Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.hier in Absätzen warme Wasserdünste; wir sahen den Ther- 1 Diese Frage ist mit großem Scharfsinn von Breislack in
seiner Introduzzione alla Geologia erörtert. Der Cotopaxi und der Popocatepetl, die ich im Jahre 1804 Rauch und Asche aus- werfen sah, liegen weiter vom Großen Ozean und dem Meere der Antillen als Grenoble vom Mittelmeer und Orleans vom Atlanti- schen Meer. Man kann es allerdings nicht als einen bloßen Zufall ansehen, daß man keinen thätigen Vulkan entdeckt hat, der über 74 km von der Meeresküste läge; aber die Hypothese, nach der das Meerwasser von den Vulkanen aufgesogen, destilliert und zersetzt würde, scheint mir sehr zweifelhaft. hier in Abſätzen warme Waſſerdünſte; wir ſahen den Ther- 1 Dieſe Frage iſt mit großem Scharfſinn von Breislack in
ſeiner Introduzzione alla Geologia erörtert. Der Cotopaxi und der Popocatepetl, die ich im Jahre 1804 Rauch und Aſche aus- werfen ſah, liegen weiter vom Großen Ozean und dem Meere der Antillen als Grenoble vom Mittelmeer und Orléans vom Atlanti- ſchen Meer. Man kann es allerdings nicht als einen bloßen Zufall anſehen, daß man keinen thätigen Vulkan entdeckt hat, der über 74 km von der Meeresküſte läge; aber die Hypotheſe, nach der das Meerwaſſer von den Vulkanen aufgeſogen, deſtilliert und zerſetzt würde, ſcheint mir ſehr zweifelhaft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0101" n="85"/> hier in Abſätzen warme Waſſerdünſte; wir ſahen den Ther-<lb/> mometer darin auf 43,2° ſteigen; Labillardi<hi rendition="#aq">è</hi>re hatte acht<lb/> Jahre vor uns dieſe Dämpfe 53,7° heiß gefunden, ein Unter-<lb/> ſchied, der vielleicht nicht ſowohl auf eine Abnahme der vul-<lb/> kaniſchen Thätigkeit als auf einen lokalen Wechſel in der<lb/> Erhitzung der Bergwände hindeutet. Die Dämpfe ſind ge-<lb/> ruchlos und ſcheinen reines Waſſer. Kurz vor dem großen<lb/> Ausbruch des Veſuvs im Jahre 1806 beobachteten Gay-Luſſac<lb/> und ich, daß das Waſſer, das in Dampfform aus dem Inneren<lb/> des Kraters kommt, Lackmuspapier nicht rötete. Ich kann<lb/> übrigens der kühnen Hypotheſe mehrerer Phyſiker nicht bei-<lb/> ſtimmen, wonach die <hi rendition="#g">Naslöcher des Piks</hi> als die Mün-<lb/> dungen eines ungeheuren Deſtillierapparates, deſſen Boden<lb/> unter der Meeresfläche liegt, zu betrachten ſein ſollen. Seit man<lb/> die Vulkane ſorgfältiger beobachtet und der Hang zum Wunder-<lb/> baren ſich in geologiſchen Büchern weniger bemerkbar macht,<lb/> fängt man an, den unmittelbaren beſtändigen Zuſammenhang<lb/> zwiſchen dem Meere und den Herden des vulkaniſchen Feuers<lb/> mit Recht ſtark in Zweifel zu ziehen. <note place="foot" n="1">Dieſe Frage iſt mit großem Scharfſinn von Breislack in<lb/> ſeiner <hi rendition="#aq">Introduzzione alla Geologia</hi> erörtert. Der Cotopaxi und<lb/> der Popocatepetl, die ich im Jahre 1804 Rauch und Aſche aus-<lb/> werfen ſah, liegen weiter vom Großen Ozean und dem Meere der<lb/> Antillen als Grenoble vom Mittelmeer und Orl<hi rendition="#aq">é</hi>ans vom Atlanti-<lb/> ſchen Meer. Man kann es allerdings nicht als einen bloßen Zufall<lb/> anſehen, daß man keinen thätigen Vulkan entdeckt hat, der über<lb/> 74 <hi rendition="#aq">km</hi> von der Meeresküſte läge; aber die Hypotheſe, nach der das<lb/> Meerwaſſer von den Vulkanen aufgeſogen, deſtilliert und zerſetzt<lb/> würde, ſcheint mir ſehr zweifelhaft.