Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.dilleren unmittelbar an die Gewächse aus der Familie der Daß auf der Spitze des Piks die Dörfchen, Weinberge dilleren unmittelbar an die Gewächſe aus der Familie der Daß auf der Spitze des Piks die Dörfchen, Weinberge <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0108" n="92"/> dilleren unmittelbar an die Gewächſe aus der Familie der<lb/> Kryptogamen ſtoßen. Mit Blüten bedeckte Retamabüſche<lb/> ſchmücken die kleinen, von den Regenſtrömen eingeriſſenen und<lb/> durch die Seitenausbrüche verſtopften Thäler; unter der Re-<lb/> tama folgt die Region der Farne und auf dieſe die der baum-<lb/> artigen Heiden. Wälder von Lorbeeren, Rhamnus und Erd-<lb/> beerbäumen liegen zwiſchen den Heidekräutern und den mit<lb/> Reben und Obſtbäumen bepflanzten Geländen. Ein reicher<lb/> grüner Teppich breitet ſich von der Ebene der Ginſter und<lb/> der Zone der Alpenkräuter bis zu den Gruppen von Dattel-<lb/> palmen und Muſen, deren Fuß das Weltmeer zu beſpülen<lb/> ſcheint. Ich deute hier nur die Hauptzüge dieſer Pflanzen-<lb/> karte an; im folgenden gebe ich einiges Nähere über die<lb/> Pflanzengeographie der Inſel Tenerifa.</p><lb/> <p>Daß auf der Spitze des Piks die Dörfchen, Weinberge<lb/> und Gärten an der Küſte einem ſo nahe gerückt ſcheinen,<lb/> dazu trägt die erſtaunliche Durchſichtigkeit der Luft viel bei.<lb/> Trotz der bedeutenden Entfernung erkannten wir nicht nur<lb/> die Häuſer, die Baumſtämme, das Takelwerk der Schiffe, wir<lb/> ſahen auch die reiche Pflanzenwelt der Ebenen in den leb-<lb/> hafteſten Farben glänzen. Dieſe Erſcheinung iſt nicht allein<lb/> dem hohen Standpunkt zuzuſchreiben, ſie deutet auf eine eigen-<lb/> tümliche Beſchaffenheit der Luft in heißen Ländern. Unter<lb/> allen Zonen erſcheint ein Gegenſtand, der ſich auf dem Meeres-<lb/> ſpiegel befindet und von dem die Lichtſtrahlen in wagerechter<lb/> Richtung ausgehen, weniger lichtſtark, als wenn man ihn vom<lb/> Gipfel eines Berges ſieht, wohin die Waſſerdämpfe durch<lb/> Luftſchichten von abnehmender Dichtigkeit gelangen. Gleich<lb/> auffallende Unterſchiede werden vom Einfluß der Klimate be-<lb/> dingt; der Spiegel eines Sees oder eines breiten Fluſſes<lb/> glänzt bei gleicher Entfernung weniger, wenn man ihn vom<lb/> Kamme der Schweizer Hochalpen, als wenn man ihn vom<lb/> Gipfel der Kordilleren von Peru oder Mexiko ſieht. Je reiner<lb/> und heiterer die Luft iſt, deſto vollſtändiger löſen ſich die<lb/> Waſſerdämpfe auf und deſto weniger wird das Licht bei<lb/> ſeinem Durchgang geſchwächt. Wenn man von der Südſee<lb/> her auf die Hochebene von Quito oder Antiſana kommt, ſo<lb/> wundert man ſich in den erſten Tagen, wie nahe gerückt<lb/> Gegenſtände erſcheinen, die 31 bis 36 <hi rendition="#aq">km</hi> entfernt ſind. Der<lb/> Pik von Teyde genießt nun zwar nicht des Vorteils, unter<lb/> den Tropen zu liegen, aber die Trockenheit der Luftſäulen,<lb/> welche fortwährend über den benachbarten afrikaniſchen Ebenen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0108]
dilleren unmittelbar an die Gewächſe aus der Familie der
Kryptogamen ſtoßen. Mit Blüten bedeckte Retamabüſche
ſchmücken die kleinen, von den Regenſtrömen eingeriſſenen und
durch die Seitenausbrüche verſtopften Thäler; unter der Re-
tama folgt die Region der Farne und auf dieſe die der baum-
artigen Heiden. Wälder von Lorbeeren, Rhamnus und Erd-
beerbäumen liegen zwiſchen den Heidekräutern und den mit
Reben und Obſtbäumen bepflanzten Geländen. Ein reicher
grüner Teppich breitet ſich von der Ebene der Ginſter und
der Zone der Alpenkräuter bis zu den Gruppen von Dattel-
palmen und Muſen, deren Fuß das Weltmeer zu beſpülen
ſcheint. Ich deute hier nur die Hauptzüge dieſer Pflanzen-
karte an; im folgenden gebe ich einiges Nähere über die
Pflanzengeographie der Inſel Tenerifa.
Daß auf der Spitze des Piks die Dörfchen, Weinberge
und Gärten an der Küſte einem ſo nahe gerückt ſcheinen,
dazu trägt die erſtaunliche Durchſichtigkeit der Luft viel bei.
Trotz der bedeutenden Entfernung erkannten wir nicht nur
die Häuſer, die Baumſtämme, das Takelwerk der Schiffe, wir
ſahen auch die reiche Pflanzenwelt der Ebenen in den leb-
hafteſten Farben glänzen. Dieſe Erſcheinung iſt nicht allein
dem hohen Standpunkt zuzuſchreiben, ſie deutet auf eine eigen-
tümliche Beſchaffenheit der Luft in heißen Ländern. Unter
allen Zonen erſcheint ein Gegenſtand, der ſich auf dem Meeres-
ſpiegel befindet und von dem die Lichtſtrahlen in wagerechter
Richtung ausgehen, weniger lichtſtark, als wenn man ihn vom
Gipfel eines Berges ſieht, wohin die Waſſerdämpfe durch
Luftſchichten von abnehmender Dichtigkeit gelangen. Gleich
auffallende Unterſchiede werden vom Einfluß der Klimate be-
dingt; der Spiegel eines Sees oder eines breiten Fluſſes
glänzt bei gleicher Entfernung weniger, wenn man ihn vom
Kamme der Schweizer Hochalpen, als wenn man ihn vom
Gipfel der Kordilleren von Peru oder Mexiko ſieht. Je reiner
und heiterer die Luft iſt, deſto vollſtändiger löſen ſich die
Waſſerdämpfe auf und deſto weniger wird das Licht bei
ſeinem Durchgang geſchwächt. Wenn man von der Südſee
her auf die Hochebene von Quito oder Antiſana kommt, ſo
wundert man ſich in den erſten Tagen, wie nahe gerückt
Gegenſtände erſcheinen, die 31 bis 36 km entfernt ſind. Der
Pik von Teyde genießt nun zwar nicht des Vorteils, unter
den Tropen zu liegen, aber die Trockenheit der Luftſäulen,
welche fortwährend über den benachbarten afrikaniſchen Ebenen
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