Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Abhandlung über die dreyfache Verbindung aus Phosphor, Stickstoff und Sauerstoff, oder über das Daseyn der Phosphures dazote oxidés. In: Allgemeines Journal der Chemie, Bd. 1 (1798), S. 573-589.

Bild:
<< vorherige Seite
27. v. Humboldt über die dreyfache Verbindung

Eine große Anzahl von Versuchen hat mir die näm-
lichen Resultate gegeben. Der Phosphor leuchtete oft vom
dritten oder vierten Tage an nicht mehr. Jch glaubte,
ein sehr reines Stickstoffgas erhalten zu haben, aber fast
immer entdeckte das Salpetergas noch einige Hundert-
theile Sauerstoff-Rückstände der atmosphärischen Luft, in
welchen der Phosphor nicht rauchte, obgleich die Röhre
halb glühend gemacht worden war, sie rötheten das Sal-
petergas: sie enthielten also den Sauerstoff in einem Zu-
stand chemischer Bindung, welcher ihm, nicht der Phos-
phor, wohl aber die Grundlagen des Salpetergas zu ent-
ziehen im Stande sind.

Das wichtige Phänomen, daß der Phosphor beständig
weniger Sauerstoff in der Atmosphäre angiebt, als das
Salpetergas, war der Scharfsichtigkeit des Bürgers G[u]y-
ton
nicht entgangen; er bemerkt (Encycloped. Vol. I.
p. 709.
) daß der Phosphor niemals über 0.20. verschluk-
ke: und indem er den Rückstand nicht durch das Salpe-
tergas zerlegt hatte, schrieb er die Ursache dieser gerin-
gen Verschluckung der Bildung einer gasartigen Phosphor-
säure zu. Der Zustand der chemischen Kenntnisse erlaubte
diesem berühmten Chemiker damals nicht, die Auflösung
des Phosphors in dem Stickstoffgas dafür anzugeben, wel-
che er jezt anzunehmen nicht ansteht.

Am ersten und funfzehnten Messidor stellte ich im La-
boratorium der Agence des mines unter den Augen
Vauquelin's folgende Versuche an; ich brachte atmo-
sphärische Luft (deren Sauerstoffgehalt man 0.27 befunden
hatte) mit Phosphor in drey Röhren A, B und C in Be-
rührung; der erste verschluckte in zehn Tagen, 0.115, der

zweyte
27. v. Humboldt uͤber die dreyfache Verbindung

Eine große Anzahl von Verſuchen hat mir die naͤm-
lichen Reſultate gegeben. Der Phosphor leuchtete oft vom
dritten oder vierten Tage an nicht mehr. Jch glaubte,
ein ſehr reines Stickſtoffgas erhalten zu haben, aber faſt
immer entdeckte das Salpetergas noch einige Hundert-
theile Sauerſtoff-Ruͤckſtaͤnde der atmoſphaͤriſchen Luft, in
welchen der Phosphor nicht rauchte, obgleich die Roͤhre
halb gluͤhend gemacht worden war, ſie roͤtheten das Sal-
petergas: ſie enthielten alſo den Sauerſtoff in einem Zu-
ſtand chemiſcher Bindung, welcher ihm, nicht der Phos-
phor, wohl aber die Grundlagen des Salpetergas zu ent-
ziehen im Stande ſind.

Das wichtige Phaͤnomen, daß der Phosphor beſtaͤndig
weniger Sauerſtoff in der Atmoſphaͤre angiebt, als das
Salpetergas, war der Scharfſichtigkeit des Buͤrgers G[u]y-
ton
nicht entgangen; er bemerkt (Encyclopéd. Vol. I.
p. 709.
) daß der Phosphor niemals uͤber 0.20. verſchluk-
ke: und indem er den Ruͤckſtand nicht durch das Salpe-
tergas zerlegt hatte, ſchrieb er die Urſache dieſer gerin-
gen Verſchluckung der Bildung einer gasartigen Phosphor-
ſaͤure zu. Der Zuſtand der chemiſchen Kenntniſſe erlaubte
dieſem beruͤhmten Chemiker damals nicht, die Aufloͤſung
des Phosphors in dem Stickſtoffgas dafuͤr anzugeben, wel-
che er jezt anzunehmen nicht anſteht.

Am erſten und funfzehnten Meſſidor ſtellte ich im La-
boratorium der Agence des mines unter den Augen
Vauquelin's folgende Verſuche an; ich brachte atmo-
ſphaͤriſche Luft (deren Sauerſtoffgehalt man 0.27 befunden
hatte) mit Phosphor in drey Roͤhren A, B und C in Be-
ruͤhrung; der erſte verſchluckte in zehn Tagen, 0.115, der