</note> Dieſe durchaus nicht<lb/> auffallende Erſcheinung erklärt ſich wohl ſehr einfach. Der<lb/> Pik iſt einen Teil des Jahres mit Schnee bedeckt; wir ſelbſt<lb/> fanden noch welchen auf der kleinen Ebene Rambleta; ja<lb/> Odonnell und Armſtrong haben im Jahre 1806 im Malpays<lb/> eine ſehr ſtarke Quelle entdeckt, und zwar 195 <hi rendition="#aq">m</hi> über der<lb/> Eishöhle, die vielleicht zum Teil von dieſer Quelle geſpeiſt<lb/> wird. Alles weiſt alſo darauf hin, daß der Pik von Tenerifa,<lb/> gleich den Vulkanen der Anden und der Inſel Luzon, im<lb/> Inneren große Höhlungen hat, die mit atmoſphäriſchem Waſſer<lb/> gefüllt ſind, das einfach durchgeſickert iſt. Die Waſſerdämpfe<lb/> welche die Naslöcher und die Spalten im Krater ausſtoßen,<lb/> ſind nichts als dieſes ſelbe Waſſer, das durch die Wände,<lb/> über die es fließt, erhitzt wird.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0101]
hier in Abſätzen warme Waſſerdünſte; wir ſahen den Ther-
mometer darin auf 43,2° ſteigen; Labillardière hatte acht
Jahre vor uns dieſe Dämpfe 53,7° heiß gefunden, ein Unter-
ſchied, der vielleicht nicht ſowohl auf eine Abnahme der vul-
kaniſchen Thätigkeit als auf einen lokalen Wechſel in der
Erhitzung der Bergwände hindeutet. Die Dämpfe ſind ge-
ruchlos und ſcheinen reines Waſſer. Kurz vor dem großen
Ausbruch des Veſuvs im Jahre 1806 beobachteten Gay-Luſſac
und ich, daß das Waſſer, das in Dampfform aus dem Inneren
des Kraters kommt, Lackmuspapier nicht rötete. Ich kann
übrigens der kühnen Hypotheſe mehrerer Phyſiker nicht bei-
ſtimmen, wonach die Naslöcher des Piks als die Mün-
dungen eines ungeheuren Deſtillierapparates, deſſen Boden
unter der Meeresfläche liegt, zu betrachten ſein ſollen. Seit man
die Vulkane ſorgfältiger beobachtet und der Hang zum Wunder-
baren ſich in geologiſchen Büchern weniger bemerkbar macht,
fängt man an, den unmittelbaren beſtändigen Zuſammenhang
zwiſchen dem Meere und den Herden des vulkaniſchen Feuers
mit Recht ſtark in Zweifel zu ziehen. 1 Dieſe durchaus nicht
auffallende Erſcheinung erklärt ſich wohl ſehr einfach. Der
Pik iſt einen Teil des Jahres mit Schnee bedeckt; wir ſelbſt
fanden noch welchen auf der kleinen Ebene Rambleta; ja
Odonnell und Armſtrong haben im Jahre 1806 im Malpays
eine ſehr ſtarke Quelle entdeckt, und zwar 195 m über der
Eishöhle, die vielleicht zum Teil von dieſer Quelle geſpeiſt
wird. Alles weiſt alſo darauf hin, daß der Pik von Tenerifa,
gleich den Vulkanen der Anden und der Inſel Luzon, im
Inneren große Höhlungen hat, die mit atmoſphäriſchem Waſſer
gefüllt ſind, das einfach durchgeſickert iſt. Die Waſſerdämpfe
welche die Naslöcher und die Spalten im Krater ausſtoßen,
ſind nichts als dieſes ſelbe Waſſer, das durch die Wände,
über die es fließt, erhitzt wird.
1 Dieſe Frage iſt mit großem Scharfſinn von Breislack in
ſeiner Introduzzione alla Geologia erörtert. Der Cotopaxi und
der Popocatepetl, die ich im Jahre 1804 Rauch und Aſche aus-
werfen ſah, liegen weiter vom Großen Ozean und dem Meere der
Antillen als Grenoble vom Mittelmeer und Orléans vom Atlanti-
ſchen Meer. Man kann es allerdings nicht als einen bloßen Zufall
anſehen, daß man keinen thätigen Vulkan entdeckt hat, der über
74 km von der Meeresküſte läge; aber die Hypotheſe, nach der das
Meerwaſſer von den Vulkanen aufgeſogen, deſtilliert und zerſetzt
würde, ſcheint mir ſehr zweifelhaft.
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