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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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geben. Als die Jünger die Parabel nicht recht ver-
standen hatten, baten sie den Heiland um die Erklärung,
und er gab ihnen sogleich die gewünschte Auskunft. Wenn
die andern Zuhörer den gleichen guten Willen gehabt
hätten, würden auch sie gefragt und weitere Belehrung
erhalten haben; weil sie aber mit offenen Augen nicht
sehen wollten, so konnten sie auch aus eigener Schuld
das Geheimniß vom Reiche Gottes nicht verstehen. Fraget
Gott den Herrn auch um euern Stand und Beruf, und
er wird euch Auskunft geben. Niemand darf erwarten,
auf ganz außerordentliche Weise berufen zu werden wie z. B.
die Apostel oder andere große Heilige; das sind Gnaden-
wunder, worauf niemand Anspruch hat. Dagegen er-
leuchtet Gott einen Jeden mit seiner Gnade, giebt ihm
gute Rathgeber an die Hand, fügt die äußern Umstände
oft derart, daß man wie an der Hand des hl. Schutz-
engels in seinen gottgewollten Stand hineingeführt wird.
Da nun kommt die Frage, was wir zu thun haben, um
dieser Leitung und Führung Gottes theilhaftig zu werden.

Je reiner das Fenster, desto leichter dringt der
Sonnenstrahl in das Zimmer, je trüber dasselbe, desto
dunkler die Wohnung. Die Seele ist wie ein Glas, wie
ein Spiegel, wodurch der Strahl göttlicher Gnade dringt.
Daher sollet ihr besonders zur Zeit der Standeswahl
die Seele ganz rein erhalten; daher ist dann, wenn nicht
allen, doch den meisten eine gute Generalbeicht sehr anzu-
rathen. Oder, christliche Jugend, glaubst du, Gott werde
auch einem sündenbefleckten Herzen sich mittheilen? Diese
Wahrheit habet ihr euch um so tiefer einzuprägen, als
die Standeswahl gewöhnlich in jene Zeit fällt, wo die
Leidenschaften das junge Leben am heftigsten erschüttern
und bewegen. Wenn dann so junge Leute vom Kleide
der Unschuld kaum mehr einen Fetzen haben und keine
Reue darüber empfinden, wenn sie nur von Hoffart,

geben. Als die Jünger die Parabel nicht recht ver-
standen hatten, baten sie den Heiland um die Erklärung,
und er gab ihnen sogleich die gewünschte Auskunft. Wenn
die andern Zuhörer den gleichen guten Willen gehabt
hätten, würden auch sie gefragt und weitere Belehrung
erhalten haben; weil sie aber mit offenen Augen nicht
sehen wollten, so konnten sie auch aus eigener Schuld
das Geheimniß vom Reiche Gottes nicht verstehen. Fraget
Gott den Herrn auch um euern Stand und Beruf, und
er wird euch Auskunft geben. Niemand darf erwarten,
auf ganz außerordentliche Weise berufen zu werden wie z. B.
die Apostel oder andere große Heilige; das sind Gnaden-
wunder, worauf niemand Anspruch hat. Dagegen er-
leuchtet Gott einen Jeden mit seiner Gnade, giebt ihm
gute Rathgeber an die Hand, fügt die äußern Umstände
oft derart, daß man wie an der Hand des hl. Schutz-
engels in seinen gottgewollten Stand hineingeführt wird.
Da nun kommt die Frage, was wir zu thun haben, um
dieser Leitung und Führung Gottes theilhaftig zu werden.

Je reiner das Fenster, desto leichter dringt der
Sonnenstrahl in das Zimmer, je trüber dasselbe, desto
dunkler die Wohnung. Die Seele ist wie ein Glas, wie
ein Spiegel, wodurch der Strahl göttlicher Gnade dringt.
Daher sollet ihr besonders zur Zeit der Standeswahl
die Seele ganz rein erhalten; daher ist dann, wenn nicht
allen, doch den meisten eine gute Generalbeicht sehr anzu-
rathen. Oder, christliche Jugend, glaubst du, Gott werde
auch einem sündenbefleckten Herzen sich mittheilen? Diese
Wahrheit habet ihr euch um so tiefer einzuprägen, als
die Standeswahl gewöhnlich in jene Zeit fällt, wo die
Leidenschaften das junge Leben am heftigsten erschüttern
und bewegen. Wenn dann so junge Leute vom Kleide
der Unschuld kaum mehr einen Fetzen haben und keine
Reue darüber empfinden, wenn sie nur von Hoffart,

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[338/0350] geben. Als die Jünger die Parabel nicht recht ver- standen hatten, baten sie den Heiland um die Erklärung, und er gab ihnen sogleich die gewünschte Auskunft. Wenn die andern Zuhörer den gleichen guten Willen gehabt hätten, würden auch sie gefragt und weitere Belehrung erhalten haben; weil sie aber mit offenen Augen nicht sehen wollten, so konnten sie auch aus eigener Schuld das Geheimniß vom Reiche Gottes nicht verstehen. Fraget Gott den Herrn auch um euern Stand und Beruf, und er wird euch Auskunft geben. Niemand darf erwarten, auf ganz außerordentliche Weise berufen zu werden wie z. B. die Apostel oder andere große Heilige; das sind Gnaden- wunder, worauf niemand Anspruch hat. Dagegen er- leuchtet Gott einen Jeden mit seiner Gnade, giebt ihm gute Rathgeber an die Hand, fügt die äußern Umstände oft derart, daß man wie an der Hand des hl. Schutz- engels in seinen gottgewollten Stand hineingeführt wird. Da nun kommt die Frage, was wir zu thun haben, um dieser Leitung und Führung Gottes theilhaftig zu werden. Je reiner das Fenster, desto leichter dringt der Sonnenstrahl in das Zimmer, je trüber dasselbe, desto dunkler die Wohnung. Die Seele ist wie ein Glas, wie ein Spiegel, wodurch der Strahl göttlicher Gnade dringt. Daher sollet ihr besonders zur Zeit der Standeswahl die Seele ganz rein erhalten; daher ist dann, wenn nicht allen, doch den meisten eine gute Generalbeicht sehr anzu- rathen. Oder, christliche Jugend, glaubst du, Gott werde auch einem sündenbefleckten Herzen sich mittheilen? Diese Wahrheit habet ihr euch um so tiefer einzuprägen, als die Standeswahl gewöhnlich in jene Zeit fällt, wo die Leidenschaften das junge Leben am heftigsten erschüttern und bewegen. Wenn dann so junge Leute vom Kleide der Unschuld kaum mehr einen Fetzen haben und keine Reue darüber empfinden, wenn sie nur von Hoffart,

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/350>, abgerufen am 22.11.2024.