Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.Theil I. bis Justinian. lichen Bildung überlassen, ohne deswegen sichselbst, oder ein ganzes Corps von seinen Stellvertretern, in Bewegung zu setzen. Es ist immer schon Gewinn, wenn nur Gewalt- thätigkeiten dadurch verhindert werden, daß ein unpartheyischer, zum voraus durch die Stimmen der Bürger ernannter, Dritter da ist, an den man sich wenden kann, und dessen Einsicht mehr physischen Nachdruck hat, als die Einsicht der Partheyen. Dieser Dritte braucht gar keine besondre Instruction; es ist nur nöthig, daß über die ganze Anstalt, als Regierungs-Sache, das wichtigste verabredet oder festgesetzt werde, z. B. wie man den Gegner zwingen könne, sich vor der Obrig- keit zu stellen (de in jus vocando), ob die Obrigkeit selbst untersuchen, oder einem Pri- vatmanne die Untersuchung auftragen dürfe oder müsse u. s. w. Entstehen Regierungs- gesetze, Verordnungen, die Einfluß auf die Civiljustiz haben, so muß der Richter diese befolgen; aber dies sind nur einzele Modifi- cationen, die Regel bleibt immer aequitas, das was die Nation für Recht und Unrecht hält a), diese Meynung mag sich bestimmt haben, wie sie will, nur daß sie sich sehr sel- ten durch einen feyerlichen Volksschluß bilden wird. Selbst dazu, daß ein Volksschluß sie bestätigt, gehört eine besondre Veranlassung, wie
Theil I. bis Juſtinian. lichen Bildung uͤberlaſſen, ohne deswegen ſichſelbſt, oder ein ganzes Corps von ſeinen Stellvertretern, in Bewegung zu ſetzen. Es iſt immer ſchon Gewinn, wenn nur Gewalt- thaͤtigkeiten dadurch verhindert werden, daß ein unpartheyiſcher, zum voraus durch die Stimmen der Buͤrger ernannter, Dritter da iſt, an den man ſich wenden kann, und deſſen Einſicht mehr phyſiſchen Nachdruck hat, als die Einſicht der Partheyen. Dieſer Dritte braucht gar keine beſondre Inſtruction; es iſt nur noͤthig, daß uͤber die ganze Anſtalt, als Regierungs-Sache, das wichtigſte verabredet oder feſtgeſetzt werde, z. B. wie man den Gegner zwingen koͤnne, ſich vor der Obrig- keit zu ſtellen (de in jus vocando), ob die Obrigkeit ſelbſt unterſuchen, oder einem Pri- vatmanne die Unterſuchung auftragen duͤrfe oder muͤſſe u. ſ. w. Entſtehen Regierungs- geſetze, Verordnungen, die Einfluß auf die Civiljuſtiz haben, ſo muß der Richter dieſe befolgen; aber dies ſind nur einzele Modifi- cationen, die Regel bleibt immer aequitas, das was die Nation fuͤr Recht und Unrecht haͤlt a), dieſe Meynung mag ſich beſtimmt haben, wie ſie will, nur daß ſie ſich ſehr ſel- ten durch einen feyerlichen Volksſchluß bilden wird. Selbſt dazu, daß ein Volksſchluß ſie beſtaͤtigt, gehoͤrt eine beſondre Veranlaſſung, wie
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Theil I. bis Juſtinian.
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Stellvertretern, in Bewegung zu ſetzen. Es
iſt immer ſchon Gewinn, wenn nur Gewalt-
thaͤtigkeiten dadurch verhindert werden, daß
ein unpartheyiſcher, zum voraus durch die
Stimmen der Buͤrger ernannter, Dritter da iſt,
an den man ſich wenden kann, und deſſen
Einſicht mehr phyſiſchen Nachdruck hat, als
die Einſicht der Partheyen. Dieſer Dritte
braucht gar keine beſondre Inſtruction; es iſt
nur noͤthig, daß uͤber die ganze Anſtalt, als
Regierungs-Sache, das wichtigſte verabredet
oder feſtgeſetzt werde, z. B. wie man den
Gegner zwingen koͤnne, ſich vor der Obrig-
keit zu ſtellen (de in jus vocando), ob die
Obrigkeit ſelbſt unterſuchen, oder einem Pri-
vatmanne die Unterſuchung auftragen duͤrfe
oder muͤſſe u. ſ. w. Entſtehen Regierungs-
geſetze, Verordnungen, die Einfluß auf die
Civiljuſtiz haben, ſo muß der Richter dieſe
befolgen; aber dies ſind nur einzele Modifi-
cationen, die Regel bleibt immer aequitas,
das was die Nation fuͤr Recht und Unrecht
haͤlt a), dieſe Meynung mag ſich beſtimmt
haben, wie ſie will, nur daß ſie ſich ſehr ſel-
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Zitationshilfe: | Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/60>, abgerufen am 16.02.2025. |