und besonders für die Hausgenossen nicht Sorge trägt, der hat den Glauben verleugnet, und ist ärger als ein Ungläubiger." Wer also für das zeitliche und ewige Wohl seiner Hausgenossen nicht sorgt, verleugnet den Glauben, wenn nicht mit Worten, doch durch sein Leben, der ist ärger als ein Heide, denn dieser ist nach dem Naturgesetz für seine Familie besorgt.
Aber woher diese Pflicht? Aus der Natur der Sache. Sehet einmal, Väter und Mütter vertrauen euch ihre Söhne und Töchter an, bald als Knechte und Mägde, bald als Lehrlinge und Gesellen, bald als Taglöhner, als Fabrikarbeiter, oder auch als Kostgänger. Ihr wisset nun, wie es so vielen Eltern wehe thut, daß sie ihre zarte Jugend aus Armuth und Noth oder auch andern Gründen nicht im Schoße der Familie behalten können. Sie ver- trauen sie euch an. Was müssen sie verlangen, da sie beim Abschied den Sohn, die Tochter mit thränen- gefülltem Auge mahnen: "Bleibe doch brav, bleibe doch unschuldig!" - was müssen sie von euch verlangen? Daß die Unschuld der Kinder in euerem Hause, in euerer Fabrik, in euerer Gesellschaft vollkommen gesichert sei. Sobald ihr daher solche Arbeiter annehmet, übernehmet ihr auch die Sorge für ihr Seelenheil.
Aber noch höher steiget. Indem es Gott geleitet, daß ihr Arbeiter beschäftigen könnet, hat er euch zu seinen Stellvertretern an ihnen gemacht. Daher wird und muß er die Seelen all dieser Arbeiter und Arbeiterinnen einst auch aus euerer Hand zurückverlangen. Der hl. Augu- stinus (de civ. Dei. XIX 16) setzt diese Pflicht so tief- sinnig und doch so einfach auseinander, wenn er sagt: "Wenn auch unsere gerechten Väter Knechte hatten, so besorgten sie doch den Hausfrieden derart, daß sie in Bezug auf die zeitlichen Güter den Stand der Söhne von dem der Knechte unterschieden, aber in Bezug auf
und besonders für die Hausgenossen nicht Sorge trägt, der hat den Glauben verleugnet, und ist ärger als ein Ungläubiger.“ Wer also für das zeitliche und ewige Wohl seiner Hausgenossen nicht sorgt, verleugnet den Glauben, wenn nicht mit Worten, doch durch sein Leben, der ist ärger als ein Heide, denn dieser ist nach dem Naturgesetz für seine Familie besorgt.
Aber woher diese Pflicht? Aus der Natur der Sache. Sehet einmal, Väter und Mütter vertrauen euch ihre Söhne und Töchter an, bald als Knechte und Mägde, bald als Lehrlinge und Gesellen, bald als Taglöhner, als Fabrikarbeiter, oder auch als Kostgänger. Ihr wisset nun, wie es so vielen Eltern wehe thut, daß sie ihre zarte Jugend aus Armuth und Noth oder auch andern Gründen nicht im Schoße der Familie behalten können. Sie ver- trauen sie euch an. Was müssen sie verlangen, da sie beim Abschied den Sohn, die Tochter mit thränen- gefülltem Auge mahnen: „Bleibe doch brav, bleibe doch unschuldig!“ – was müssen sie von euch verlangen? Daß die Unschuld der Kinder in euerem Hause, in euerer Fabrik, in euerer Gesellschaft vollkommen gesichert sei. Sobald ihr daher solche Arbeiter annehmet, übernehmet ihr auch die Sorge für ihr Seelenheil.
Aber noch höher steiget. Indem es Gott geleitet, daß ihr Arbeiter beschäftigen könnet, hat er euch zu seinen Stellvertretern an ihnen gemacht. Daher wird und muß er die Seelen all dieser Arbeiter und Arbeiterinnen einst auch aus euerer Hand zurückverlangen. Der hl. Augu- stinus (de civ. Dei. XIX 16) setzt diese Pflicht so tief- sinnig und doch so einfach auseinander, wenn er sagt: „Wenn auch unsere gerechten Väter Knechte hatten, so besorgten sie doch den Hausfrieden derart, daß sie in Bezug auf die zeitlichen Güter den Stand der Söhne von dem der Knechte unterschieden, aber in Bezug auf
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und besonders für die Hausgenossen nicht Sorge trägt,
der hat den Glauben verleugnet, und ist ärger als ein
Ungläubiger.“ Wer also für das zeitliche und ewige
Wohl seiner Hausgenossen nicht sorgt, verleugnet den
Glauben, wenn nicht mit Worten, doch durch sein Leben,
der ist ärger als ein Heide, denn dieser ist nach dem
Naturgesetz für seine Familie besorgt.
Aber woher diese Pflicht? Aus der Natur der
Sache. Sehet einmal, Väter und Mütter vertrauen euch
ihre Söhne und Töchter an, bald als Knechte und Mägde,
bald als Lehrlinge und Gesellen, bald als Taglöhner, als
Fabrikarbeiter, oder auch als Kostgänger. Ihr wisset
nun, wie es so vielen Eltern wehe thut, daß sie ihre zarte
Jugend aus Armuth und Noth oder auch andern Gründen
nicht im Schoße der Familie behalten können. Sie ver-
trauen sie euch an. Was müssen sie verlangen, da sie
beim Abschied den Sohn, die Tochter mit thränen-
gefülltem Auge mahnen: „Bleibe doch brav, bleibe doch
unschuldig!“ – was müssen sie von euch verlangen?
Daß die Unschuld der Kinder in euerem Hause, in euerer
Fabrik, in euerer Gesellschaft vollkommen gesichert sei.
Sobald ihr daher solche Arbeiter annehmet, übernehmet
ihr auch die Sorge für ihr Seelenheil.
Aber noch höher steiget. Indem es Gott geleitet,
daß ihr Arbeiter beschäftigen könnet, hat er euch zu seinen
Stellvertretern an ihnen gemacht. Daher wird und muß
er die Seelen all dieser Arbeiter und Arbeiterinnen einst
auch aus euerer Hand zurückverlangen. Der hl. Augu-
stinus (de civ. Dei. XIX 16) setzt diese Pflicht so tief-
sinnig und doch so einfach auseinander, wenn er sagt:
„Wenn auch unsere gerechten Väter Knechte hatten, so
besorgten sie doch den Hausfrieden derart, daß sie in
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von dem der Knechte unterschieden, aber in Bezug auf
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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