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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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kennen. Nach der Ansicht eines berühmten Botanikers, dessen
Reisen die Pflanzengeographie Europas sehr gefördert haben,
de Candolle, unterscheidet sich die Fichte von Tenerifa sowohl
von der Pinus atlantica in den Bergen bei Mogador, als
von der Fichte von Aleppo, 1 die dem Becken des Mittel-
ländischen Meeres angehört und nicht über die Säulen des
Herkules hinauszugehen scheint. Die letzten Fichten fanden
wir am Pik etwa in 2340 m Höhe über dem Meer. In
den Kordilleren von Neuspanien, im heißen Erdstrich, gehen
die mexikanischen Fichten bis zu 3900 m Höhe. So sehr
auch die verschiedenen Arten einer und derselben Pflanzen-
gattung im Bau übereinkommen, so verlangt doch jede zu
ihrem Fortkommen einen bestimmten Grad von Wärme und
Verdünnung der umgebenden Luft. Wenn in den gemäßigten
Landstrichen und überall, wo Schnee fällt, die konstante Boden-
wärme etwas höher ist als die mittlere Lufttemperatur, so
ist anzunehmen, daß in der Höhe des Portillo die Wurzeln
der Fichten ihre Nahrung aus dem Boden ziehen, in dem
in einer gewissen Tiefe der Thermometer höchstens auf 9 bis
10° steigt.

Die vierte und fünfte Zone, die der Retama und
der Gräser, liegen so hoch wie die unzugänglichsten Gipfel
der Pyrenäen. Es ist dies der öde Landstrich der Insel, wo
Haufen von Bimsstein, Obsidian und zertrümmerter Lava
wenig Pflanzenwuchs aufkommen lassen. Schon oben war
von den blühenden Büschen des Alpenginsters (Spartium
nubigenum
) die Rede, welche Oasen in einem weiten Aschen-
meer bilden. Zwei krautartige Gewächse, Scrophularia gla-
brata
und Viola cheiranthifolia, gehen weiter hinauf bis
ins Malpays. Ueber einem von der afrikanischen Sonne aus-
gebrannten Rasen bedeckt die Cladonia paschalis dürre Strecken;
die Hirten zünden sie häufig an, wobei sich dann das Feuer
sehr weit verbreitet. Dem Gipfel des Pik zu arbeiten Ur-
ceolarien und andere Flechten an der Zersetzung des ver-

1 Pinus halepensis. Nach de Candolles Bemerkung hieße
diese Fichte, die in Portugal fehlt und am Abhang von Frankreich
und Spanien gegen das Mittelmeer, in Italien, in Kleinasien und
in der Berberei vorkommt, besser Pinus mediterranea. Sie ist
der herrschende Baum in den Fichtenwäldern des südöstlichen Frank-
reichs, wo sie von Gouan und Gerard mit der Pinus sylvestris
verwechselt worden ist.

kennen. Nach der Anſicht eines berühmten Botanikers, deſſen
Reiſen die Pflanzengeographie Europas ſehr gefördert haben,
de Candolle, unterſcheidet ſich die Fichte von Tenerifa ſowohl
von der Pinus atlantica in den Bergen bei Mogador, als
von der Fichte von Aleppo, 1 die dem Becken des Mittel-
ländiſchen Meeres angehört und nicht über die Säulen des
Herkules hinauszugehen ſcheint. Die letzten Fichten fanden
wir am Pik etwa in 2340 m Höhe über dem Meer. In
den Kordilleren von Neuſpanien, im heißen Erdſtrich, gehen
die mexikaniſchen Fichten bis zu 3900 m Höhe. So ſehr
auch die verſchiedenen Arten einer und derſelben Pflanzen-
gattung im Bau übereinkommen, ſo verlangt doch jede zu
ihrem Fortkommen einen beſtimmten Grad von Wärme und
Verdünnung der umgebenden Luft. Wenn in den gemäßigten
Landſtrichen und überall, wo Schnee fällt, die konſtante Boden-
wärme etwas höher iſt als die mittlere Lufttemperatur, ſo
iſt anzunehmen, daß in der Höhe des Portillo die Wurzeln
der Fichten ihre Nahrung aus dem Boden ziehen, in dem
in einer gewiſſen Tiefe der Thermometer höchſtens auf 9 bis
10° ſteigt.

