Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.schlackten Gesteines, und so erweitert sich auf von Vulkanen Ueberblicken wir die Vegetationszonen von Tenerifa, so Auf dem ganzen Archipel finden sich zwar mehrere Ge- 1 Willdenow und ich haben unter den Pflanzen vom Pik von
Tenerifa das schöne Satyrium diphyllum (Orchis cordata, Willd.) erkannt, die Link in Portugal gefunden. Die Kanarien haben nicht die Dicksonia Culcita, den einzigen Baumfarn, der unter 39° der Breite vorkommt, wohl aber Asplenium palmatum und Myrica Faya mit der Flora der Azoren gemein. Letzterer Baum findet sich in Portugal wild, Hofmannsegg hat sehr alte Stämme gesehen, es bleibt aber zweifelhaft, ob er in diesem Teil unseres Kontinentes einheimisch oder eingeführt ist. Denkt man über die Wanderungen der Gewächse nach und zieht man in Betracht, daß es geologisch möglich ist, daß Portugal, die Azoren, die Kanarien und die Atlas- kette einst durch nunmehr im Meer versunkene Länder zusammen- gehangen haben, so erscheint das Vorkommen der Myrica Faya im westlichen Europa zum mindesten ebenso auffallend, als wenn die Fichte von Aleppo auf den Azoren vorkäme. ſchlackten Geſteines, und ſo erweitert ſich auf von Vulkanen Ueberblicken wir die Vegetationszonen von Tenerifa, ſo Auf dem ganzen Archipel finden ſich zwar mehrere Ge- 1 Willdenow und ich haben unter den Pflanzen vom Pik von
Tenerifa das ſchöne Satyrium diphyllum (Orchis cordata, Willd.) erkannt, die Link in Portugal gefunden. Die Kanarien haben nicht die Dicksonia Culcita, den einzigen Baumfarn, der unter 39° der Breite vorkommt, wohl aber Asplenium palmatum und Myrica Faya mit der Flora der Azoren gemein. Letzterer Baum findet ſich in Portugal wild, Hofmannsegg hat ſehr alte Stämme geſehen, es bleibt aber zweifelhaft, ob er in dieſem Teil unſeres Kontinentes einheimiſch oder eingeführt iſt. Denkt man über die Wanderungen der Gewächſe nach und zieht man in Betracht, daß es geologiſch möglich iſt, daß Portugal, die Azoren, die Kanarien und die Atlas- kette einſt durch nunmehr im Meer verſunkene Länder zuſammen- gehangen haben, ſo erſcheint das Vorkommen der Myrica Faya im weſtlichen Europa zum mindeſten ebenſo auffallend, als wenn die Fichte von Aleppo auf den Azoren vorkäme. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="115"/> ſchlackten Geſteines, und ſo erweitert ſich auf von Vulkanen<lb/> verheerten Eilanden Floras Reich durch die nie ſtockende<lb/> Thätigkeit organiſcher Kräfte.</p><lb/> <p>Ueberblicken wir die Vegetationszonen von Tenerifa, ſo<lb/> ſehen wir, daß die ganze Inſel als ein Wald von Lorbeeren,<lb/> Erdbeerbäumen und Fichten erſcheint, der kaum an ſeinen<lb/> Rändern von Menſchen urbar gemacht iſt, und in der Mitte<lb/> ein nacktes ſteiniges Gebiet umſchließt, das weder zum Acker-<lb/> bau noch zur Weide taugt. Nach Brouſſonets Bemerkung<lb/> läßt ſich der Archipel der Kanarien in zwei Gruppen teilen.<lb/> Die erſte begreift Lanzarote und Fuerteventura, die zweite<lb/> Tenerifa, Canaria, Gomera, Ferro und Palma. Beide weichen<lb/> im Habitus der Vegetation bedeutend voneinander ab. Die<lb/> oſtwärts gelegenen Inſeln, Lanzarote und Fuerteventura, haben<lb/> weite Ebenen und nur niedrige Berge; ſie ſind faſt quellen-<lb/> los, und dieſe Eilande haben noch mehr als die anderen den<lb/> Charakter vom Kontinent getrennter Länder. Die Winde<lb/> wehen hier in derſelben Richtung und zu denſelben Zeiten;<lb/><hi rendition="#aq">Euphorbia mauritanica, Atropa frutescens</hi> und <hi rendition="#aq">Sonchus<lb/> arborescens</hi> wuchern im loſen Sand und dienen wie in Afrika<lb/> den Kamelen als Futter. Auf der weſtlichen Gruppe der<lb/> Kanarien iſt das Land höher, ſtärker bewaldet, beſſer von<lb/> Quellen bewäſſert.