zweyte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0009" n="580"/>
        <fw type="header" place="top">27. v. Humboldt u&#x0364;ber die dreyfache Verbindung</fw><lb/>
        <p>Eine große Anzahl von Ver&#x017F;uchen hat mir die na&#x0364;m-<lb/>
lichen Re&#x017F;ultate gegeben. Der Phosphor leuchtete oft vom<lb/>
dritten oder vierten Tage an nicht mehr. Jch glaubte,<lb/>
ein &#x017F;ehr reines Stick&#x017F;toffgas erhalten zu haben, aber fa&#x017F;t<lb/>
immer entdeckte das Salpetergas noch einige Hundert-<lb/>
theile Sauer&#x017F;toff-Ru&#x0364;ck&#x017F;ta&#x0364;nde der atmo&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen Luft, in<lb/>
welchen der Phosphor nicht rauchte, obgleich die Ro&#x0364;hre<lb/>
halb glu&#x0364;hend gemacht worden war, &#x017F;ie ro&#x0364;theten das Sal-<lb/>
petergas: &#x017F;ie enthielten al&#x017F;o den Sauer&#x017F;toff in einem Zu-<lb/>
&#x017F;tand chemi&#x017F;cher Bindung, welcher <choice><sic>ihn</sic><corr>ihm</corr></choice>, nicht der Phos-<lb/>
phor, wohl aber die Grundlagen des Salpetergas zu ent-<lb/>
ziehen im Stande &#x017F;ind.</p><lb/>
        <p>Das wichtige Pha&#x0364;nomen, daß der Phosphor be&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
weniger Sauer&#x017F;toff in der Atmo&#x017F;pha&#x0364;re angiebt, als das<lb/>
Salpetergas, war der Scharf&#x017F;ichtigkeit des Bu&#x0364;rgers <hi rendition="#g">G<supplied>u</supplied>y-<lb/>
ton</hi> nicht entgangen; er bemerkt (<hi rendition="#aq">Encyclopéd. Vol. I.<lb/>
p. 709.</hi>) daß der Phosphor niemals u&#x0364;ber 0.20. ver&#x017F;chluk-<lb/>
ke: und indem er den Ru&#x0364;ck&#x017F;tand nicht durch das Salpe-<lb/>
tergas zerlegt hatte, &#x017F;chrieb er die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er gerin-<lb/>
gen Ver&#x017F;chluckung der Bildung einer gasartigen Phosphor-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;ure zu. Der Zu&#x017F;tand der chemi&#x017F;chen Kenntni&#x017F;&#x017F;e erlaubte<lb/>
die&#x017F;em beru&#x0364;hmten Chemiker damals nicht, die Auflo&#x0364;&#x017F;ung<lb/>
des Phosphors in dem Stick&#x017F;toffgas dafu&#x0364;r anzugeben, wel-<lb/>
che er jezt anzunehmen nicht an&#x017F;teht.</p><lb/>
        <p>Am er&#x017F;ten und funfzehnten Me&#x017F;&#x017F;idor &#x017F;tellte ich im La-<lb/>
boratorium der <hi rendition="#aq">Agence des mines</hi> unter den Augen<lb/><hi rendition="#g">Vauquelin's</hi> folgende Ver&#x017F;uche an; ich brachte atmo-<lb/>
&#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;che Luft (deren Sauer&#x017F;toffgehalt man 0.27 befunden<lb/>
hatte) mit Phosphor in drey Ro&#x0364;hren <hi rendition="#aq">A, B</hi> und <hi rendition="#aq">C</hi> in Be-<lb/>
ru&#x0364;hrung; der er&#x017F;te ver&#x017F;chluckte in zehn Tagen, 0.115, der<lb/>
<fw type="catch" place="bottom">zweyte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[580/0009] 27. v. Humboldt uͤber die dreyfache Verbindung Eine große Anzahl von Verſuchen hat mir die naͤm- lichen Reſultate gegeben. Der Phosphor leuchtete oft vom dritten oder vierten Tage an nicht mehr. Jch glaubte, ein ſehr reines Stickſtoffgas erhalten zu haben, aber faſt immer entdeckte das Salpetergas noch einige Hundert- theile Sauerſtoff-Ruͤckſtaͤnde der atmoſphaͤriſchen Luft, in welchen der Phosphor nicht rauchte, obgleich die Roͤhre halb gluͤhend gemacht worden war, ſie roͤtheten das Sal- petergas: ſie enthielten alſo den Sauerſtoff in einem Zu- ſtand chemiſcher Bindung, welcher ihm, nicht der Phos- phor, wohl aber die Grundlagen des Salpetergas zu ent- ziehen im Stande ſind. Das wichtige Phaͤnomen, daß der Phosphor beſtaͤndig weniger Sauerſtoff in der Atmoſphaͤre angiebt, als das Salpetergas, war der Scharfſichtigkeit des Buͤrgers Guy- ton nicht entgangen; er bemerkt (Encyclopéd. Vol. I. p. 709.) daß der Phosphor niemals uͤber 0.20. verſchluk- ke: und indem er den Ruͤckſtand nicht durch das Salpe- tergas zerlegt hatte, ſchrieb er die Urſache dieſer gerin- gen Verſchluckung der Bildung einer gasartigen Phosphor- ſaͤure zu. Der Zuſtand der chemiſchen Kenntniſſe erlaubte dieſem beruͤhmten Chemiker damals nicht, die Aufloͤſung des Phosphors in dem Stickſtoffgas dafuͤr anzugeben, wel- che er jezt anzunehmen nicht anſteht. Am erſten und funfzehnten Meſſidor ſtellte ich im La- boratorium der Agence des mines unter den Augen Vauquelin's folgende Verſuche an; ich brachte atmo- ſphaͤriſche Luft (deren Sauerſtoffgehalt man 0.27 befunden hatte) mit Phosphor in drey Roͤhren A, B und C in Be- ruͤhrung; der erſte verſchluckte in zehn Tagen, 0.115, der zweyte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_abhandlung_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_abhandlung_1798/9
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Abhandlung über die dreyfache Verbindung aus Phosphor, Stickstoff und Sauerstoff, oder über das Daseyn der Phosphures dazote oxidés. In: Allgemeines Journal der Chemie, Bd. 1 (1798), S. 573-589, hier S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_abhandlung_1798/9>, abgerufen am 04.12.2024.