Die vierte und fünfte Zone, die der Retama und
der Gräſer, liegen ſo hoch wie die unzugänglichſten Gipfel
der Pyrenäen. Es iſt dies der öde Landſtrich der Inſel, wo
Haufen von Bimsſtein, Obſidian und zertrümmerter Lava
wenig Pflanzenwuchs aufkommen laſſen. Schon oben war
von den blühenden Büſchen des Alpenginſters (Spartium
nubigenum
) die Rede, welche Oaſen in einem weiten Aſchen-
meer bilden. Zwei krautartige Gewächſe, Scrophularia gla-
brata
und Viola cheiranthifolia, gehen weiter hinauf bis
ins Malpays. Ueber einem von der afrikaniſchen Sonne aus-
gebrannten Raſen bedeckt die Cladonia paschalis dürre Strecken;
die Hirten zünden ſie häufig an, wobei ſich dann das Feuer
ſehr weit verbreitet. Dem Gipfel des Pik zu arbeiten Ur-
ceolarien und andere Flechten an der Zerſetzung des ver-

1 Pinus halepensis. Nach de Candolles Bemerkung hieße
dieſe Fichte, die in Portugal fehlt und am Abhang von Frankreich
und Spanien gegen das Mittelmeer, in Italien, in Kleinaſien und
in der Berberei vorkommt, beſſer Pinus mediterranea. Sie iſt
der herrſchende Baum in den Fichtenwäldern des ſüdöſtlichen Frank-
reichs, wo ſie von Gouan und Gérard mit der Pinus sylvestris
verwechſelt worden iſt.
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[114/0130] kennen. Nach der Anſicht eines berühmten Botanikers, deſſen Reiſen die Pflanzengeographie Europas ſehr gefördert haben, de Candolle, unterſcheidet ſich die Fichte von Tenerifa ſowohl von der Pinus atlantica in den Bergen bei Mogador, als von der Fichte von Aleppo, 1 die dem Becken des Mittel- ländiſchen Meeres angehört und nicht über die Säulen des Herkules hinauszugehen ſcheint. Die letzten Fichten fanden wir am Pik etwa in 2340 m Höhe über dem Meer. In den Kordilleren von Neuſpanien, im heißen Erdſtrich, gehen die mexikaniſchen Fichten bis zu 3900 m Höhe. So ſehr auch die verſchiedenen Arten einer und derſelben Pflanzen- gattung im Bau übereinkommen, ſo verlangt doch jede zu ihrem Fortkommen einen beſtimmten Grad von Wärme und Verdünnung der umgebenden Luft. Wenn in den gemäßigten Landſtrichen und überall, wo Schnee fällt, die konſtante Boden- wärme etwas höher iſt als die mittlere Lufttemperatur, ſo iſt anzunehmen, daß in der Höhe des Portillo die Wurzeln der Fichten ihre Nahrung aus dem Boden ziehen, in dem in einer gewiſſen Tiefe der Thermometer höchſtens auf 9 bis 10° ſteigt. Die vierte und fünfte Zone, die der Retama und der Gräſer, liegen ſo hoch wie die unzugänglichſten Gipfel der Pyrenäen. Es iſt dies der öde Landſtrich der Inſel, wo Haufen von Bimsſtein, Obſidian und zertrümmerter Lava wenig Pflanzenwuchs aufkommen laſſen. Schon oben war von den blühenden Büſchen des Alpenginſters (Spartium nubigenum) die Rede, welche Oaſen in einem weiten Aſchen- meer bilden. Zwei krautartige Gewächſe, Scrophularia gla- brata und Viola cheiranthifolia, gehen weiter hinauf bis ins Malpays. Ueber einem von der afrikaniſchen Sonne aus- gebrannten Raſen bedeckt die Cladonia paschalis dürre Strecken; die Hirten zünden ſie häufig an, wobei ſich dann das Feuer ſehr weit verbreitet. Dem Gipfel des Pik zu arbeiten Ur- ceolarien und andere Flechten an der Zerſetzung des ver- 1 Pinus halepensis. Nach de Candolles Bemerkung hieße dieſe Fichte, die in Portugal fehlt und am Abhang von Frankreich und Spanien gegen das Mittelmeer, in Italien, in Kleinaſien und in der Berberei vorkommt, beſſer Pinus mediterranea. Sie iſt der herrſchende Baum in den Fichtenwäldern des ſüdöſtlichen Frank- reichs, wo ſie von Gouan und Gérard mit der Pinus sylvestris verwechſelt worden iſt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/130>, abgerufen am 21.11.2024.