Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.Periode 4. Quellen. gen so entnervt, als je eine Nation gewesenist; die Eroberer (Barbari) brachten ihre al- te Tapferkeit, aber auch fast ganz ihre alte Roheit und Unwissenheit mit. Unmöglich konnten so sehr verschiedene Menschen in po- litischer und juristischer Rücksicht einander gleich gesetzt werden, ehe die Zeit und der tägliche Umgang sie verähnlicht, die Römer noch unwissender aber stärker, die Barba- ren lasterhafter aber etwas cultivirter ge- macht hatte. Anfangs war es wenigstens eben so wesentlich zu wissen, ob jemand ein Gothe oder ein Römer sey, als zu welchem Geschlechte man gehöre; nachher wurden es zwey verschiedene Stände, die man sich wähl- te wie man den geistlichen oder den weltlichen Stand sich wählt, der jure Romano viuens war nicht in allen Stücken schlechter, als der jure Salico viuens, und am Ende amalga- mirte sich das Recht, im ganzen Umfange des Worts, wie die Sprache, die Religion, und die Sitten. Von diesen Bestandthei- len bekam keiner das Uebergewicht ganz, es war ja auf der einen Seite zwar das Recht und die Sprache des Siegers, der herrschen- den glücklichen Nation, aber das Recht und die Sprache der Ueberwundenen war aus- gebildeter und geschrieben, es war das Recht und die Sprache bey weitem des größern, zahl- L
Periode 4. Quellen. gen ſo entnervt, als je eine Nation geweſeniſt; die Eroberer (Barbari) brachten ihre al- te Tapferkeit, aber auch faſt ganz ihre alte Roheit und Unwiſſenheit mit. Unmoͤglich konnten ſo ſehr verſchiedene Menſchen in po- litiſcher und juriſtiſcher Ruͤckſicht einander gleich geſetzt werden, ehe die Zeit und der taͤgliche Umgang ſie veraͤhnlicht, die Roͤmer noch unwiſſender aber ſtaͤrker, die Barba- ren laſterhafter aber etwas cultivirter ge- macht hatte. Anfangs war es wenigſtens eben ſo weſentlich zu wiſſen, ob jemand ein Gothe oder ein Roͤmer ſey, als zu welchem Geſchlechte man gehoͤre; nachher wurden es zwey verſchiedene Staͤnde, die man ſich waͤhl- te wie man den geiſtlichen oder den weltlichen Stand ſich waͤhlt, der jure Romano viuens war nicht in allen Stuͤcken ſchlechter, als der jure Salico viuens, und am Ende amalga- mirte ſich das Recht, im ganzen Umfange des Worts, wie die Sprache, die Religion, und die Sitten. Von dieſen Beſtandthei- len bekam keiner das Uebergewicht ganz, es war ja auf der einen Seite zwar das Recht und die Sprache des Siegers, der herrſchen- den gluͤcklichen Nation, aber das Recht und die Sprache der Ueberwundenen war aus- gebildeter und geſchrieben, es war das Recht und die Sprache bey weitem des groͤßern, zahl- L
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Periode 4. Quellen.
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iſt; die Eroberer (Barbari) brachten ihre al-
te Tapferkeit, aber auch faſt ganz ihre alte
Roheit und Unwiſſenheit mit. Unmoͤglich
konnten ſo ſehr verſchiedene Menſchen in po-
litiſcher und juriſtiſcher Ruͤckſicht einander
gleich geſetzt werden, ehe die Zeit und der
taͤgliche Umgang ſie veraͤhnlicht, die Roͤmer
noch unwiſſender aber ſtaͤrker, die Barba-
ren laſterhafter aber etwas cultivirter ge-
macht hatte. Anfangs war es wenigſtens
eben ſo weſentlich zu wiſſen, ob jemand ein
Gothe oder ein Roͤmer ſey, als zu welchem
Geſchlechte man gehoͤre; nachher wurden es
zwey verſchiedene Staͤnde, die man ſich waͤhl-
te wie man den geiſtlichen oder den weltlichen
Stand ſich waͤhlt, der jure Romano viuens
war nicht in allen Stuͤcken ſchlechter, als der
jure Salico viuens, und am Ende amalga-
mirte ſich das Recht, im ganzen Umfange
des Worts, wie die Sprache, die Religion,
und die Sitten. Von dieſen Beſtandthei-
len bekam keiner das Uebergewicht ganz, es
war ja auf der einen Seite zwar das Recht
und die Sprache des Siegers, der herrſchen-
den gluͤcklichen Nation, aber das Recht und
die Sprache der Ueberwundenen war aus-
gebildeter und geſchrieben, es war das Recht
und die Sprache bey weitem des groͤßern,
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