare Hungersnoth über Israel kam, ging der Prophet Elias auf Befehl Gottes nach Sarepta ins Land der Sidonier, wo eine Wittwe für seinen Unterhalt sorgen sollte. Da er zum Thore der Stadt kam, sah er ein Weib, eine Wittwe, die Holz auflas, und er sprach zu ihr: „Gib mir ein wenig Wasser, daß ich trinke, und bring mir, ich bitte dich, einen Bissen Brod in deiner Hand.“ Was antwortete sie? „So wahr der Herr, dein Gott lebt, ich habe kein Brod, außer eine Hand voll Mehl im Topfe und ein wenig Oel im Kruge; ich lese ein paar Stücke Holz auf, es zu bereiten für mich und meinen Sohn, auf daß wir noch einmal essen und hernach vor Hunger sterben.“ Welche Noth- lage: noch einmal etwas Brod bereiten und dann hungern und dann sterben, und diesen letzten Bissen sollte sie noch mit einem Fremdling theilen! „Fürchte dich nicht,“ sprach der Prophet, „thue, wie du gesagt; aber mache mir von dem Mehl zuerst einen kleinen Kuchen. Denn so spricht der Herr, der Gott Israels: der Mehltopf soll nicht ab- nehmen und der Oelkrug nicht leer werden bis zum Tage, an dem der Herr Regen geben wird über das Land.“ Und in der That nahm der Mehltopf nicht ab und der Oelkrug ward nicht leerer. Das der Segen Gottes, der mit Wenigem Viele und für lange Zeit erhalten und nähren kann. (l. III, reg. XVII.)
Oder sind das etwa Wunder göttlichen Segens? Freilich; aber der gleiche Gott wirkt das gleiche Wunder heute noch, sobald es seine göttliche Weisheit für gut findet, und wirklich finden wir im Leben der Heiligen Gottes durch alle Jahrhunderte solche Segenswunder in Menge; der gleiche Gott gibt heute noch seinen vollen Segen Allen, die ihn darum bitten, ihm dafür danken
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Wem das heutige Evangelium nicht genügt, der be-
trachte noch ein Ereigniß des alten Bundes. Als in Folge
einer dreijährigen Dürre eine furchtbare Hungersnoth
über Israel kam, ging der Prophet Elias auf Befehl
Gottes nach Sarepta ins Land der Sidonier, wo eine
Wittwe für seinen Unterhalt sorgen sollte. Da er zum
Thore der Stadt kam, sah er ein Weib, eine Wittwe, die
Holz auflas, und er sprach zu ihr: „Gib mir ein wenig
Wasser, daß ich trinke, und bring mir, ich bitte dich, einen
Bissen Brod in deiner Hand.“ Was antwortete sie? „So
wahr der Herr, dein Gott lebt, ich habe kein Brod, außer
eine Hand voll Mehl im Topfe und ein wenig Oel im
Kruge; ich lese ein paar Stücke Holz auf, es zu bereiten
für mich und meinen Sohn, auf daß wir noch einmal
essen und hernach vor Hunger sterben.“ Welche Noth-
lage: noch einmal etwas Brod bereiten und dann hungern
und dann sterben, und diesen letzten Bissen sollte sie noch
mit einem Fremdling theilen! „Fürchte dich nicht,“ sprach
der Prophet, „thue, wie du gesagt; aber mache mir von
dem Mehl zuerst einen kleinen Kuchen. Denn so spricht
der Herr, der Gott Israels: der Mehltopf soll nicht ab-
nehmen und der Oelkrug nicht leer werden bis zum Tage,
an dem der Herr Regen geben wird über das Land.“
Und in der That nahm der Mehltopf nicht ab und der
Oelkrug ward nicht leerer. Das der Segen Gottes, der
mit Wenigem Viele und für lange Zeit erhalten und
nähren kann. (l. III, reg. XVII.)
Oder sind das etwa Wunder göttlichen Segens?
Freilich; aber der gleiche Gott wirkt das gleiche Wunder
heute noch, sobald es seine göttliche Weisheit für gut
findet, und wirklich finden wir im Leben der Heiligen
Gottes durch alle Jahrhunderte solche Segenswunder in
Menge; der gleiche Gott gibt heute noch seinen vollen
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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