</p><lb/> <p>Auf dem ganzen Archipel finden ſich zwar mehrere Ge-<lb/> wächſe, die auch in Portugal, <note place="foot" n="1">Willdenow und ich haben unter den Pflanzen vom Pik von<lb/> Tenerifa das ſchöne <hi rendition="#aq">Satyrium diphyllum (Orchis cordata, Willd.)</hi><lb/> erkannt, die Link in Portugal gefunden. Die Kanarien haben nicht<lb/> die <hi rendition="#aq">Dicksonia Culcita,</hi> den einzigen Baumfarn, der unter 39° der<lb/> Breite vorkommt, wohl aber <hi rendition="#aq">Asplenium palmatum</hi> und <hi rendition="#aq">Myrica<lb/> Faya</hi> mit der Flora der Azoren gemein. Letzterer Baum findet<lb/> ſich in Portugal wild, Hofmannsegg hat ſehr alte Stämme geſehen,<lb/> es bleibt aber zweifelhaft, ob er in dieſem Teil unſeres Kontinentes<lb/> einheimiſch oder eingeführt iſt. Denkt man über die Wanderungen<lb/> der Gewächſe nach und zieht man in Betracht, daß es geologiſch<lb/> möglich iſt, daß Portugal, die Azoren, die Kanarien und die Atlas-<lb/> kette einſt durch nunmehr im Meer verſunkene Länder zuſammen-<lb/> gehangen haben, ſo erſcheint das Vorkommen der <hi rendition="#aq">Myrica Faya</hi> im<lb/> weſtlichen Europa zum mindeſten ebenſo auffallend, als wenn die<lb/> Fichte von Aleppo auf den Azoren vorkäme.</note> in Spanien, auf den Azoren<lb/> und im nordweſtlichen Afrika vorkommen, aber viele Arten<lb/> und ſelbſt einige Gattungen ſind Tenerifa, Porto Santo und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0131]
ſchlackten Geſteines, und ſo erweitert ſich auf von Vulkanen
verheerten Eilanden Floras Reich durch die nie ſtockende
Thätigkeit organiſcher Kräfte.
Ueberblicken wir die Vegetationszonen von Tenerifa, ſo
ſehen wir, daß die ganze Inſel als ein Wald von Lorbeeren,
Erdbeerbäumen und Fichten erſcheint, der kaum an ſeinen
Rändern von Menſchen urbar gemacht iſt, und in der Mitte
ein nacktes ſteiniges Gebiet umſchließt, das weder zum Acker-
bau noch zur Weide taugt. Nach Brouſſonets Bemerkung
läßt ſich der Archipel der Kanarien in zwei Gruppen teilen.
Die erſte begreift Lanzarote und Fuerteventura, die zweite
Tenerifa, Canaria, Gomera, Ferro und Palma. Beide weichen
im Habitus der Vegetation bedeutend voneinander ab. Die
oſtwärts gelegenen Inſeln, Lanzarote und Fuerteventura, haben
weite Ebenen und nur niedrige Berge; ſie ſind faſt quellen-
los, und dieſe Eilande haben noch mehr als die anderen den
Charakter vom Kontinent getrennter Länder. Die Winde
wehen hier in derſelben Richtung und zu denſelben Zeiten;
Euphorbia mauritanica, Atropa frutescens und Sonchus
arborescens wuchern im loſen Sand und dienen wie in Afrika
den Kamelen als Futter. Auf der weſtlichen Gruppe der
Kanarien iſt das Land höher, ſtärker bewaldet, beſſer von
Quellen bewäſſert.
Auf dem ganzen Archipel finden ſich zwar mehrere Ge-
wächſe, die auch in Portugal, 1 in Spanien, auf den Azoren
und im nordweſtlichen Afrika vorkommen, aber viele Arten
und ſelbſt einige Gattungen ſind Tenerifa, Porto Santo und
1 Willdenow und ich haben unter den Pflanzen vom Pik von
Tenerifa das ſchöne Satyrium diphyllum (Orchis cordata, Willd.)
erkannt, die Link in Portugal gefunden. Die Kanarien haben nicht
die Dicksonia Culcita, den einzigen Baumfarn, der unter 39° der
Breite vorkommt, wohl aber Asplenium palmatum und Myrica
Faya mit der Flora der Azoren gemein. Letzterer Baum findet
ſich in Portugal wild, Hofmannsegg hat ſehr alte Stämme geſehen,
es bleibt aber zweifelhaft, ob er in dieſem Teil unſeres Kontinentes
einheimiſch oder eingeführt iſt. Denkt man über die Wanderungen
der Gewächſe nach und zieht man in Betracht, daß es geologiſch
möglich iſt, daß Portugal, die Azoren, die Kanarien und die Atlas-
kette einſt durch nunmehr im Meer verſunkene Länder zuſammen-
gehangen haben, ſo erſcheint das Vorkommen der Myrica Faya im
weſtlichen Europa zum mindeſten ebenſo auffallend, als wenn die
Fichte von Aleppo auf den Azoren vorkäme.
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/131>, abgerufen am 16.02.2025. |